Miitopia - Test (Switch, 3DS): Technisch verbessert, inhaltlich weiter so lala
Flach, aber herzlich.
Test-Update zur Nintendo-Switch-Version: Nicht ganz vier Jahre nach dem Release auf dem 3DS ist Miitopia auf der Switch angekommen. Damals ging das komplett an mir vorbei, jetzt kam ich aufgrund des Test-Updates nicht drumherum. Okay, zugegeben, ich hab's mir schlimmer vorgestellt, als es in Wahrheit ist. Inhaltlich gilt daher das, was Alex unten im ursprünglichen Test der 3DS-Version sagt, dem ich auch komplett zustimme.
Rein inhaltlich betrachtet wurde mit der Neuveröffentlichung auf der Switch nicht die Möglichkeit genutzt, Kritikpunkte der 3DS-Version anzugehen. Es ist auf jeden Fall eine Freude für alle, die sich gerne ihre eigenen Miis zusammenbasteln. Dank neuer Optionen auf der Switch sind noch individuellere Kreationen möglich und die Community nutzt diese fleißig, um ein paar coole Charaktere zu erstellen, von Pikachu über Darth Vader bis hin zu Spider-Man.
Ebenfalls neu hinzugekommen ist ein Pferd, das als weiterer Begleiter zu euch stößt. Ab und an dürft ihr auch darauf reiten und von Zeit zu Zeit unterstützt es euch im Kampf. Aber allein dann, wenn es gerade Bock drauf hat. Wie bei vielen Dingen in Miitopia spielt der Zufall dabei eine Rolle, was es nicht so interessant macht, wie es hätte sein können.
Optisch übertrumpft Miitopia auf der Switch das Original dafür umso mehr. Visuell profitiert das Spiel enorm vom Plattformwechsel, ohne dabei den Charme der ursprünglichen Version zu verlieren. Umgebungen und Miis werden auf der Switch hübsch dargestellt und erwecken Miitopia so wenigstens in dieser Hinsicht zu neuem Leben.
Insgesamt reicht's nicht aus, um die Switch-Version zum Pflichtkauf für Spieler und Spielerinnen des Originals zu machen. Eine technisch schöne Portierung ist es allemal, tiefgreifende Gameplay-Änderungen solltet ihr dabei aber nicht erwarten. Wenn ihr es zuvor nicht gespielt habt, lest ihr alles spielerisch Wissenswerte in den nachfolgenden Abschnitten. (Benjamin Jakobs)
Ursprünglicher Test vom August 2017: Miitopia gehört zu der Sorte Spiel, bei der die Kaufberatung einfacher ausfällt als bei vielen anderen: Liebt ihr die Miis und den Slapstick, der daraus entsteht, eine gewisse Rolle in Spielen wie Tomodachi Life rein zufällig komplett genial gecastet zu haben? Dann ist Miitopia als JRPG-Gegenstück zu eben genannter Lebenssimulation definitiv einen Blick wert. Sucht ihr dagegen nach fesselnden Quests, motivierenden Loot-Zyklen und spannenden Geschichten, hat der 3DS so viel mehr zu bieten als dieses flott-unterhaltsame, aber seichte und sich über weite Strecken beinahe selbst spielende Rollenspiel.
Doch auch wenn aus rein mechanisch-systemischer Sicht kaum Substanz in Miitopia steckt, fällt es schwer, dem Charme nicht zumindest ein Stück weit zu erliegen. Alle Rollen im Spiel werden von selbsterstellten oder per Street-Pass gesammelten Miis besetzt, Helden und Bösewichter darf man selbst zuweisen und sobald der Obermotz allen Miis des Landes ihre Gesichter geraubt und auf Gegner gepappt hat, zieht man eben mit Val Kilmer, Bud Spencer und David Hasselhoff gemeinsam in die Schlacht. Ich persönlich wählte für die Hauptrollen allerdings lieber Freunde und Familie und musste schon regelmäßig schmunzeln, was für passende (oder herrlich unpassende) Worte Miitopia meiner Ehefrau und meinen zwei besten Freunden in den Mund legte.
