Moonlighter: Über den Wandel vom Roguelike zum Roguelite und vom Dienstleister zum Indie-Studio
Im Gespräch mit den Entwicklern von Digital Sun.
Woher erhalten die Verkäufer in Spielen eigentlich die Ausrüstung, die sie den tapferen Helden verkaufen, bevor diese sich in die Schlacht stürzen? Einige fertigen sie in ihrer Schmiede an. Andere, wie zum Beispiel in Moonlighter, begeben sich auf ihr eigenes Abenteuer. Sie bezwingen Monster, sammeln massenhaft Beute und verkaufen sie weiter. Ihr seid ein wenig wie Batman. Zu Öffnungszeiten der brave Geschäftsmann, nach Feierabend der tapfere, furchtlose Kämpfer.
Am Anfang der Konzeptionierung von Moonlighter stand die Frage: "Wir wäre es, einen typischen Ladenbesitzer in einem ARPG zu spielen?" Die Idee für dieses spezifische Spiel entstammte am Ende dem Kopf von David Fernandez, dem Creative Director von Digital Sun. "Das Konzept begann sich zu entwickeln, als wir es mit ein paar Spielen verknüpften, die uns gefielen. Das waren zum Beispiel The Binding of Isaac und Rogue Legacy", erklärten Digital Suns David Aguado, Javier Jimenez und Ruben Pico im Gespräch mit Eurogamer.de.
"Langsam entwickelte sich die Geschichte eines Ladenbesitzers, der nachts in die Dungeons aufbricht und Monster bekämpft, damit er Beute zum Verkaufen erhält. Ursprünglich war es mehr ein reines Roguelike-Spiel, das sich zu einem Spiel mit einer Geschichte weiterentwickelte. Es ist näher an einem Roguelite dran."
Der Begriff "Moonlighter" bedeutet, dass eine Person mehrere Jobs hat, ursprünglich entstand das Wort, weil die Nebenbeschäftigung in der Regel bei Nacht, eben bei "Mondlicht" angetreten wurde. Das habe perfekt zum Spiel gepasst. Hinzu komme, dass der Name einen gewissen Fantasy-Klang habe. Daher traf das Team die Entscheidung, dem Spiel und dem Geschäft von Protagonist Will den Namen Moonlighter zu geben. "Wir stammen aus Spanien. Es ist mühsam, sich Namen einfallen zu lassen, die auf Englisch gut klingen", sagen sie. Bevor diese Entscheidung fiel, trug das Spiel intern scherzhaft den Namen "Such rogue, many like". Je mehr die Macher zu der Erkenntnis kamen, dass sie hier ein Spiel vor sich hatten, für das tatsächlich eine Nachfrage bestand, desto dringender war das Verlangen nach einem angemessenen Titel.
Digital Sun entstand einst als Outsourcing-Unternehmen und entwickelte Spiele für andere. Währenddessen reifte in den Entwicklern der Wunsch, eigene Indie-Titel zu programmieren. Hier ziehen die Macher Vergleiche mit dem Protagonisten von Moonlighter, der davon träume, ein Held wie seine Kunden zu werden. Um das zu erreichen, müsse er doppelt so hart arbeiten.
"Es gibt viele für uns wichtige Parallelen", erzählen die Entwickler. "Gleichzeitig denken wir, dass Moonlighter kein Spiel mit großem Story-Fokus ist. Zu Beginn war es ein reines Roguelike, das sich zu dem Story-basierten Roguelite von heute entwickelt hat. Die Geschichte kam im Zuge der Entwicklung hinzu. Wir hatten viele verschiedene Inspirationsquellen, von anderen Videospielen bis hin zu schlechten Hollywood-Filmen mit interessanten Ideen."
Der Übergang vom Outsourcing-Unternehmen zu Eigenentwicklungen sei für die Entwickler eine Herausforderung gewesen, vor allem finanziell. Die Produktionskosten von Moonlighter stemmte das Team mithilfe einer Kickstarter-Kampagne und jedem einzelnen Euro, der in den letzten fünf Jahren durch Auftragsarbeiten aufs Konto floss.
"Für uns als Entwickler war es schwierig, von der Auftragsarbeit für andere wegzukommen und unser eigenes Ding zu machen", erörtern sie. "Es ist was anderes, wenn du volle Kontrolle über dein Projekt hast. Zum einen ist es toll, weil du das machen kannst, was du möchtest. Auf der anderen Seite hatten wir mit Problemen zu kämpfen, die wir bis dahin nicht kannten. Und wir machten Fehler. Ich denke zum Beispiel, dass wir uns nicht genügend Zeit für die Pre-Production des Spiels nahmen, vor allem hinsichtlich des Game-Designs und der Art-Direction."
