Mit Call of the Wild: The Angler kann ich wunderbar mal runterschalten und entspannen.
Auch wenn ich damit nicht zum Profi-Angler werde (oder einer sein sollte).
Warum spielt man eine Simulation? Die offensichtliche Antwort ist natürlich „um so nah wie möglich das Original zu simulieren“. Egal, ob Rennspiele, Sport oder einfach nur eine Busroute abfahren. Diese Definition berücksichtigt aber den eigentlich wichtigsten Teil der Frage. Man spielt schließlich, um Spaß zu haben. Etwas kann noch so weit weg von der Realität sein, ich kann trotzdem damit Spaß haben. Nehmt etwa Golf. Die Frage bei dem, was aktuell an Golf-Sims verfügbar ist, lautet weniger, ob ich das echte Spielgefühl simulieren möchte. In diesem Punkt sind sie alle furchtbar, vielleicht kam die alte Wii-Version von Tiger Woods dem Ganzen noch am nächsten. Aber bei allem anderen ist es vor allem die Frage, ob ich Spaß dabei habe, drei Balken anzuklicken oder den Stick in einer gleichmäßigen Bewegung von unten nach oben durchzuziehen.
Ich denke, das ist der Grund, warum Call of The Wild: The Angler - ja, sie schreiben es wirklich so - für mich funktioniert, während echte Angler nur die Nase rümpfen. Als Spiel ist es eine entspannende Erfahrung, als hochdetaillierte Simulation eher… Nun ja, die Natur ist kompliziert und The Angler nicht wirklich. Ihr startet nahe einem kleinen Kaff – kaum mehr als zehn Hütten – in dem wunderhübschen Golden Ridge Naturschutzreservat, irgendwo in oder nahe der Rockies im Nord-Westen der USA. Ist schon schön hier, mit den schicken Lichteffekten, der hohen Sichtweite und der zwar recht statischen, aber immerhin detaillierten Welt.
Im Grunde fragt man sich als Gamer erst mal, warum da kein MG vor einem herumwackelt, das sieht doch irgendwie alles so Far-Cry-ig aus. Stattdessen wandert ihr erst mal zu einem Steg und verbringt eine halbe Stunden mit dem Grundlagen Tutorial, wie man einen Fisch an Land zieht. Was uns zurück zu den drei Balken bringt. Okay, hier ist es ein Kreis und ein Balken, kombiniert mit der Maus- oder Stick-Bewegung vor und zurück, aber ja. Es hat nichts von der Haptik, eine Angel mit Gefühl auszuwerfen, den Zug der Leine zu spüren oder all die anderen Dinge, die Angeln in der schnöden Wirklichkeit ausmachen.
Aber egal, das Patent hier funktioniert ganz gut. Gerade zu Beginn, wenn ihr mit eurer Billig-Angel ans Wasser geht, hat fast jeder Fisch zumindest eine kleine Chance im kühlen Nass zu bleiben. Nachdem etwas beißt, drückt ihr die rechte Maustaste und „kämpft“ danach mit gedrückt halten und loslassen der Taste und auch mit Bewegungen nach links und rechts, während ihr in den Momenten, in denen die Leine nicht spannt, an der Trommel dreht, bis das Vieh aus dem Wasser ist. Glückwunsch, Gewicht und Gattung kommen sofort.
Dieser Spaß hat eine komplizierte Balance, wenn ihr langsam anfangt, mehr Geld im Spiel zu bekommen und damit bessere Ausrüstung. Diese ist schnell übermächtig, sodass diese Action-Phase zwischen Warten und stolz präsentieren sehr kurz ausfällt. Stoßt ihr dagegen auf ein Gewässer, in dem die Fische zu groß sind, braucht ihr es eigentlich gar nicht zu versuchen. Der Nachteil einer offenen Welt, die nicht wie Skyrim herumtrickst. Vor allem später müsst ihr dann die guten Spots kennen, um mit eurer Super-Angel noch einen halbwegs würdigen Gegner zu finden.
Der Weg bis dahin ist gar nicht so weit, aber zumindest sehr hübsch. Ganz als wäre eine Ubi-Map fahrt ihr mit einem sehr rudimentär simulierten Jeep oder kleinen Booten zu Aussichtstürmen, die dann wieder interessante Punkte auf der Karte markieren. Die grast ihr ab, bewundert sie kurz und zieht dann weiter. Dafür gibt es etwa Geld und auch für das Einsammeln von Pflanzen, die dort heimisch nichts verloren haben. Eine der wenigen Nebenquests, wenn ihr so wollt, die ihr vom örtlichen Ranger bekommt. Der Rest liegt bei euch: Fahrt oder lauft hin, wo ihr wollt, angelt, wo ihr wollt und guckt, was ihr an Land zieht.
Bei der Ausrüstung könnt ihr ein wenig tiefer eintauchen, um herauszufinden, welche Rolle zu welcher Angel zu welchem Köder und so weiter passt. Oder ihr kauft einfach immer das beste und ignoriert den Rest. Das wäre dann mein Satz mit der Natur, die kompliziert ist, dieses Spiel aber nicht so sehr. Nach wie vor, echte Hardcore-Fischfänger werden das alles, Angel-Gefühl inklusive, etwas sehr reduziert finden.
Was dagegen auch dem Laien fehlt, ist eine Trophäenhütte. Wenn ihr nicht selbst Screenshots macht, gibt es keine Erinnerungen an einen guten Fang. Neben all den Dingen, die hier noch ausgebaut werden können – mehr Events in der Landschaft, überhaupt mehr Leben in der Gegend, mehr „Quests“ nach bestimmten Fischen oder was auch immer – ist das die größte Verfehlung. Angler fischen auch zum Angeben, aber wenn man sich nicht mal selbst an eigenen Fang erfreuen kann, weil er im digitalen Nirgendwo landet, kaum ist er aus dem Wasser, dann ist das traurig.
Immerhin kann man direkt mit einem Freund losstampfen und dann kurz direkt angeben, denn es gibt einen Koop-Modus und er funktioniert stabil und solide. So wie auch der Rest von Call of the Wild: The Angler und gerade die Suche nach versteckten Ecken mit den besten Fischgründen ist zu zweit das Äquivalent eines netten gemeinsamen Spazierganges mit weit höherem Entspannungspotential als es zum Beispiel eine Runde Destiny bieten würde.
Das ist es dann am Ende auch, was man hier erwarten sollte, zumindest im Moment. Call of the Wild: theHunter wurde auch über Jahre immer weiter ausgebaut, so wie das mit The Angler wohl auch der Fall sein dürfte. Aktuell ist es ein entspannter Ausflug in eine bezaubernde Bergweltkulisse, in der man gelegentlich mit einem Balken hadert und sich dann über einen Fisch freut. Es ist eine valide Entschleunigung, nach der ihr immer noch nicht Angeln könnt – nun, zumindest ein paar theoretische Grundkenntnisse mitnehmt, im besten Falle –, aber entspannt zurück in den Desktop-Alltag zurückkehrt. Wenn ihr danach sucht, dann Petri Heil. Wenn ihr das bestmögliche Angelfeeling haben wollt, guckt, wo ihr ein Dreamcast, SEGA Bass Fishing und vor allem den legendären Spezial-Controller herbekommt.