Montague's Mount - Test
Ein Spiel, das die Welt nicht braucht.
Ich habe irgendwie das Gefühl, ein paar Indieentwickler spielen einen Titel wie Dear Esther oder Amnesia und denken sich im Anschluss, wie einfach es sein muss, so ein Spiel zu basteln. Man packt den Spieler alleine auf eine Insel oder in ein verlassenes Gebäude, wirft ab und zu ein paar Rätsel vor seine Füße und schraubt sich eine lose Handlung zusammen. Schon hat man seinen persönlichen Hit am Start.
Das Grauen!
Montague's Mount spielt sich in den ersten Momenten wie ein Klischee. Ihr wacht als namenlose Figur - irgendwie herrscht ein Zwang zum Gedächtnisverlust in diesen Spielen - am Strand einer merkwürdigen Insel auf. Anscheinend zerschellte euer Schiff an der Küste, weshalb ihr um euch herum die zerstreuten Teile des Wracks erkennt. Zudem leidet euer Protagonist unter einer schweren Verletzung am Bein. Dadurch hinkt der Bursche in den ersten Momenten, was sein ohnehin langsames Tempo weiterhin ausbremst und für eine wackelnde Kamera sorgt. Ihr lauft ein paar Meter auf ein Tor zu, neben dem ihr einen Zettel des Entwicklers findet, der euch so während des Prologs direkt anspricht. Klasse. Damit hätten wir direkt einmal die Immersion unterbrochen.
Leider dürft ihr die Nachrichten nicht mitnehmen, um sie euch näher anzugucken. Lieber sollt ihr ganz nah an sie herantreten, dabei gegen die schwankenden Bewegungen eures verletzten Seemanns ankämpfen und irgendwie den Text lesen. Bevor man euch jedoch durch das erste Tor gehen lässt, schickt euch die Nachricht zurück an den Strand, wo ihr nach einem Stock suchen dürft. Damit zeigt euch das Spiel schon mal den Aufbau vieler der kommenden Rätsel, die nur aus der Suche nach verschiedenen Gegenständen bestehen.
Dazu musste ich erst einmal die Helligkeit nach oben schrauben. Denn besonders kleinere Ecken in Gebäuden oder sogar den Boden unter euren Füßen könnt ihr teilweise schlecht ausmachen, wodurch ihr viele Gegenstände überseht und anschließend zurück über die Karte wandern dürft. Kurz nach dem Start sollte ich einen Schlüssel für einen Schuppen suchen. Mehrmals lief ich an dem Ding vorbei, weil es direkt an einer Holzwand hing, die komplett im Schatten lag. Ich entdeckte ihn nur zufällig.
Später wird es dann richtig grausig, sobald sich die Knobelaufgaben komplizierter gestalten und ihr verschiedene Kombinationen herausbekommen müsst, deren Ursprung ihr nicht mit Logik findet. So untersucht ihr ein blinkendes Licht, dessen Abstände sich plötzlich als Morsezeichen herausstellen. Den übersetzt ihr natürlich in eine Textnachricht, nur um daraus einen weiteren Code zu filtern.
Ich schlafe gleich ein
Miese oder zumindest langweilige Rätsel kann ich noch in Kauf nehmen, wenn zumindest die Atmosphäre stimmt und man mir eine gute Geschichte bietet. Jedoch muss ich euch auch hier enttäuschen. Besonders die Handlung ist so gut wie nicht vorhanden und euer Hauptcharakter versucht sich lieber an poetischen Texten, anstatt glaubwürdige Monologe abzuliefern. Wie soll ich mich in die Situation einer Person versetzen, die in aussichtslosen Momenten lieber den Dichter spielt und sich nicht einmal selbst vor dem Unbekannten fürchtet? Anscheinend weiß es das Spiel ebenso wenig. Immerhin schiebt man dem Ganzen nach ein paar Stunden ohne Aufklärung den Riegel vor und vertröstet mit der Ankündigung eines Nachfolgers. Für mich klang es eher wie eine Drohung.
"Immerhin schiebt man dem Ganzen nach ein paar Stunden ohne Aufklärung den Riegel vor und vertröstet mit der Ankündigung eines Nachfolgers. Für mich klang es eher wie eine Drohung."
Horror braucht ihr übrigens keinen erwarten. Im ersten Moment scheint die unheimliche Insel trotz einer bescheidenen Optik noch Potenzial zu bieten. Aber schon recht bald merkt ihr, dass euch hier keine Gefahren erwarten. Zwar seht ihr beispielsweise ein gruseliges Kind vor euch schweben, doch kann euch überhaupt nichts passieren. Darüber hinaus seid ihr zu sehr von den schrecklichen Rätseln und Laufwegen genervt, als dass euch der Geist eines kleinen Jungen das Fürchten lehrt.
Selbst auf technischer Seite mangelt es Montague's Mount nicht an Fehlern. Gegenstände werden nicht richtig angezeigt, Beschreibungen verschwinden, Dialoge hören mitten im Satz auf und selbst vor heftigen Rucklern seid ihr nicht sicher. In der Mitte des Trauerspiels ist mir das verdammte Ding sogar einmal komplett abgeschmiert. Da ich zwischendurch nicht speichern konnte, sondern auf die Autosaves angewiesen war, schickte man mich erneut durch die letzten zwanzig Minuten.
Lange habe ich kein Spiel mehr erlebt, bei dem ich mich so sehr bis ans Ende kämpfen musste. Hätte ich es nicht für diesen Test komplett spielen müssen, wäre Montague's Mount wahrscheinlich schon nach den ersten zehn Minuten wieder von meiner Festplatte verschwunden. Wer dem mittlerweile ausgelutschten Setting und der recht biederen Optik noch etwas abgewinnen kann, sucht spätestens bei den Rätseln das Weite und verflucht mehrmals seinen Rechner, weil er mal wieder ein Gegenstand 500 Meter zuvor übersehen hat und nun den langen Laufmarsch antreten muss. Nein, es existiert nicht ein Grund, warum ihr Montague's Mount spielen solltet. Höchstens, um aus den Fehltritten zu lernen. Finger weg!