"Hat da jemand gepupst", fragte mich meine Frau auf unserer ersten, zunächst nur aus uns beiden bestehenden Expedition, als würde sie etwas unterstellen. "Keine Lust auf starke Monster", entwich ihr ein paar Gasthäuser später doch ziemlich charakteristisch, und als sie sich im Kampf wiederholt hinter meinem Trauzeugen versteckte, damit er den für sie bestimmten Schaden kassierte, dankte sie es ihm mit einem "Lieb von dir", das der Geschädigte nur mit einer entgeisterten Äußerung ihres Namens quittierte. Und selbstverständlich verspürt sie regelmäßig Lust auf neue Kleidung und fragt mich beim Putzen unseres Gasthauszimmers, ob das nicht etwas schneller gehe.
Klar, da ist viel "Confirmation Bias" dabei, und wann immer diese zufällig rausgeplapperten Kommentare charakterlich komplett danebenhauen, nimmt man das entweder nicht wahr oder feiert es als entwaffnende Überraschung. Für mich funktionierte es ausgezeichnet und ich nahm mir regelmäßig viel Zeit, vakante Heldenrollen mit Menschen aus meinem Umfeld zu besetzen. Und dass neben den klassischen Krieger-, Heiler- und Magierlaufbahnen auch Quatsch wie "Popstar" und später auch noch Seltsameres enthalten ist, ist einfach sympathisch. Schön auch, dass man nachträglich jeden Aspekt seiner Miis bearbeiten darf, sollte man doch nicht mit seiner Kreation einverstanden sein.
In Sachen Konzept bin ich demnach voll und ganz bei Miitopia. Allerdings wünschte ich mir, Nintendo hätte die spielerische Seite etwas ernster genommen. Im Grunde stecken hier alle Zutaten für ein vollkommen passables RPG drin, aber die Entwickler entschieden sich, euch im Sinne des Spielflusses und der Zugänglichkeit weite Teile der Kontrolle zu entziehen. Auf der Oberweltkarte wählt ihr zum Beispiel einen Zielpunkt und schaut dann euren plappernden Freunden zu, wie sie vollkommen automatisch und immer von links nach rechts (ungeachtet der Himmelsrichtung auf der Karte) dem nächsten gewählten Ziel entgegenwandern. Input gebt ihr im generellen Gameplay nur an gelegentlichen Abzweigungen und in den Zufallskämpfen.
Es ist schon bezeichnend, wenn gleich zwei der Daumentasten, B und Y, für "Vorspulen" und "Pause" reserviert sind, so sehr finden gute Portionen hiervon im Autopilot statt. Auch im strikt abwechselnden Rundenkampf setzt sich das fort. Alle Party-Mitglieder sind gewissermaßen NPCs, die in Auseinandersetzungen ihre Aktionen selbst wählen. Dazu gehört auch, dass sie hier und da Entscheidungen treffen oder Skills nutzen, die man selbst in der Situation nicht gewählt hätte. Aber es soll einfach nicht sein. Neben seiner eigenen Figur steuert man eigentlich nur ein paar separate Heilfunktionen selbst (die sogenannten Streuer, mit denen man begrenzt Magie- und Gesundheitspunkte wiederauffrischt) und verschiebt hier und da mal jemanden mit einem Status-Malus in die regenerierende Ruhezone. Man hat nicht unbedingt das Gefühl, man hätte den größten Einfluss auf den Verlauf.
