Skip to main content

Mobiles Free-to-play-Gelevel - Was tue ich hier eigentlich?

Ist es so primitiv oder verpasse ich ein großes Geheimnis?

Mobiles Free-to-play scheint der Aussätzige unter den Videospielen. Keiner nimmt es wirklich ernst - außer natürlich diejenigen, die viel Geld damit verdienen -, keiner lässt ein gutes Wort darüber. Und keiner, der Videospiele mit dem gebotenen Ernst als "Hobby" bezeichnet, den man eben einer solchen Freizeitbeschäftigung entgegenbringen kann, möchte sich ihnen zu sehr nähern. Es könnte ja ansteckend sein.

Aber ehrlich gesagt habe ich mich noch keiner dieser kleinen Plagen so richtig hingegeben, jedenfalls nicht genug, um mit einem gewissen universellen Anspruch lästern zu dürfen. Also unterzog ich mich in den letzten Wochen todesverachtend einem Selbstexperiment und nahm mir ein paar der Kandidaten vor. Die Auswahl war recht willkürlich. Clash of Clans, weil es seit Ewigkeiten die umsatzstärksten Apps anführt. Megapolis HD aus dem gleichen Grund und weil ich Lust auf was SimCity-ges hatte. Motor World Car Factory und Tiny Death Star, weil sie irgendwie knuffig wirkten. Heroes of Dragon Age, weil mir zumindest der Name was sagte.

Da ihr als ehrenwerte Gesellschaft der Videospieler wahrscheinlich keines dieser Spiele kennt, hier erst mal eine kurze Übersicht, worum es geht.

Clash of Clans: Baut ein kleines Dorf auf. Jedes Haus kostet eine der beiden Ressourcen, jeder Ausbau dauert länger als der vorige, bis hin zu mehreren Tagen. Neben dem Dorf baut ihr eine Armee aus, die aber das Dorf nicht schützt - das tun die Verteidigungsanlagen - sondern mit der ihr andere Dörfer überfallt. Das ist alles ganz niedlich, zumal dank zehn verschiedener Truppentypen und zahlreicher Verteidigungstaktiken bei den Angriffen wirklich so etwas wie kurzfristiger Spielspaß aufkam. Auch das Dorf in eine möglichst schwer einzunehmende Festung zu verwandeln - Umgestaltungen gehen einfach und sind jederzeit möglich - hat seinen Charme. Das Geld fließt, wenn ihr wirklich mal länger als zehn Minuten am Stück spielen wollt. Auf den Ausbau der Gebäude zu warten, ist kein Problem, es gibt genug von ihnen und etwas Geduld gehört halt auch mal zum Leben. Aber die Armee in einem Angriff aufzurauchen und dann zwanzig Minuten zu warten, bis neue Truppen da sind, um die nächste Runde zu spielen, geht auf den Keks. Ansonsten aber war ich schon schlimmer unterhalten als in den durchaus vorhandenen guten Momenten.

Megapolis HD: Hübsch ist es ja. Die Gebäude sind schick designend, alles glitzert und funkelt und man möchte mehr davon hinstellen. Zum einen jedoch bringt das spielerisch rein gar nichts, weil das Ganze ausschließlich reinen Schauwert hat. Es gibt praktisch keine der SimCity-üblichen Zusammenhänge von Verkehrsflüssen, Versorgungsleistungen, Umwelt und so weiter. Ihr setzt ein hübsches Haus hin und da steht es dann und produziert etwas, das keiner braucht. Vor allem ihr nicht, denn wirklich weiter geht es hier nur mit viel Geld. Kein Spiel, ein virtueller Setzkasten. Also ein Simpsons: Springfield, nur ohne die Simpsons.

Clash of Clans: Verteidigung kostet Gold, Blubberzeugs oder gutes altes Geld. Wenigstens steht noch eine Art Spiel dahinter.

