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Nach Kinect nun auch lauschende Handys: Die Zukunft wird rosig - Kommentar

Xbox One, Telefone mit Ohren, NSA und Prism? Ein (noch) fiktiver Abend in der schönen neuen Welt.

Das kommende Smartphone 'Moto X' von Google und Motorola soll seine Umgebung dauerhaft belauschen, wie laut Spiegel Online ein geleakter Werbespot verrät. Kinect 2.0 soll sich unterdessen nicht abschalten lassen und die Xbox One zum Zentrum des Wohnzimmers werden. Sogar für das Büro preist Microsoft die Konsole an - als Instrument für Video-Konferenzen und als Network-Plattform. Auf der anderen Seite soll ausgerechnet Microsoft dem US-Geheimdienst NSA dabei geholfen haben, die Verschlüsselung ihrer Kunden zu umgehen und Skype abzuhören. Noch regen sich die Datenschützer und Bürger darüber auf. Bald wird Gras über die Abhöraffäre gewachsen und Edward Snowden vergessen sein. Ist vielleicht ganz gut so, denn dank der Dauer-Überwachung wird unser Alltag in Zukunft bestimmt total super! Glaubt ihr nicht? Ein fiktiver Pärchen-Abend:

Ein Paar sitzt gemütlich vor dem Fernseher. Plötzlich blinkt das Warnlicht der schallgeschützten Box auf dem Tisch. Das Smartphone darin klingelt. Sie öffnet das Kästchen und schaut aufs Handydisplay. Es ist das Pärchen aus der Nachbarschaft. "Ok, Google Now. Anruf annehmen", sagt sie.

"Hallo? Hey, schön von euch zu hören! Ja, uns geht es super. Ob wir Lust auf einen Spieleabend haben? Ja, da hat euer Smartphone recht - wir haben Mittwochabends nie etwas vor. Klar. Wir kommen rüber!"

Minuten später steht die Runde beisammen in der Küche. "Lasst uns die Xbox anschmeißen." Allgemeine Zustimmung. Die Männer gehen schon einmal ins Wohnzimmer. Die Xbox hat dank Kinect 2.0 bereits gehört, dass sie gleich zum Einsatz kommt und anhand der anwesenden Stimmen ein paar Titel für vier Spieler herausgesucht.

"Lasst uns nen Film sehen", bittet der Gast. Schon ploppen die ersten Vorschläge auf den Bildschirm.

Das Moto X. Wo die Ohren verbaut sind, ist bislang nicht bekannt (Quelle Ausdroid.net).

"Xbox an!", befiehlt der Hausherr. Die Konsole gehorcht. Der Fernseher aktiviert sich gleich mit. Standard heutzutage. "Ich glaub' wir haben keine Lust auf Spiele heute Abend. Lasst uns nen Film sehen", bittet der Gast. Schon ploppen die ersten Vorschläge auf den Bildschirm. Durch die verknüpften Facebook-Profildaten wurde die Filmauswahl perfekt auf die Anwesenden abgestimmt. "Hm. Romantische Komödie. Warum eigentlich nicht. Auch mal was für die Mädels", der Gastgeber knufft seinen Kumpel in die Seite.

Das Handy hört mit. Wie praktisch!

"Wart mal", bittet dieser, zückt sein Android-Smartphone und zieht es aus der kleinen schallisolierten Hülle. "Ok, Google Now. Zeige die Kritiken zu dem eben genannten Film." Das Handy gehorcht. Eine Sammlung Artikel scrollt über den Schirm, hält inne, als sich die beiden Männer kurz absprechen, und fährt fort, als der Handybesitzer wieder auf das Display schaut. "Ok, Google Now. Hat meine Frau den Film schon gesehen?" Das Handy verneint mit synthetischer Stimme. "Prima. Wie wäre es, wenn ich euch zu 'ner Pizza einlade?" Das Angebot nimmt der Gastgeber gern an. "Ok, Google Now. Pizza bestellen und hierher liefern lassen. Das übliche". Schwupps verschwindet das Smartphone wieder in seiner Hülle.

Als das GPS-Signal des Pizzaboten in der Einfahrt registriert wird, schellt die Türklingel. Die Frau öffnet, ihre Kreditkarte bereits in der Hand. "Hallo. Sie hatten Pizza zu diesen Koordinaten bestellt? Natürlich. Das macht 27 Euro Zehn." Der Bote wedelt kurz mit seinem Smartphone über die Kreditkarte. Schon wird der Betrag über NFC abgebucht. Danach wird die funkende Plastikkarte wieder im Geldbeutel mit blockierender Aluminiumbeschichtung verstaut. Sicher ist sicher.

Die Männer haben es sich unterdessen gemütlich gemacht und den Film gestartet, um die übliche Werbung auszusitzen. Sie werden zielgerichtet mit Spots für Bier, Autos, und Rasierern bespasst. Die Frauen kommen mit den Pizzakartons ins Wohnzimmer. Automatisch wird der fällige Betrag für die Ausleihe des Films erhöht, als die Xbox die beiden weiteren Zuschauer registriert. Außerdem werden die letzten vier Werbeinblendungen auf das Interessenprofil der Damen zugeschnitten. Der Film fängt an.

Huxley? Orwell? Pessimisten!

Da klingelt plötzlich Skype. Ein Mädchengesicht erscheint auf dem Schirm. Es ist die Tochter der Besucher. Die Xbox hatte automatisch die Skype-Profile der Gäste geladen, als diese vor die Kamera traten. "Oh. Sie muss früher von ihren Freunden zurück sein. Entschuldigt mich bitte. Fangt ruhig schon mit dem Film an", meint die Mutter und geht in die Küche, um das Gespräch auf ihrem Smartphone anzunehmen. Als sie draußen ist, reduziert die Xbox die Leihgebühr für den Film um eine Person.

Den neuen Adam-Sandler-Film? I'm sorry, Dave. I'm afraid I can't do that.

Kurz darauf kommt die Mutter wieder ins Zimmer. Alles in Ordnung. Die Party bei Freunden war früher aus - die automatische Mitteilung darüber war den Eltern wohl entgangen - aber die Tochter kann sich auch gut allein beschäftigen. Sie will noch ein bisschen online spielen und dann ins Bett. Der Vater linst beiläufig auf sein Smartphone. Ja, das Bewegungsprofil, das er über die elektromagnetischen Schwankungen im Heim-WLAN ermittelt, bestätigt die Geschichte der Tochter. Sie ist in ihrem Zimmer. Und sie ist allein. Wehe, wenn er diesen schrägen Typ von neulich noch mal oben bei ihr erwischt.

Zur Sicherheit hat ihn der Vater auf die Blacklist des Heimnetzes gesetzt. Nicht, dass die Tochter den Kerl heimlich anruft. Der Vater seufzt. Verhindern kann man das freilich nicht. Besonders Onlinespiele sind noch schwer zu kontrollieren. Vermutlich treffen sich die beiden in irgend so einem Fantasy-MMO. Aber ein paar Hürden müssen sein. Es geht ums Prinzip. Was wäre er für ein Vater, wenn er seiner Tochter nicht über die Schulter schaut, wo doch schließlich heutzutage alles und jeder überwacht wird. Er lehnt sich zurück und genießt den Film. Schöne neue Welt.

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