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Minecraft - Test

Spiel des Lebens

Je länger man in der Welt von Minecraft erst Opfer, dann Herrscher ist, desto mehr Facetten entdeckt man. Wenn man denn will. Man probiert aus, verwirklicht sich selbst oder bleibt einfach unter Tage, bis man die letzten Klunker an sich gerissen und den letzten Dungeon befriedet hat.

Was aber in all den Möglichkeiten und bei all der beachtlichen Sammel- und Bausucht niemals untergeht, ist der Spaß. Wo andere Spiele mit ähnlichem Abhängigkeitspotenzial zu einer richtiggehend auslaugenden Grind-Tretmühle werden, schenken einem die fantastischen zufallsgenerierten Welten Minecrafts immer wieder Ehrfurcht gebietende Momente. Bombastische, unterirdische Lava-Fälle und Sturzbäche, die in ein bodenloses Nichts zu fallen scheinen, kitzeln regelmäßig das Entdecker-Gen im Spieler. Als ich das erste Mal unversehens über eine Truhe mit Loot gestolpert bin, war das eine der spektakulärsten und unerwartetsten Entdeckungen überhaupt. Ich bin immer noch auf der Suche nach einem NPC-Dorf, ein Feature, das sich bisher nur aus Überlieferungen kenne. Irgendwann werde ich eines finden. Das weiß ich.

Bewässerte Felder werfen Weizen ab, der sich zu Brot oder Kuchenverarbeiten lässt

Und dann habe ich noch nicht einmal das Nether betreten. Denn, seht ihr, eine Welt, in die die echte bequem reinpasst, war Notch nicht genug, weshalb er Minecraft gleich zwei Parallel-Dimensionen spendierte, für die man allerdings zuerst die passenden Portale errichten muss. Oben erwähnte, absolut tödliche Höllenwelt, birgt noch einmal neue Materialien und dient zudem als verspielte Schnellreisefunktion: Jeder gelaufene Meter in eine Richtung entspricht der achtfachen Distanz in der "echten" Welt. Hier sammelt ihr auch die Mittel, um ein weiteres Tor in die Dimension The End zu bauen, in der ein finaler Bossgegner wohnt

"Lediglich den rudimentärsten Regeln folgend, ist es eure Geschichte, die ihr hier gleichzeitig schreibt und erlebt."

Zugegeben: Minecraft erklärt einem das alles nicht. Doch das komplexe und dennoch simple Crafting-System ist zum einen leicht zu begreifen und zum anderen gilt es zu bedenken: Als Spiel, das dermaßen unter den Augen der Öffentlichkeit entwickelt wurde, definiert sich Minecraft mittlerweile so über den Dialog in der Community, dass das nebenher geöffnete Wiki diese hochkomplexe und so entschieden Anti-Triple-A angelegte Sandbox nur bereichert. Apropos Community: Was hier in minutiöser, tagelanger Eigenregie auf den Multiplayer-Servern von Gruppen von Hobby-Baumeistern realisiert wird, spottet jeder Beschreibung. Das Raumschiff Enterprise ist bereits mehrfach im Maßstab 1:1 vorhanden und ein besonders detailgenau nachgebildetes Modell der Yorkminster Kathedrale wurde von Eurogamer-Lesern auf dem Server unserer englischen Kollegen errichtet. Der Fantasie, dem Ehrgeiz und, ja, dem blanken Größenwahn kreativer Spieler sind hier keinerlei Grenzen gesetzt.

Wer Zeit hat, tobt sich ohne Gefahr und Ressourcenmangel im Kreativmodus aus.

So sehr Spiele wie Skyrim oder GTA auch diesen so schwammigen Begriff der Sandbox bemühen, so hat man doch das Gefühl, dass es erst Minecraft wirklich verstanden hat, diesem Prinzip gerecht zu werden. Hunderte extrem unterhaltsame und persönliche Stunden vergehen, bevor eure Gedanken die High-Level-Konstruktionen oder gar das Endgame in den Nether- und Ender-Dimensionen auch nur streifen. Das hier ist eure Geschichte, die ihr in eurem eigenen Tempo gleichzeitig schreibt und erlebt.

Wenn man nach wochenlangen Erkundungstouren auf der Suche nach dem Ende dieser Welt, nur am Verlauf der immer nach Westen ziehenden Wolken orientiert, zu seinem ersten Quartier zurückkehrt, lacht man über sein früheres Selbst. Die Anfängerfehler in seiner frühen Hauskonstruktion, die unbeholfen aufgestellten Fallen, in die man oft genug selbst reintappste, und erinnert sich ein bisschen peinlich berührt an seinen damals noch so beschränkten Horizont, nur auf Kohle, Eisen und - großer Gott - Gold konzentriert. Man sieht, wie weit man gekommen ist, legt doch jeder einzelne Block wissend Zeugnis davon ab. Was für eine treffende Analogie auf das Leben, Lernen, Älterwerden.

10 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Minecraft

Android, iOS, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC, Nintendo Switch

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