Motor World Car Factory: Erforscht Autos und baut sie in der eigenen Fabrik. Die Arbeiter rackern so lange, bis die Donuts alle sind und wenn das passiert - in der Regel nach drei Minuten -, wartet ihr eine halbe Stunde oder gebt Geld aus, um mehr Autos zu bauen und mehr Donuts zu verfüttern. Wo ist noch mal das „Spiel"?

Tiny Death Star: Urgh, das schmerzt ja, so "pay-to-play" ist das. Da war ja die Autofabrik noch ein Segen, vor allem weil die Wartezeiten nicht ganz so endlos waren. Kein Spielablauf, reines Sammeln von Figürchen, die man ohne reales Geld sicher nicht bekommen kann.

Dragon Age Heroes: Oh, Überraschung, das ist ja fast ein Spiel. Es ist im Prinzip ein Sammelkartenspiel, nur dass es statt der Karten Helden und Monster gibt. Diese stellt ihr als eine Gruppe zusammen, die gegen ähnlich strukturierte Gruppen kämpft, entweder die von anderen Spielern oder in der festen Kampfreihenfolge des Solo-Modus. Das Zurechtbasteln der Gruppe hat den gleichen Charme wie das Optimieren eines Kartendecks und auch wenn es selten ist, dass ihr ohne Echtgeld an eine der besten Figuren kommt, gibt es doch beim Auslosen die kleine Chance und vor allem ist auch die zweite Riege nicht zu verachten, was die Kampfwerte angeht. Hat was. Ist das einzige echte „Spiel" in der ganzen Runde. Wird leider durch den Quest-Balken ausgebremst. Ihr könnt etwa zehn Runden spielen, dann muss der sich wieder aufladen, was grob eine halbe Stunde dauern kann. Alternativ lässt er sich natürlich gegen Geld aufladen.

Solltet ihr eine Tendenz herausgelesen haben, dann liegt ihr sicher richtig. Heroes of Dragon Age stehe ich halbwegs wohlwollend gegenüber- relativ betrachtet zumindest -, Clash of Clans verachte ich nicht vollständig, die anderen drei jedoch sind Schmutz. So weit, so wie erwartet, Experiment erfolgreich abgeschlossen. Free-to-pay, Free-to-play, ihr könnt mich mal gerne haben.

Wenn euch die Spiele nicht um Geld anquengeln, wollen sie euch locken eure Freunde zu behelligen.

Eines jedoch lässt mich nicht los. Warum spielen so viele Leute das trotzdem? Vor allem so etwas wie Megapolis HD. Bei Tiny Death Star kann ich es mir noch durch die Star-Wars-Lizenz erklären. Leute spielen alles, wo Star Wars draufsteht, egal wie schmerzhaft es mitunter ist, aber dieses Ding? Das ist kein Spiel, das ist keines von diesen Dingern. Ein Spiel hat meist ein Ziel, eine Siegbedingung. Zumindest in einem gewissen Rahmen. Vor allem bietet es auch die Chance, verlieren zu können. Das tut keines der genannten besonders negativen Beispiele. Ich warte, ich bekomme etwas mehr von Währung X, baue etwas, das mich länger warten lässt und mir dabei vorgaukelt, dass ich dann, wenn ich es gebaut habe, Währung Y schneller sammeln würde. Was aber natürlich egal ist, weil das, was ich damit bauen will, noch länger dauert. Ich klicke alle paar Stunden für ein paar Minuten was an und kehre später zurück, um das zu wiederholen. Keine Siege, keine Niederlagen, keine geistige Stimulation, nur bunt wuselnde Leere. Da ist nichts.

