Miner Dig Deep
Indie-Diamantenfieber
Was macht man, wenn man vor lauter Triple-A-Titeln im Regal nicht weiß, was man zuerst spielen soll? Bingo! Man besorgt sich ein neues Spiel. In meinem speziellen Fall sollte es wieder ein Indie-Spiel sein, um Gewissen und Kreditkarte nicht allzu sehr zu belasten und weil mir erst kürzlich dieses Zombie-Spiel so gut gefallen hatte, von dem kein gescheiter Mensch weiß, wie man es ordentlich falsch schreibt. Was kann schon schief gehen bei 80 Microsoft-Punkten?
Abgesehen von der Tatsache, dass man mit dieser Verzögerungstaktik das Ausgangsproblem nur nach hinten verschiebt und obendrein verlängert – gewissermaßen eine meiner Spezialitäten –, nicht viel, denn Miner Dig Deep ist große Klasse. Müsste ich es in drei Worten beschreiben, so würde ich wohl Boulder-Dash-Rollenspiel dazu sagen.
Wie in dem C64-Klassiker geht es im Spiel der Gebrüder Ribaux darum, sich durch die Erde zu buddeln, Edelsteine zu sammeln und dabei nicht von Geröll erschlagen zu werden. Allerdings ist Miner Dig Deep ein bedeutend langsameres, weniger geschicklichkeitsbetontes Erlebnis. Dieser Verzicht auf Fetzigkeit wird auch durch die Protagonisten widergespiegelt.
Nicht dass es im Spielkontext wichtig wäre, aber es ist ein nettes Detail: Wo Boulder-Dash-Held Rockford 1984 zumindest auf der Verpackung ein Nathan-Drake-Äquivalent auf der Jagd nach Klunkern war, ist man hier der titelspendende Minenarbeiter. Ein "Working Class Hero", dessen einziges definierendes Merkmal sein gelber Schutzhelm ist.
Das Spiel beginnt über der Erde unter blauem Himmel zwischen eurem Zelt (wo gespeichert wird) und dem kleinen Lädchen, das in den kommenden Spielstunden der absolute Fixpunkt des Erlebnisses ist. Unreal-Engine-3-Fans und ausgemachte Ästheten dürften sich angesichts der etwas ungelenken, in Primärfarben gehaltenen 2D-Grafik anfangs noch in eine psychosomatische Blindheit flüchten. Wer allerdings auch nur zwei, drei Minuten aushält, der wird merken, dass die Grafik A) dem Preis des Spiels vollkommen angemessen ist, B) dem Spielerlebnis in keiner Weise auf den Füßen steht und C) letzten Endes doch einen gewissen amateurhaften Charme versprüht.
Noch bevor unter Tage der braun-braune Stollenschock vollends zuschlägt hat Miner Dig Deep die meisten seiner Probanten in willfährige Buddler verwandelt. Und das geht so: Das gesamte Spielfeld ist in der Breite nur etwa 2-3 Bildschirme weit. Dafür geht es umso weiter nach unten. Wie weit - oder besser: "wohin" -, das wird nicht verraten. Mit eurer Pickhacke grabt ihr euch also in der Seitenansicht in einen offenkundig zufallsgenerierten Stollen. Wie bei Boulder Dash, Mr. Driller und den restlichen Kumpeln geht es ganz digital Feld für Feld nur nach unten, links oder rechts. Dabei entdeckt ihr unterschiedliche Erze, Mineralien und Edelsteine, die ihr nach eurem Aufstieg oben im Shop zu Geld macht.
Zwei Felder ist allerdings das Maximum, das der kurzgeratene Blaumann in der Höhe mit einem Sprung überbrücken kann. Und so muss man anfangs aufpassen, sich nicht immer tiefer zu graben, sonst hilft nur noch ein Druck auf beide Schultertasten gleichzeitig, um einen Rettungstrupp anrücken zu lassen. Der verlangt für diesen Dienst euer komplettes Inventar. So gibt es zwar kein Game Over oder anhaltende Bildschirmtode, allerdings ist die ganze Arbeit, die man Minuten zuvor erledigt hat, für die Katz und das schmerzt in genau dem Umfang, den es schmerzen soll. Später tilgt dann ein Greifhaken dankenswerterweise euer vertikales Handicap.
Den besonderen Dreh erhält das Spiel durch die Öllampe. Die erleuchtet anfangs nur etwa einen Radius von zwei Feldern um euch herum und verbraucht den sehr begrenzten Kerosin-Vorrat im Nu. Nur im Lampenschein entdeckt ihr Erze, Verhärtungen des Bodens und die tödlichen Felsen. Ist es Essig mit dem Brennstoff, seht ihr zwar noch eure Tunnel, das war es allerdings auch schon. Grabt ihr im Düsteren zufällig den Boden unter einem schweren Felsen weg oder stolpert ihr in einen Naturschacht, müsst ihr gerettet werden verliert erneut eure komplette Beute seit dem letzten Gang zum Laden.
Das macht jeden Beutezug trotz des prinzipiell eher entspannten Minenspiels zu einem Wettlauf mit dem schwindenden Licht. Relaxtes und doch treibendes Spielen, denn der nächste Diamant liegt doch ganz bestimmt direkt außerhalb des Scheines eurer Lampe. In seinem Goldrausch muss man allerdings aufpassen, nicht zu wild kreuz und quer zu graben, denn sonst drohen Beben und Einstürze, die euch ebenfalls eure ganzen Klunker kosten können.
Trotz der Lifte, die man später dicht beieinander platziert, um hunderte Meter schneller zu überbrücken, wird auch der Abstieg in die aktuell beackerte Tiefe ein immer längerer, was ungeduldigen Naturen sauer aufstoßen könnte. Immerhin gibt es für die Rückwege - und nur für die Rückwege - alle 300 Meter einen Teleporter. Neue Lampen mit größerem Sichtradius und stattlicherem Tank, bessere Spitzhacken, tiefere Taschen und später sogar Drillbohrer helfen dabei, dass ihr effektiver und länger arbeiten und mit dem immer härter werdenden Boden mithalten könnt. Wer länger unten bleibt, muss also seltener ins Lager.
Und auch wenn man trotz aller Hilfsmittel immer noch eine stattliche Zeit mit dem Weg nach unten an die Grabungsstelle verbringt, so kann man dies dem Spiel nicht wirklich übel nehmen. Begleitet von entspannter Musik zelebriert es diesen Abstieg in die Tiefe. Er ist notwendig, weil er euch jedes Mal an eurem virtuellen Lebenswerk vorbeiführt, euch damit an Geleistetes erinnert.
Wegen dieser Leistung, die für sich genommen schon fast wie Arbeit anmutet, muss man sich auch nicht schlecht fühlen, dass man Miner Dig Deep eigentlich nur spielt, weil man gierig ist. Die Ribaux-Brüder entfalten in MDD einen fast schon hypnotischen Mehr-Mehr-Mehr-Flash. Und während ihr vollkommen vergesst, auf die Uhr zu schauen und nichts weiter tut, als Geld für das nächste Upgrade anzuhäufen, schlägt dieses Spielchen mit seiner ganz eigenen Spitzhacke Stunde um Stunde eine Schneise in eure Freizeit.
Miner Dig Deep ist im Indie-Channel auf Xbox LIVE für lächerliche 80 MS-Punkte zu haben.