Moza Vision GS Lenkradaufsatz im Test: Champagnerfahrt auf der Nordschleife
Für virtuelle Rennfahrer, die schon alles haben.
Die Inflation plagt den Geldbeutel, alles wird teurer, keiner hat Geld. Mit Ausnahme von Sim-Racing-Fans, denen Geldscheine in fröhlichen Schwärmen schmetterlingsgleich aufs Konto flattern. Muss so sein, denn anders kann ich mir den derzeitigen Luxus-Optimismus der Hersteller genretypischen Zubehörs nicht erklären.
Siehe Fanatec und deren Konkurrent aus demselben Preissegment, also Moza. Nach einem Jahr Herumdrucksen, Beef mit eingeschworenen Fans, einer Insolvenz und der darauffolgenden Übernahme durch Corsair haut Fanatec mal schnell einen 2000 Euro teuren Bentley-Lenkradaufsatz raus, das schon vor vielen Jahren angekündigt wurde, aber aus unerfindlichen Gründen nie in Massenproduktion ging. Wer soll das bezahlen? Und Warum?
Klar, es ist das Replikat eines Echtwelt-Lenkrads und kann sogar als solches eingesetzt werden. Aber nur, wenn man eines der 40 sündhaft teuren Rennwagen-Sondermodelle in der Garage hat, die inzwischen nicht einmal mehr im Motorsport aktiv sind. Ja, so alt ist das Design inzwischen. Darauf kann sich der typische Sim-Racing-Pilot glatt ein Ei backen.
Konkurrenz aus dem Prunk-Segment
Veröffentlicht wurde das Bentley Wheel womöglich nur der Ehre wegen, denn der chinesische Konkurrent Moza stahl den Bayern jüngst die Show. Deren Gegenentwurf namens Moza Vision GS erschien nach nur einem Jahr Vorlaufzeit im August, sieht mit seiner Brezel-Form schlichter, aber auch eleganter aus, und kopiert frech das Hauptfeature, bestehend aus einem großen runden OLED-Touchscreen, dessen Anzeige sich dank eines Gyro-Sensors permanent horizontal ausrichtet. Der Stich ins Herz kommt aber erst noch: Das Moza Vision GS kostet weniger als die Hälfte von dem, was Fanatec für das Bentley-Wheel verlangt.
Ehrlich gesagt ist es schnuppe, was das Ding kostet. In diesen Preisregionen schlagen nur Enthusiasten oder Sammler zu. So schön das Design auch sein mag, es ist und bleibt Luxusware, denn 829 Euro nimmt man nicht mal eben aus der Portokasse, wenn der Moza-Katalog andere Lenkräder aufzeigt, die zum halben Preis dieselbe Funktionalität bieten. Mit Ausnahme des drehenden OLED-Touchscreens, wohlgemerkt.
Die Kommentare pragmatischer Nörgler lassen nicht lang auf sich warten: Was für ein Schnickschnack! Viel zu teuer! Braucht kein Mensch! Ja, kann man bei nüchterner Betrachtungsweise so sehen. Aber das Leben besteht nicht nur aus Kartoffeln mit Quark, auch wenn man sich theoretisch den ganzen Monat davon ernähren könnte. Man darf sich auch mal etwas gönnen. Was Schönes, Luxuriöses.
Jeglicher Anfall von blühendem Zynismus verfliegt, wenn man das Ding erst mal in den Händen hält. Moza war so freundlich, mir ein Testmuster zu schicken, was trotz des eingänglichen Anfalls von Sparkassen-Tourette in wohliger Verzückung endete. Aaahh, diese futuristische Concept-Car Brezelform sieht live und in Farbe echt schön aus! Uuuuh, Karbonfaser-Basis umrandet von einer Kunstleder-Verkleidung, das fasst sich gut an! Hhhmmm, diese jederzeit gut erreichbaren Knöpfe. Es gab Personen, die legten mir nach diesen Zeilen nahe, es wäre wohl anstandshalber besser, sich ein Zimmer zu nehmen.
Es kann mehr als nur schön aussehen.