Vor allem aber fragte ich mich, was das Endspiel des ganzen Dramas wohl sein könnte. Nehme ich als Gegenbeispiel das aktuelle Retro-Rollenspiel Might & Magic X, bin ich auch eine ganze Weile am Level-Grinden dafür, dass meine Helden besser werden. Es hat aber einen Zweck. Ich will stärkere Monster besiegen können und das nicht nur weil sie da sind, sondern weil es irgendwo ein Ziel, das Ende einer Geschichte gibt, das ich nur so erreichen kann. Oder zumindest eine Herausforderung, die es mit der Gefahr es nicht zu schaffen, überwinden soll. In diesen Free-to-play-Spielen fehlt das. Ich levele und levele, und wenn ich die Apps nicht deinstalliert hätte, würde ich immer noch leveln. Wann genau wandelte sich Hochleveln eigentlich vom Mittel zu Zweck in den einzigen Spielinhalt? Vielleicht bei den MMOs, aber hier gibt es in der Regel auch ein Handlungsziel, ein vorläufiges Ende einer Saga, das ich nur mit hochstufigen Helden sehe. Auch will ich mit Freunden hochstufige Raids bewältigen oder Gebiete sehen, die ich nur so erreichen kann. Die Frage muss also eher lauten: Wann haben sie gemerkt, dass das Ziel eigentlich nur eine finale Hürde beim Leveln ist, die nicht genommen werden kann, weil es kein Ende mehr gibt? Und auch kein Zwischenziel, wenn wir schon dabei sind. Richard Garriott hat mal über World of Warcraft gesagt, dass er gar nicht leveln wollte, sondern nur eine von der Ferne sichtbare Stadt mit einer blauen Kuppel erreichen wollte. Schwerlich ein echtes Spielziel aber doch ein persönliches, das ich nachvollziehen kann. Gibt es jedoch Leute, die wirklich sagen „Ich will ein weiteres schwach animiertes Objekt in meiner Stadt ohne Spielzusammenhänge sehen und dafür levele ich jetzt für Stunden und Tage (oder gebe viel Geld aus)!"? Das wäre sehr genügsam, um es freundlich zu formulieren. Oder ist es doch einfach nur ein Reflex, man macht es, weil man dann „etwas geschafft" hat? Und sei es nur, dass eine Zahl dasteht, die jetzt um einen Zähler höher liegt?

Der Imperator wird es wohl am besten wissen.

Ich habe nach diesen Spielen ehrlich keine Antworten auf diese Fragen. Heroes of Dragon Age war die einzige Ausnahme insoweit, als dass es eine kleine Geschichte mit einer kleinen Kampagne hat, die ich wohl irgendwann noch beenden werde, aber selbst mein zweit"bester" Kandidat warf schon viele genau dieser Fragen auf. In Clash of Clans levele ich doch eigentlich nur, damit ich noch länger warten kann, bis eine "bessere" Einheit fertig ist, die mir aber nicht mehr Spaß bringt, weil der Spielablauf so ausgelegt ist, dass er sowohl mit niederstufigen Figuren als auch mit ihren späteren Ausgaben so gut funktioniert wie es halt wird. Ich schieße mir und der Restfreude an dem Game eigentlich nur ins Knie, wenn ich mich da reinhänge. Ich muss am Ende immer mehr Geld ausgeben, damit es den gleichen Spaß ... Oh. Ok, macht Sinn. Nicht für mich und die Millionen, die ihr Geld investieren, aber für den Entwickler.

Ich lasse es euch zur Diskussion, in der Hoffnung auf eine Erklärung, warum leveln des Levelns halber irgendwie eine Sache zu sein scheint. Warum man etwas „spielt", das einen nie „gewinnen" lässt, das einem nie Freude am Sieg schenkt, weil man nie verlieren kann, warum man der Meinung ist, Spiele mit viel Geld zu fördern, die uns als Spezies zurückwerfen, indem sie Lebenszeit vergeuden ohne irgendetwas zurückzugeben. Ich für meinen Teil bin mit diesen Dingern durch. Ich werde nicht weiter aktiv versuchen, ihren Geheimnissen auf den Grund zu gehen, solange ich dafür nicht mit einer Professur, zehn Assistenten und einem ordentlichen Jahresgehalt ausgestattet werde. Meine Zeit ist mir nämlich wirklich zu wertvoll, um sie mit etwas zu verbringen, das ich unterhalb der finstersten Niederungen des nachmittäglichen Privatfernsehens einsortieren würde. Sayonara, Cow Clicker und Co., es war nicht schön mit euch.

Schon gelesen?