Mit dem Namen hatte Immortals of Aveum nie eine Chance, auch wenn es sie so sehr verdient hätte
Manchmal soll es nicht sein, auch wenn es sein wollte.
Hier ist ein Spiel, bei dem mir ein Award wichtig ist. Weil es gut ist, stellenweise richtig gut sogar. Aber es hatte nie eine Chance. Immortals of Aveum. Womit wir schon direkt mitten beim ersten, sehr, sehr großen Problem wären. Dieser unglaublich dämliche Name.
Das wäre erst mal der kleine Fakt, dass es ein oder zwei Jahre zuvor bereits ein Spiel namens Immortal gab. Ohne das „s“ hinten dran, aber mehr als nah genug. Das kam von Ubisoft, war eine Art Open-World-Zelda-like und auch richtig gut. Auch das hatte nie eine Chance, weil der Name Immortal: Fenyx Rising einfach nichtssagend war. Es gibt ein paar große Worte, die sich durchsetzen konnten, die Klang und Gewicht hatten. Destiny wäre so eins, Battlefield ein anderes, Doom sowieso. Aber "Immortal" scheint keines davon zu sein. Zwei gute AA-Spiele haben das jetzt bewiesen. Nur Aveum oder nur Fenyx wären wahrscheinlich sogar besser gewesen. Das ist wenigstens ein klar definierter Eigenname, der nicht 80 Treffer in einer Spieledatenbank abruft.
Dann das Konzept: Aveum versucht krampfhaft viel Lore und Weltenbau unterzubringen, was im Spiel sogar noch ganz gut klappt, wenn man das Gehirn auf Autopilot stellt, akzeptiert, dass manche Inseln fliegen und einfach Spaß an der Lage hat. Aber die Trailer und Promos hatten scheinbar unglaublich viel Freude daran, das auf den ersten Blick chaotische UI überdeutlich ins Bild zu rücken, bunte fliegende Kugeln zu zeigen und mögliche Käufer möglichst ratlos zurückzulassen. Wenn man es dann spielt, dann macht Aveum Sinn. Die Anzeigen und bunten Kugeln haben alle ihre leicht durchschaubare Aufgabe. Aber weder das Konzept des Spiels, das viel mehr ein Action-Adventure und weniger ein Shooter ist, noch der Reiz dieser Welt wurde irgendwie nachvollziehbar transportiert. Für nichts davon kann das Spiel selbst viel und das ist das Tragische daran.
Was ihr nämlich bekommt, wenn ihr euch auf Aveum einlasst, ist sicher nicht das Spiel des Jahres, aber ein ausgezeichnetes, etwas ungewöhnliches First-Person-Action-Adventure mit vielen kleinen und großen Tricks. Das Kampf- und Magie-System dreht sich um drei verschiedene Elemente, und die sind nicht nur dazu da, verschiedene Gegner effektiver zu bekämpfen, sondern auch etliche Rätsel zu lösen, um durch Dungeons und Gebiete zu navigieren. Fortwährend kommen Fertigkeiten dazu, mit denen ihr neue Wege in alten Gebieten öffnet. Mal um einen Schatz zu heben, mal um ein komplett neues Areal zu finden. In der Richtung schielt es mehr als nur ein wenig in Richtung 3D-Metroidvania.
Bei all dem spielt sich Aveum insoweit erfrischend altmodisch, dass es sich mehr wie ein Spiel der 360/PS3-Ära anfühlt. Die Areale sind nicht endlos groß, die Wege nie sonderlich weit und solche Genre-Mixer damals zumindest gefühlt weiter verbreitet. Sicher, nichts davon krempelt heute die Welt um und die Dialoge sind hier und da ein wenig zu cool geschrieben. Aber selbst das hält sich im Rahmen und die Story erfüllt ihren Zweck gut genug, dass sie dem Spiel nicht in die Quere kommt. Ich wünschte, es würde mehr Spiele dieser Art geben, aber nach diesem Desaster wage ich zu bezweifeln, dass sich jemand den Werdegang von Aveum und das bereits um die Hälfte der Belegschaft reduzierte Ascendant Studio anguckt und sagt „lass uns das auch machen!“.
Wenn ihr euch für ein solches Action-Adventure begeistern könnt, dann gebt Immortals of Aveum eine Chance. Spiel und Studio haben es sich verdient. Sie haben sogar noch einen Gratis-DLC mit Herausforderungen, New Game Plus und extra hohem Schwierigkeitsgrad hinterhergeschoben. Also, wie gesagt: Nicht das Spiel des Jahres, schlecht gewählter Name, aber ein durchaus nettes, im guten Sinne etwas altmodisches Spielvergnügen, das ihr garantiert oft genug im nächsten Jahr im Sonderangebot sehen werdet.
Hier geht es zum Test von Immortals of Aveum
Hier geht's zur Übersicht der Eurogamer.de Awards 2023