Ein Stück weit zieht Miitopia zugegebenermaßen sogar einen gewissen Reiz daraus, dass nicht alles in der eigenen Hand liegt, weil das Spiel mehr, als es müsste, auf Life-Sim-Aspekte eines Tomodachi Life schielte. Die Beziehungen der Figuren untereinander sowie ihre unterschiedlichen Wesenszüge (die ihr aus einer schmalen Auswahl selbst festlegt) ermöglichen nämlich Zusatzaktionen im Kampf, etwa wenn eine Figur eine befreundete so warnt, dass diese einem Angriff ausweicht, oder sie beeindrucken möchte und deshalb ein wenig Extramumm in eine Attacke legt. Diese Wechselwirkungen sind nett anzuschauen und man freut sich, wenn seine Untergebenen sich so gut verstehen. Aber sie verlieren auch ein wenig schneller an Aha-Faktor, als interessante neue Interaktionen hinzukommen.
Im Resultat lassen einen die recht leichten Kämpfe ein wenig zu teilnahmslos, was viele dazu verleiten dürfte, ihr Häkchen früher bei "Automatischer Kampf" zu setzen, als man das bei einem wirklich guten Rollenspiel tun würde - oder zumindest überproportional häufig den Daumen auf der beschleunigenden B-Taste zu parken. In gewisser Weise ist der Life-Sim-Aspekt das Herz des Spiels, wenn ihr eurer Party in Gasthäusern sagt, wer mit wem welches Zimmer beziehen soll, ihnen Taschengeld gebt, damit sie sich einen neuen Ausrüstungsgegenstand kaufen - immer nur den nächstbesseren, Auswahl gibt es keine -, und beobachtet, wie sie sich gegenseitig Geschenke machen oder Glücksspiellose beim Schnick-Schnack-Schnuck oder Simpel-Roulette verprassen. Im Kopf mag sich Miitopia für ein Rollenspiel halten, im Herzen geht es aber doch um die Beziehungen der Figuren untereinander, wenngleich nicht auf Handlungsebene, sondern eher auf systemischer. Doch weil man kein Sagen hat, in welche Richtung sich die Figuren spezialisieren sollen, bleibt auch der Teambuilding-Aspekt hinter den Möglichkeiten zurück.
Auch wer den RPGs wegen ihrer Geschichten zugetan ist, sollte hier eher fernbleiben. Die Story von Miitopia ist mehr oder weniger kaum existent, der obige Halbsatz mit den gestohlenen Gesichtern sagt euch alles, was ihr wissen müsst. Miitopia will, dass eure Figuren ihre eigenen kleinen Storys schreiben - selbst wenn auch diese wegen ihrer mehr oder weniger aus Charakterwerten und zufälligen Dialogen zusammengewürfelten Natur immer nur kurze Anekdoten sein können. Nach hinten hinaus fühlt sich das irgendwann dünn und ein bisschen wiederholungsanfällig an. Doch wer so weit kommt, der hat sich in der herzigen Spirale dieses Minimal-Dungeon-Crawls schon längst heillos verfangen - und wird am Ende des Hauptspiels sogar mit einer netten Nebenstory belohnt, die im Ablauf offener und damit einnehmender ist als die über zwanzig Stunden zuvor.
Und hey, ich hab meine Zeit schon deutlich schlechter totgeschlagen. Nicht, dass viel hängengeblieben wäre. Zu behaupten, ich hätte nicht mehrfach herzhaft schmunzeln, manchmal sogar wirklich lachen müssen, wäre aber glatt gelogen. Anders jedoch als in einem wirklich guten RPG kommt hier wegen der hohen Automatisierung nie der Sogfaktor auf, für den man dieses Genre für gewöhnlich schätzt. Daran ist an und für sich nichts Verwerfliches, aber Miitopia verpasst es, aus seinen Selbstläufereigenschaften spielerischen Profit zu ziehen. Klar, ist es zugänglich wie wenig anderes, unterschätzt dabei aber weite Teile seiner Zielgruppe und verkauft sich selbst unter Wert. Tomodachi-Life-Junkies und Fans des speziellen, aber erfrischend entwaffnenden Mii-Humors dürfen trotzdem einen vorsichtigen Blick riskieren.
Entwickler/Publisher: Nintendo - Erscheint für: 3DS - Preis: 39,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: deutsche Bildschirmtexte - Mikrotransaktionen: Nein