Na klar, ihr könnt die Hunde in Ghostwire: Tokyo streicheln…
Wir haben die ersten beiden Kapitel von Ghostwire Tokyo gespielt und fragen uns ernsthaft, was Tango Gameworks gegen Hunde hat. Alex erklärt das vielleicht besser selbst...
Ich bin nicht ganz sicher, was mir Ghostwire: Tokyo sagen will, aber wenn Tango Gameworks der Auffassung ist, Hunde hätten keine Seelen, die größenwahnsinnige Oberbösewichte ernten könnten, dann haben das Studio und ich ein Problem miteinander! Immerhin: Sie ergreifen in der Katzen-oder-Hunde-Frage keine Partei. Wäre ja noch schöner, wenn die heimtückischen, soziopathischen Miniaturtiger zusammen mit ihren Besitzern ihre Himmelfahrt angetreten hätten, die Hunde aber auf Erden hätten verbleiben müssen.
So oder so: der geheimnisvolle Mann mit der Hannya-Maske, der alle Menschen verschwinden ließ, um ihre geisterhafte Essenz an sich zu reißen, war an den Seelen der Tiere offensichtlich nicht interessiert. Sowohl Hunde als auch Katzen leben hier also immer noch, auf sich gestellt, und können gestreichelt werden, wenn ihr ihnen über den Weg lauft. Ihr dürft sogar ihre Gedanken lesen und sie füttern, sofern ihr beim Looten des leergefegten Ausgeh- und Vergnügungsviertels entsprechende Tiernahrung gefunden habt.
Manchmal buddelt ein goldiger Shiba-Inu zum Dank Geld aus einem Blumenbeet oder führt euch zu versteckten Gegenständen. Immer wieder zeigen sie sich die erstbeste und die nach Wellensittichen achtbeste Haustiersorte hocherfreut über die Gesellschaft beziehungsweise milde neugierig auf die Möglichkeit einer kostenlosen Mahlzeit. Vielleicht merken sie auch, dass Protagonist Akito tendenziell einen noch schlechteren Tag hatte als sie. Das Spiel beginnt nämlich damit, dass er nach einem Motorradunfall tot auf der Kreuzung liegt. Glück im Unglück, dass gerade KKs entkörperter Geist vorbeifliegt und dringend einen neuen Wirtskörper braucht, der momentan nicht in Benutzung ist.
Und so nimmt das Abenteuer seinen Anfang: Akitos Oberstübchen bildet eine Zweck-WG mit Geisterjäger ... äh... Geistgeisterjäger KK kurz bevor ein unheimlicher Nebel die Stadt erfüllt und von den Bewohnern nur noch die Kleidung und ihre Besitztümer übrig lässt. Mit KKs Hilfe und Wissensvorsprung kann Akito nach und nach den Nebel bannen, indem ihr die geisterhaften Torii Gates mit einem eleganten Handgesten-Ritual reinigt. So vertreibt man nach und nach den tödlichen Dunst und erschließt mehr und mehr seines Heimatbezirks, der von der Außenwelt komplett abgeschlossen ist. Nebenquests und Such-Aktivitäten tun sich auf - und natürlich der weitere Weg nach vorn, des Rätsels Lösung hinterher.
Nach den ersten zwei Kapiteln lässt sich Ghostwire: Tokyo als gespenstische Erkundungstour beschreiben, bei der man zwischendurch bunt gemischte Mobs an Dämonen mit magischem Wind, Wasser oder Feuerprojektilen aufs Korn nimmt und ihnen im Optimalfall ihre Kerne entreißt. So füllt ihr besonders viel "Munition" für eure tödlichen Zauberfinger auf. Oft entbrennen Kämpfe um verstreute Cluster von Seelen, die als ätherischer Klumpen, Reste von Erinnerungen plappernd, in der Luft schweben. Das hat schon etwas von Remedys Control.
Hier kreisen zum Teil Hunderte Seelen auf einmal umeinander, die sich die Gespenster natürlich einverleiben wollen. Während ihr euch für Stealth-Kills auch von hinten anschleichen könnt, anstatt direkt aus der Ferne aufs Ganze zu gehen, mischen die Feinde Nah- und Fernattacken, die ihr allesamt blocken könnt. Allerdings nehmt ihr dabei immer Schaden, es sei denn, ihr pariert mit perfektem Timing. Ob ihr es nun mit gesichtslosen Regenschirmmännern oder spukenden Schuluniformen zu tun habt - immer steht das Bewahren der Übersicht im Vordergrund. Ihr variiert zwischen schnellem und auf Distanz genauem Wind, Wasser, das aus der Nähe viele Feinde zugleich trifft und Feuer, das langsam, aber auf kurzer bis mittlerer Strecke großen Schaden anrichtet. Und dann ist da noch der Bogen, denn ... warum nicht?