"Der Grund dafür ist, dass Moonlighter klein anfing und unsere Ambitionen mit der Zeit immer weiter stiegen", ergänzen sie. "Wir hörten niemals auf und sagten: 'Okay, das ist ernst. Lasst uns ein paar Monate über die technischen, designtechnischen und künstlerischen Grundlagen des Spiels reden.' Wir erledigten das, während wir das Spiel entwickelten. Und das führte zu Problemen. Die Tatsache, dass sich Moonlighter sehr gut verkaufte, hilft uns finanziell und dabei, uns mehr auf künftige Projekte zu konzentrieren. Die mit Moonlighter gesammelte Erfahrung und dass wir in der Lage sind, uns mehr Zeit zu nehmen und mit mehr Fokus an die Arbeit zu gehen, helfen uns hoffentlich dabei, bessere Spiele zu entwickeln."
Der ganze Entwicklungsprozess habe Stück für Stück das Selbstvertrauen der Entwickler gestärkt. Die Reaktionen auf Square Enix Collective waren gut, die Kickstarter-Kampagne erfolgreich und Publisher zeigten Interesse an dem Spiel. Am Ende kooperierten sie mit den 11 bit Studios, nahmen an Events teil und fanden auch dort Leute, die Moonlighter mochten. "Langsam stieg unser Selbstvertrauen und unser Vertrauen in das Spiel", erzählen die Entwickler "Wir erkannten, dass wir nicht länger ein Dienstleistungsunternehmen waren, sondern ein Indie-Studio. Dieser ganze Prozess brauchte Zeit."
Der Grafikstil von Moonlighter resultiert aus der Liebe der Entwickler für Pixel-Art. Sie lieben sowohl klassische Pixel-Art der 16-bit-Ära aus Spielen wie Chrono Trigger als auch moderne Interpretationen wie Hyper Light Drifter, betonen sie. Das Ziel habe darin bestanden, zum einen eine klare Hommage an solche Spiele aus den 90ern zu erstellen. Zum anderen ging es ihnen darum, Dinge umzusetzen, die damals nicht möglich waren.
"Was die Art-Direction betrifft, prägten uns Spiele wie Zelda: The Minish Cap und die weltenbildnerische Philosophie von Studio Ghibli, das wir alle hier lieben", sagen sie. "Während der Produktion entwickelte es sich für uns zu einer Obsession, eine Welt - auch wenn sie noch so klein ist - zu gestalten, die sich so real und lebendig wie möglich anfühlt. Wir lieben es, all diese kleinen Details hinzuzufügen. Zum Beispiel die Vögel mit einer simplen KI im Dorf oder der Spiegel in Wills Zuhause, der ihn reflektiert. Als Studio haben wir die Absicht, jedes unserer Spiele so schön zu gestalten, wie es uns möglich ist."
Eine unterstützende Rolle bei der Vermittlung der Spielatmosphäre nimmt der Soundtrack ein. Mit seiner Musik habe Komponist David Fenn den Abenteuer- und Märchen-Ton getroffen, den die Entwickler sich wünschten. Das zeige sich auch in den Reaktionen der Spieler, die durchgehend positiv seien.
Bei der Erkundung der Dungeons mache die prozedurale Generierung den Entwicklern das Leben leichter. Das sei aber nicht der wichtigste Aspekt dabei. Vielmehr sorge es für ein abwechslungsreicheres und einzigartiges Spielerlebnis. Mit einem klassischen Level-Design der Dungeons würde Moonlighter nicht funktionieren, sind sie überzeugt. Es stünde dem Tag/Nacht-Shop/Dungeon-Zyklus im Weg, der darauf basiert, dass ihr das Meiste aus dem macht, womit euch das Spiel konfrontiert.
Gleichzeitig basiere Moonlighter auf einer klaren Struktur. Es gibt in jedem Dungeon drei immer schwierigere Ebenen, gefolgt von einem Bossgegner. Jeder Dungeon ist härter als der vorherige, was eine Struktur als Adventure ermögliche. Am Ende laufe alles darauf hinaus, dass Will das fünfte Tor öffnet und die Geheimnisse lüftet, die sich dahinter verbergen. "Wir nutzen die Zufallsgenerierung für Abwechslung, aber innerhalb eines festen Aufbaus, der für die Geschichte funktioniert", erklären die Macher.
Die richtige Balance zwischen der Jagd nach Beute und der Verwaltung des Ladens zu finden, war schwierig. Dabei war nicht alleine die Schwierigkeit der Dungeons und Feinde zu berücksichtigen, sondern ebenso das Wirtschaftssystem und wie schnell die Spieler Gold verdienen, um sich zu verbessern. Das führte letzten Endes zur Einführung verschiedener Schwierigkeitsgrade. Denn was für die Entwickler einfach ist, trifft nicht notwendigerweise auf die Spieler zu.
