Minecraft - Test
Spiel des Lebens
Die ersten Nächte zu überleben, gehört zu den intensivsten Spielerlebnissen dieses Jahres. Den schnellen Tag-Nacht-Wechsel im Nacken, sucht ihr tagsüber Kohle, um Fackeln zu bauen, die durch Ausleuchtung abgeschlossener Räume verhindern, dass Feinde spawnen. Parallel zu eurer Ausrüstung und dem langsam aufkommenden Gefühl von Orientierung und Sicherheit steigen euer Selbstbewusstsein und die Ansprüche an das Loch, in dem ihr haust. Also baut man eine Holztür, tauscht Wände aus Dreck gegen ansehnlicheren Naturstein, später Ziegel und sucht irgendwann in Wassernähe feinen Sand, um am Ofen Fensterglas daraus zu brennen. Spätestens in Nacht vier baut ihr eine zweite Etage samt Balkon oder einen Keller, der euch immer tiefer in die Eingeweide der Erde führt.
Dort findet ihr zunehmend bessere Materialien, aus denen ihr robusteres und effektiveres Werkzeug fertigt. Hier lernt ihr auf die härteste aller Touren, dass auch dieser Keller besser durch eine Tür von eurem Lebensbereich abgetrennt und reichlich ausgeleuchtet sein sollte - und, dass nach einem Tod gedroppte Beute und Erfahrungspunkte nur fünf Minuten liegen bleiben, bevor sie für immer verschwinden. Größte Triumphe und niederschmetterndste Niederlagen liegen hier dichter beieinander als irgendwo sonst - nun gut, von Dark Souls vielleicht mal abgesehen. Niemand weiß das besser als jemand, der einmal einen ganzen Nachmittag darauf ver(sch)wendete, eine Handvoll der überaus seltenen Diamanten für die beste aller Spitzhacken und ein schön scharfes Schwert zu finden.
Das überbordende Glücksgefühl, nach stundenlangem Suchen und unzähligen Kämpfen mit Riesenspinnen in der Steilwand des majestätischen Dungeons, der sich hinter einer Geröllfassade vor euch versteckte, das blau-weiße Glitzern zu sehen, ist in den ersten Spieltagen eine der eindringlichsten Erfahrungen, die man machen kann. Freilich nur, um dann wegen der eigenen Unachtsamkeit von einer plötzlichen Lavawelle aus dem Spiel getilgt zu werden und alles Gesammelte unwiederbringlich zu verlieren, weil man vergaß, vor seiner Expedition eine Basis-Ausrüstung im Lager zu Bunkern, geschweige denn, im Gewirr aus Schächten und leergeputzen Mineraladern den Weg zurück zu markieren.
Aber man wird weiser, vorsichtiger, nimmt sich die Zeit und Ressourcen, seinen 50 Meter tiefen Schacht in das so lukrative Minen- und Dungeon-System mit einer Leiter auszustatten und beherzigt die goldene Regel, niemals senkrecht nach oben oder unten zu graben, um nicht von herabstürzendem Sand oder Kies - zwei der wenigen Block-Arten, die der Schwerkraft gehorchen - erschlagen zu werden respektive in den Tod zu stürzen. Mit jeder neuen Ressource erweitert sich euer Horizont und das Repertoire an Dingen, die ihr craften könnt. Was mit simplen Werkzeugen begann, ermöglicht später durch das energiespendende Material "Redstone" Geräte wie einen Kompass, der den Weg zum Spawnpunkt weist, eine Uhr oder gar ganze Schaltkreise, mithilfe derer man komplexere Maschinen baut, die einen LittleBigPlanet Dipl. Ing. stolz machen würden.
"Das ist auch der Moment in dem bei vielen irgendwann etwas einsetzt, dass man so in einem Spiel noch nie erlebt hat: Fernweh."
Die Chancen stehen allerdings nicht schlecht, dass man zuerst seine eigene Festung ausbaut, mit Schutzmechanismen und Lava-Fallgruben versieht, vielleicht sogar den kompletten Berg darum abträgt, um nur die Umrisse von Castle Grayskull stehenzulassen. Irgendwann ist der Moment erreicht, in dem man seinen Frieden mit dieser Welt gemacht hat, nicht mehr am unteren Ende der Nahrungskette steht, sondern auf den Zinnen seines Wachturmes über allem trohnt, in glänzender Rüstung und gut gewappnet für die meisten aller Fälle.
Das ist auch der Moment, in dem bei vielen irgendwann etwas einsetzt, dass man so in einem Spiel noch nie erlebt hat: Fernweh. Hat es einen einmal gepackt, schnürt man den Ranzen, um eine andere Klimazone aufzusuchen und dort noch einmal von vorne zu beginnen, dieses Mal alles besser und richtiger zu machen. Und auch das nimmt einen wieder gefangen, als spiele man zum ersten Mal.