Spaß beiseite: Es fühlt sich wirklich gut an und lässt beim Fahren nur wenige Wünsche offen. 31 Zentimeter Spannweite, acht Knöpfe vorne und zwei hinten auf Höhe der Zeigefinger, gut einrastende Daumen-Encoder, ein Mini-Joystick, ein ordentlicher Funky-Switch und magnetische Schaltwippen, beziehungsweise analoge Kupplungswippen.
Die Schaltwippen könnten für besonders schnelle Schaltvorgänge gern einen Hauch zackiger sein, aber ich konnte mich an sie gewöhnen. Der Druckpunkt der Knöpfe gleicht hingegen allen anderen Formula- und GT-Lenkradvarianten von Moza. Kein Wunder, es sind ja auch exakt dieselben Tasten, inklusive wahnsinnig enger Fassungen für Beschriftungsaufkleber. Trotz der mitgelieferten Pinzette empfand ich das Anbringen fummeliger als das Bemalen von Warhammer-Figuren - und das will was heißen. Immerhin: sie lassen sich in beliebigen Farben beleuchten. Dafür reichen ein paar Klicks in der Moza Pithouse genannten Treiber- und Begleitsoftware.
Xbox-Spieler schauen allerdings in die Röhre. Moza unterstützt seit Neuestem Microsofts Konsole, doch muss sich der dafür nötige Identifikationschip im Lenkradaufsatz befinden. Das ist beim Moza Vision GS nicht der Fall. Ihr könnt damit nur Sims am PC genießen.
Ist aber auch logisch, denn das Xbox-Protokoll für Lenkräder unterstützt weder Rev-Lichter (die beim Vision GS am oberen Rand platziert wurden) noch Telemetrie-Bildschirme. Das Haupt-Feature dieses Luxus-Lenkrads wäre auf der Konsole also gar nicht nutzbar.
Club Rotation
Aber wie steht es denn überhaupt um den zentralen OLED-Touchscreen? Er ist mit seinen 2,85 Zoll und einer Durchmesser-Auflösung von 480 x 480 Pixeln bei 60Hz ein Hingucker, keine Frage! Auch die Drehung der Anzeige ist schick. Egal, in welcher Rotationsneigung sich das Lenkrad befindet, die Anzeige bleibt stets horizontal, wenn auch mit leichter Verzögerung von etwa einer Sekunde und sichtbaren Übergangsphasen.
Braucht man sowas? Nö. Telemetrie am Lenker kann schon nützlich sein, aber die meiste Zeit klebt man eh mit den Augen am Monitor. Vor allem in den Kurven. Ob sich die Anzeige dabei dreht oder nicht, ist unerheblich. Wer drauf steht darf jedoch mithilfe eines (leider leicht umständlich angelegten) Editors eigene Designs für den Tacho entwerfen. Sieben wurden von Werk aus installiert, inklusive Sekundärbildschirm für Reifenabnutzung und andere Sperenzchen.
Moza Vision GS – Fazit
Na, raucht der Schädel bei der Frage, ob sich eine Anschaffung lohnt? Ich kann euch die Antwort nicht abnehmen. Ich kann euch nur sagen, dass die Qualität des Moza Vision GS dem entspricht, was der Preis suggeriert. Es ist edel, nutzt feine Materialien, erfüllt ergonomisch alle Anforderungen und entpuppt sich dank der drehenden Anzeige auf dem OLED-Touchscreen als wahrer Hingucker. Das Problem ist nur, dass man beim Einlenken in eine Kurve selten Zeit hat, da draufzuschauen. Jedenfalls nicht so oft, als dass sich das Gimmick in einen praktischen Vorteil verwandeln könnte. Da der Bildschirm obendrein keine Simhub-Unterstützung mitbringt, ist sein Nutzen abseits der Ästhetik eingeschränkt.
Ich mag das Design dennoch. Nicht alles muss praktischen Nutzen haben. Man darf sich auch mal ein Prestigeobjekt zulegen, das einfach nur schön aussieht. Wenn ihr sowieso schon das MOZA-Ökosystem nutzt und das Kleingeld habt, bereut ihr den Kauf mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Dafür bereitet das Fahren mit diesem High-End-Lenkradaufsatz zu viel Spaß.