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Moon

Zu wenig Phobos

Moon ist mein erster Ego-Shooter auf dem DS. Für ein Genre, das ich eigentlich schätze, mutet das vielleicht seltsam an, aber zu meiner Ehrenrettung sei hier angeführt, dass DS und Shooter keine alltägliche Kombination bilden. Eine Suche förderte lediglich Metroid, ein paar Lizenzumsetzungen und ein paar sehr krude Exoten zu Tage. Nachdem ein paar Stunden mit Renegade Kids aktuellem Werk, vorerst nur in den USA erhältlich, vergangen waren, fragte ich mich allerdings doch, warum die Auswahl nicht weit größer ist.

Entgegen meiner Erwartung, gelangweilt mit dem Stylus die Feinde anzuklicken und so unter Feuer zu nehmen – was bei näherer Überlegung eine Vielzahl von Steuerungskonflikten mit sich bringen würde – zielt Ihr, indem Ihr den Stylus über den unteren Screen bewegt und so die Blickrichtung und das Fadenkreuz im oberen Bildschirm lenkt. Mittels Steuerkreuz beziehungsweise den vier Tasten für Linkshänder wird gestraft (sprecht es denglish aus, dann macht es Sinn) und gelaufen, der Trigger sitzt auf den Schultertasten. Nach wenigen Minuten klappt das ziemlich gut und präzise, nach etwa einer Stunde tut das Handgelenk weh. Ihr findet nur schwer eine Position, in der Ihr das Gelenk ein wenig entlasten könnt, ohne das Dauerfeuern einzustellen. Aber ansonsten und abgesehen von möglichen orthopädischen Langzeitschäden überzeugt die Steuerung weit mehr, als ich es zunächst angenommen hätte.

Für alles was folgt, solltet Ihr auf Retro stehen, denn seien wir ehrlich: Ein Shooter, der weder Rennen noch Ducken noch Springen kennt, ist schon ziemlich Mitt-90er. Und genau das scheint auch das Konzept von Moon zu sein, bis hin zu den scheinbar direkt aus Doom-Fahrwassern des Genre-Urschleims entstiegenen bunten Alien-Wand-Texturen. In solcher Konsequenz hat bisher kein moderner Shooter so sehr auf Gründerzeit-Nostalgie gesetzt. Es hat definitiv Stil, das steht nicht zur Debatte, die Frage ist eher, ob Ihr etwas damit anfangen könnt. Der eigentliche Witz liegt aber hinter der Retro-Fassade, denn eigentlich stellt Moon trotz des altertümlichen Charmes eine kleine technische Meisterleistung dar. Große Räume, teilweise mehr als ein halbes Dutzend ballernder Gegner plus Riesenboss, Disco-Licht-Gewitter und trotzdem eine absolut stabile Framerate weit jenseits der 30. Das DS kann ja doch, wenn es will.

Moon - Darkside-Trailer

Nur was wäre der hübsche Look wert, solange der Spaß in den Grenzen der Steuerung eingeklemmt steckt? Nur laufen und ballern, kein Deckungssystem, keine Sprungeinlagen. Waren es nicht ein paar zu viele Entwicklungen in den letzten Jahren, als dass solcher Minimalismus noch funktionieren könnte? Renegade Kid hält für diese Frage ein sehr geschicktes und forderndes Leveldesign parat, das seine kleinen Rätseleinlagen über eines der nettesten Gimmicks eines Ego-Shooters seit langem abwickelt.

Ihr findet ein paar Meter in das Spiel hinein eine kleine Fernlenkdrohne, die durch jede Menge Schlupflöcher passt, die Ihr sonst nicht passieren könnt. Mit Ihr betätigt Ihr aber nicht nur entfernte Schalter, um Türen zu öffnen, sie erlaubt Euch eine Art Einspieler-CoOp. Der Elektroschocker der Drohne lähmt Feinde, die Ihr dann mit Eurem eigentlichen Waffenarsenal beseitigen könnt. Es entsteht ein witziges Zusammenspiel zwischen Space-Marine und Minibegleiter. Erst huscht Ihr um einen Boss herum zum Schalter, öffnet die Tür für die Verstärkung, lähmt beim taktischen Rückzug noch zwei kleine Artgenossen, bevor Ihr dann zum Mann mit dem Raketenwerfer wechselt. Er lässt die Granaten sprechen, während die Drohne den Kampf in einer sicheren Ecke aussitzt.

