Skip to main content

Mirror's Edge

Klasse Umsetzung, außergewöhnliches Spiel

2008 war das Jahr von John Riccitiello Qualitätsoffensive. Electronic Arts hat unter seinem neuen Geschäftsführer einige ungewöhnliche Risiken gewagt und neue Marken aus dem Boden gestampft. Einige Entscheidungen, zum Beispiel die Konsolen-Exklusivität von Battlefield: Bad Company (auch von Entwickler DICE), ein wirklich suboptimales Mercenaries 2 und ein unterirdisches Need for Speed: Undercover passen zwar nicht ganz zum positiven Gesamtbild, trotzdem kann man dem ehemaligen Marktführer nur zu seinem Mut gratulieren.

Ein besonderes Schmuckstück dieser Kopfgeburt: Die interessante Ego-Jump'n'Run-Kombination Mirror's Edge, die nun ca. zwei Monate nach der Konsolen-Fassung auch für den PC in den Läden steht. Für einen Top-Hit hat es angesichts der mageren Geschichte, des geringen Umfangs und des etwas gleichförmigen Spielablaufs zwar nicht ganz gereicht, dafür kommen die Stärken des Titel auf dem PC noch besser zur Geltung.

Man merkt der wilden Dächerhatz an, dass sich Entwickler DICE auf dem PC wie Zuhause fühlt. Die blitzschnelle Steuerung, die Kantenglättung und einige einige interessante Physik-Effekte stecken die Konsolen-Konkurrenz locker in die Tasche.

Auf dem PC dank geglätteter Kanten und hoher Auflösungen noch hübscher.

Mit Maus und Keyboard lassen sich die Bewegungen der Free Running-Heldin noch besser koordinieren, da gerade die flinken Richtungswechsel deutlich präziser als mit dem Controller gelingen. Im Gegenzug verlangen einige komplexe Aktionen Eurer Fingerfertigkeit alles ab, man bekommt aber stets das Gefühl vermittelt, selbst für seine Abstürze verantwortlich zu sein.

Abseits der nahezu perfekten Steuerung setzt DICE vor allem auf ein paar interessante Phsyik-Spielereien, die dem Titel noch mehr Atmosphäre verpassen. Das klare, fast sterile Design wird auch diesmal nicht jeden überzeugen, doch mit Kantenglättung und hohen Auflösungen sehenn Faith und ihre Umgebung besser denn je aus. Im Nahkampf erwarten Euch keine unfertigen Polygon-Klötze, die Euch aus der Illusion reißen, sondern erschrockene, gar ängstliche Gegner, deren Köpfe bis zu den Stoppeln im Gesicht modelliert wurden.

Noch spektakulärer wird es, wenn Ihr die PhysX-Engine anwerft. Mit Hilfe der von Nvidia lizenzierten Realitäts-Simulation trefft Ihr immer wieder auf Fahnen, Kunststoff-Vorhänge und herumliegende Kisten, die sich mit einer Waffe und Euren Fäusten physikalisch korrekt in ihre Einzelteile zerlegen lassen. Statt einfach nur abzufallen, werden bei Beschuss Löcher hineingerissen und das Material gleichzeitig nach hinten geschleudert. Am eigentlichen Spielablauf ändern diese Details zwar kaum etwas, doch die sowieso schon dichte Atmosphäre wird noch einmal deutlich nach ober geschraubt.

Dank vernünftiger Texturen endlich als Menschen erkennbar: Eure Widersacher.

Aber Vorsicht: Mit hoher Kantenglättung und eingeschalteter Physik gehen selbst starke Rechner in die Knie. Mein Testsystem (Intel Core 2 Duo 3 Ghz, 4 Gigabyte RAM, Ati Radeon 4850, Windows XP) produzierte bei den höchsten Qualitätseinstellungen und 8x-Anti-Aliasing in Feuergefechten gerade mal 6 Frames. Eine Reduzierung auf 2x genügte aber, um selbst in den aufwändigen Verfolgungssequenzen keine Probleme zu haben. Auch die V-Sync sollte ausnahmsweise angeschaltet bleiben, ohne kommt es zu enormen Tearing. Nvidia-Besitzer erhalten durch die PhysX-Optimierung leichte Vorteile, doch auch mit Ati-Karten werden brauchbare Frameraten erzielt.

Inhaltlich nahm man leider keine Änderungen vor. Die Story erinnert immer noch an eine schlechte Folge "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", das Kampfsystem entpuppt sich als zu langatmig und einige Jump-Sequenzen erfordern mehr Durchhaltevermögen als die allabendliche "Ich bin ein Star...holt mich hier raus"-Gruselparade. Mehr Informationen zur Geschichte, dem eigentlichen Gameplay und dem ungewöhnlichen Grafikstil findet Ihr in unserem Mirror's Edge-Test für PS3/360.

Im Gegenzug können PC-User auch die frisch angekündigten Time-Trial-Level erstehen. Die fast surrealen Fantasy-Strukturen verpassen dem Titel einen neuen Blickwinkel und werden für ca. 10 Euro über den digitalen Ladentisch wandern. Warnung an alle DRM-Hasser: Der Titel muss online aktiviert werden.

Ein wunderhübsches Beispiel für die neuen PhysX-Effekte.

Letzte Woche habe ich mich noch über die mäßigen PC-Umsetzungen beklagt, nun straft mich DICE mit der PC-Fassung von Mirror's Edge Lügen. Der Titel steuert sich nicht nur deutlich besser als die Konsolen-Fassungen, sondern sieht mit den Physik-Effekten, der Kantenglättung und den hohen Auflösungen auch noch besser aus. Hätten die Entwickler der PC-Umsetzung jetzt noch einige inhaltliche Erweiterungen spendiert, wäre Mirror's Edge sicherlich einen Wertungspunkt nach oben geklettert.

Aber leider blieb der Kern, das Gameplay, unangetastet und das hält trotz einiger genialer Ideen und einem einmaligen Körpergefühl einfach nicht genug Abwechslung parat, um den Titel in die 9er-Regionen vordringen zu lassen. Dennoch: Wer keine PlayStation 3- oder Xbox 360-Version bei sich stehen hat und sich für diese ungewöhnliche Genre-Mischung interessiert, sollte einen Blick riskieren. Mirror's Edge ist trotz der angesprochenen Mängel eine Spielerfahrung, die man erlebt haben muss. Ist man nämlich erst einmal dem Geschwindigkeitsrausch verfallen, sieht man gern über die riesigen Lücken in der Story und die mäßige Inszenierung hinweg. Danke Electronic Arts für so viel Mut und viel Glück beim zweiten Teil, mit etwas Feinschliff kann daraus etwas wirklich Großes erwachsen.

Mirror's Edge steht seit heute für den PC in den Läden. Die Xbox 360- und PS3-Fassungen sind seit November erhältlich.

8 / 10

Schon gelesen?