Insgesamt mag ich das Kampfsystem und den Rhythmus, der sich andeutet, durchaus. Schnelle Salven abfeuern oder für mehr Schaden die Schüsse aufladen, mit Übersicht vereinzelte Attacken aus dem Rückraum abwehren, das ist alles schon cool und sieht auch so aus. Aber ich frage mich schon, ob das noch abwechslungsreicher wird. Insbesondere was die Defensive angeht, wünschte ich mir manchmal eine schnelle Ausweichbewegung, zum Beispiel, wenn einige der Feinde immer wieder auf Tuchfühlung gehen.
Auch hätte ich erwartet, manche Schüsse der Gegner per Parade an den Absender zurückschicken zu können, aber vielleicht gibt das der Upgrade-Baum irgendwann noch her. Bislang findet sich auf dessen wenigen Zweigen recht lineares Zeug, das mir Spaß macht und die Erkundung angenehm auflockert - die Kreaturen-Designs sind toll -, aber das sich auf zu langer Strecke auch vor dem Ende totlaufen könnte. Ich hoffe das Beste und bin vorsichtig optimistisch. Ich mag es, mir die Gegnerzusammenstellungen vorher anzuschauen und dann lose mein Vorgehen zu planen, habe aber aktuell noch das Gefühl, letztlich nicht allzu viele Optionen zu haben. Hier muss ich noch ein wenig experimentieren.
Der eigentliche Spielablauf ist trotz loser Open-World-Struktur recht geordnet: Ist ein Torii Gate gebannt, könnt ihr wieder ein wenig tiefer in die Stadt vordringen, während ringsum die Karte mit Punkten von Interesse gefüllt wird. Auch ploppen dann wie von selbst Nebenquests auf, die bislang zwar ganz nette Anekdoten über diverse Shibuya-Gespenster erzählten, aber immer auch an Ort und Stelle nach wenigen Minuten wieder zu Ende waren. Das bewirkt zwar, dass hier wenig wirklich hängen bleibt, ich sie aber trotzdem fast immer absolviere, wenn ich eine finde. Es hält mich nicht lange von dem ab, was ich eigentlich machen sollte, und gibt wertvolle Erfahrungspunkte für Upgrades meiner Fähigkeiten.
Überhaupt ist es nicht so einfach, das Spiel mal aus der Hand zu legen. Ghostwire entwickelt eine nicht gerade kleine Sogwirkung dabei, so viele der verschwundenen Bewohner zu retten wie möglich. Die Stadt sieht zauberhaft aus und ist bis ins Kleinste detailliert ausgestaltet. Hier hinter jede Ecke zu schauen, um Seelen zu finden und sie in seinen Katashiro-Papierpuppen aufzusaugen, ist das, was mir beinahe am meisten Spaß macht. Und dann? Nun, dann faxt ihr sie an einer der vielen Telefonzellen nach draußen in Sicherheit. Das ist es jedenfalls, was laut KK passiert. Prüfen kann ich das bisher nicht. Alle der über 200.000 Seelen zu retten, dürfte für Komplettierer eine der zentralen Disziplinen von Ghostwire: Tokyo werden und auch ich bin dem Reiz in gewisser Hinsicht erlegen. Ich gehe gerne Umwege oder finde heraus, wie ich an bestimmte Seelen-Cluster komme, die ich nur von Weitem sehe.
Bisher fand ich, dass das Spiel Erkundung und Kämpfe verhältnismäßig klar trennte und ich gebe zu, so wirklich gegruselt habe ich mich nie - auch wenn Tango in bestimmten unwirklichen Spuksequenzen sehr kunstfertig mit meiner Wahrnehmung spielte. Das ist künstlerisch, wenn auch nicht unbedingt technisch, teilweise wirklich ein Hingucker, was hier passiert. Gelegentlich gab es auch eine Such-Passage, die ich in den Straßenschluchten ein wenig verwirrend fand und sehr loser und optional auch deaktivierbarer Zeitdruck setzte hier und da auch mal ein - wirkte aber eher befremdlich.
Abgesehen von der Frage der Langlebigkeit der Kämpfe und dem tendenziell etwas zahnlosen Gruselfaktor bin ich also bisher recht angetan von Ghostwire: Tokyo. Es versprüht eine durchweg seltsame Stimmung, kommt bislang nicht ins Stocken und macht neugierig, was der Unbekannte mit der Maske vorhat. Auch, dass ich bisher das Gefühl nicht loswurde, KK verschweigt mir etwas, ist dem Mysterium mehr als dienlich. Ich genieße das menschenleere Shibuya beinahe und bin gespannt, was da noch kommt. Mein abschließendes Urteil zum Spiel lasse ich euch dann wissen, kurz bevor Ghostwire: Tokyo am 25. März erscheint. Wollt ihr die Zeit bis dahin totschlagen, denkt vielleicht darüber nach, euch das Prequel von Ghostwire Tokyo herunterzuladen.