An der Feindesfront sieht es leider designtechnisch weit trüber aus. Vielleicht sind es die Wandtexturen, die mich die feuerspuckenden Dämonen, fliegenden roten Augen, Schweinesaurier, Raketenwerferdämonen und jede Menge Satanisten-Splatter vermissen lassen, aber auf dem Mond findet Ihr nicht einmal richtige Aliens, sondern schwebende Roboter. Und krabbelnde Roboter. Manchmal auch laufende, stationäre oder hektisch wuselnde Roboter. Und zwar vom Anfang bis zum Ende. Vielleicht sind Roboter genau Euer Ding und dann habt Ihr sicher viel Spaß mit Moon, nur hätte ein wenig mehr Phobos und etwas weniger Asimov der Abwechslung sicher nicht geschadet.

Moon – Sanctus Vector-Trailer

Stattdessen soll eine Fahrt über die Mondoberfläche in Moonbuggy für Variation sorgen und wenn man dieses Monster steuern könnte, wäre es gar nicht einmal ein so schlechter Ansatz. Allerdings ist es wahrscheinlich leichter, einen Elefanten im vollen Galopp zu dirigieren, als dieses Gefährt zielsicher zu bewegen. Nun, die Sequenzen sind zwar schmerzhaft, aber dafür kurz und spielerisch belanglos. Und glücklicherweise ist der Mondbuggy die böse Ausnahme in einem sonst stattlichen Arsenal an Gerätschaften zur Roboterabwehr.

Alles, was Ihr sammelt, ist zwar altbekannt – von der Magnum über die Shotgun bis zum Raketenwerfer –, dafür aber erprobt und mit Takt für die Situationen im Spiel verteilt. Ach ja, eine Handlung gibt es auch. Lasst mich nachdenken…Mond…Astronauten landen… Basis mit verrückten Robotern…seltsame Experimente…bah! Spielt keine Rolle und seien wir mal ehrlich, wir wussten bei unserem Ausflug auf die Phobos-Basis auch erst im Abspann, dass irgendwo der Versuch einer Erklärung schlummerte. Moon fabuliert sich in belanglosen Logbucheinträgen und ein paar Gesprächsfetzen mit Vorgesetzen irgendwas zusammen, jedoch gewinnt das Spiel in keiner Weise bei dem Versuch, diesem zu folgen. Statt sich hier zu verlieren, wäre Renegade Kid mit einem Multiplayermodus als Feature besser beraten gewesen. Es gibt nämlich schlicht und einfach gar nichts in dieser Richtung und angesichts des Potentials im Leveldesign kann man nur sagen: Schade.

Moon ist sicher kein Systemseller und auch wenn der DS gut ausgereizt wurde, eignet sich die Optik nicht, um die Welt in Ehrfurcht erschauern zu lassen. Es sind die kleinen inneren Werte dieses kompetenten Titels, die mich bei Moon überzeugen konnten. Der Einsatz der Drohne, das um wilde Strafingmanöver fixierte Retrodesign, ein Look aus den 90ern, ohne veraltet zu wirken. All das ergibt ein kleines, aber wirklich feines Game. Keines, von dem wir in Jahren noch sprechen werden, aber eins, das eine lange und nervige Bahnfahrt in einen spannenden Kurztrip verwandeln kann. Selbst wenn ich gerne ein paar der Roboter durch Schweinemonster oder platzende Kultisten ersetzt gesehen hätte. Wenn schon 90s, dann richtig.

Moon ist seit Mitte Januar in den USA erhältlich. Ein Termin für Europa steht in den Sternen.

7 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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Moon

Nintendo DS

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