"Bei diesem Punkt gab es intern verschiedene Ansichten", verraten sie. "Am Ende entschieden wir uns dafür, da die Balance des Spiels schwierig war. Wir fühlten uns sicherer, wenn wir den Spielern die Wahl überlassen, welche Schwierigkeitsstufe für sie besser funktioniert. Die Alternative wäre gewesen, daraus ein super hartes Spiel zu machen, an dem wenige Spaß haben, vielleicht noch mehr als jetzt. Viele Leute hätten das als frustrierend und eventuell monoton empfunden. Solche Entscheidungen sind enorm schwierig, vor allem weil Moonlighter unser erstes Spiel war."
Als erstes eigenes Projekt stellte Moonlighter die Entwickler darüber hinaus vor technische Herausforderungen. Es gebe immer Millionen kleine Dinge, über die sich Entwickler je nach Plattform Gedanken machen, sagen sie. Die Unity-Engine zu verwenden, sei im Hinblick darauf hilfreich gewesen. Am schwierigsten war den Machern zufolge die Umsetzung des Spiels als "Windows Play Anywhere"-Titel, da Microsoft seine Plattformen migrierte und die Entwickler mitten in diesen Prozess hinein gerieten. Das habe eine Weile gedauert. Die Umsetzung für die Switch sei nicht schwieriger als für Xbox One oder PlayStation 4.
Mit dem Abschneiden des Spiels ist Digital Sun glücklich, sowohl im Hinblick auf die Verkaufszahlen als auch auf die Kritiken. Der Erfolg von Moonlighter ermögliche es ihnen, weiterhin Spiele zu entwickeln. "Ein Traum, der wahr wurde", schwärmen sie. "Die Reaktionen waren im Allgemeinen toll. In unserer Heimatstadt grüßen uns Leute in der U-Bahn, wenn wir ein T-Shirt des Spiels tragen. Das ist überwältigend. Gleichzeitig lesen wir viele Kritiken darüber, was im Spiel nicht funktioniert. Und das ist okay."
Negatives Feedback könne hilfreich sein, erklären die Macher des Spiels. Dass Moonlighter alles andere als perfekt ist, sei ihnen bewusst. Das Team möchte aus Fehlern lernen und sich in Zukunft verbessern. Bezeichnet es ein Spieler zum Beispiel als "oberflächlich", machen sich die Entwickler zum Beispiel Gedanken darüber, wie sie das bei kommenden Spielen besser lösen und mehr Tiefgang bieten. "Insgesamt erhielten wir viel positives Feedback. Wir denken, das liegt daran, dass wir viel Liebe in das Spiel gesteckt haben, was erkennbar ist. Und das trotz der Anfängerfehler, die wir machten", sagen sie.
Der Kern des Spiels lasse sich nicht verändern, mit kommenden Updates möchte das Team einige Probleme ausmerzen. Sechs Monate mit Updates und weiterer Entwicklungsarbeit sind derzeit geplant. Nach Angaben der Entwickler stünden die Chancen gut, dass im nächsten Jahr weitere Inhalte folgen. Modding gehöre nicht zu diesen Plänen. Das müsse von Beginn an eingeplant sein, nachträglich wäre es für Moonlighter schwer umzusetzen. Bei zukünftigen Projekten sei dies aber ein Thema für das Studio.
Apropos Zukunftsprojekte. Rechnet nicht damit, dass Moonlighter mehrere Jahre lang neue Inhalte bekommt. "Ich denke nicht, dass Moonlighter ein Spiel ist, an dem wir in drei Jahren noch arbeiten könnten", erzählen sie. "Es ist nicht die Art von Spiel wie zum Beispiel ein Prison Architect oder Starbound. Stattdessen arbeiten wir an neuen Projekten. Wir möchten ein Studio sein, das an drei Spielen gleichzeitig arbeitet. Wir hoffen, bald mehr dazu verraten zu können."
Aktuell seien zwei Projekte in Arbeit, eine Idee fehle noch. Ein Moonlighter 2 schließt das Team nicht aus, allerdings seien sie sich nicht sicher, ob es der nächste und richtige Schritt für sie wäre. Interesse zeigen sie an Multiplayer- und Koop-Elementen. Erfahrungen damit sammelten sie in den vergangenen Jahren durch ihre Auftragsarbeiten. Es ist nichts, wovor sie zurückschrecken würden.
Bis es soweit ist, habt ihr die Gelegenheit, euch weiterhin mit Moonlighter zu vergnügen. Switch-Besitzer stürzen sich ab November in die Dungeons und suchen nach Beute für ihr Geschäft.