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nail'd

Nagelnde Zweifel

Andere, ähnlich halsbrecherische Renner lassen euch die Luft anhalten und verdonnern die Schweißdrüsen an euren Händen zu Doppelschichten, weil ihr wisst, dass euch ein Stelldichein mit einem Streckenobjekt den blanken Schrecken ins Gesicht treiben würde. nail'd-Spieler bleiben dagegen die meiste Zeit über ziemlich gelassen: Hier verpuffen Quad-Aficionados samt Untersatz saft- und kraftlos an einem der zahlreichen Hindernisse, um unmittelbar einem weißen Bildschirm Platz zu machen. Es hilft dem Biss und der Spannung der Rennen zudem nicht gerade, dass euch die gut gelaunte Respawn-Routine nach einem Unfall flugs wieder auf die Strecke stellt, ab und zu sogar in besserer Position als zuvor.

Doch es gibt auch wirklich tolle Momente in nail'd. Wann immer es zum Beispiel in die Lüfte geht (laut interner Spielstatistik wurde immerhin knapp ein Viertel meiner gesamten Kilometer in nail'd ohne Bodenhaftung zurückgelegt), kommt regelmäßig das Gefühl auf, dass man hier mit wenigen, aber gravierenden Änderungen einen echten Klasse-Titel hätte vor sich haben können. Wer mit dem Gesicht zuerst vor einem gewaltigen Sonnenuntergang ins Tal hinunterfliegt und dabei Felsformationen, umgekippten Mammutbäumen und Heißluftballons ausweicht, als spielte er ein neues Pilotwings, hat für die Dauer des Sprunges definitiv großen Spaß.

Bis ihn die ziemlich launische Kollisionsabfrage auf den Boden der Tatsachen zurückholt, was ebenfalls oft genug vorkommt. Stellenweise kommt man nach Frontalkollisionen mit Hinkelsteinen einfach nur abrupt zum Stehen, während ich andernorts schon nach dem Touchieren eines papierdünnen Banden-Transparents einen Abflug machen musste.

Hin und wieder könnte man außerdem schwören, auf dem Stück Boden, das da von unten herangerauscht kommt, problemlos landen zu können, nur um nach einem dumpfen Knall von einem blinkenden "Respawning"-Schriftzug Lügen gestraft zu werden. Es reicht nicht aus, um den Titel vollkommen zu verderben, komplettiert aber ein Stück weit das frustrierende Bild, dass die Entwickler für nail'd entweder keine allzu großen Ambitionen (Budget-Titel, ihr erinnert euch?) oder zu wenig Zeit hatten.

nail'd - Schauplätze

Online ist nail'd derzeit trotz bereits erfolgter Veröffentlichung noch ziemlich verwaist. Dass sich der Mehrspieler-Modus für bis zu zwölf Teilnehmer ebenfalls lediglich als lose Rennserie gestaltet, könnte eine der Erklärungen hierfür sein. Ihr macht im Grunde fast das Gleiche wie offline, nur gegen menschliche Mitspieler, was meinem Empfinden nach noch unterhaltsamer ist. Allerdings zerschießt das Respawning mit plötzlich gefundener Härte (lange Zeitstrafen!) das Fahrerfeld in den Online-Rennen ganz ordentlich, was zusammen mit dem scheinbar fehlenden Gummiband und den großen Spannweiten der langen Kurse dafür sorgt, dass man sich oft etwas alleine vorkommt. Trotzdem reicht es für ein paar launige Rennen, wenn man denn welche findet.

Bleibt die Frage, wie man das bewerten soll? nail'd sieht gut, oft sogar sehr gut aus und ist von vorne bis hinten vollkommen problemlos spielbar. Es bietet viele wirklich ansehnliche Sprünge, geht ein sattes Tempo und die 40 Euro, die man dafür über den Ladentresen reicht, werden nur den Wenigsten wirklich wehtun.

Aber dafür einen zusätzlichen Punkt in Richtung "Gut" springen lassen? Ist der Kauf erst einmal getätigt, muss das Spiel immer noch für sich selbst stehen. Die 20 Euro, die ich mehr im Portemonnaie habe, motivieren mich genauso wenig, den Titel zu spielen, wie die schmucklose Karriere, der tumbe Dicke-Hose-Rock oder die Erkenntnis, für den gleichen Betrag mit Pure und Flatout: Ultimate Carnage zwei bessere Spiele im Doppelpack zu bekommen.

Im Sattel der nail'd-Vehikel gibt es kaum etwas zu lernen, ebenso viel zu gewinnen und damit auch kein Gefühl von "Wow, das habe ich aber gut gemacht! Gleich nochmal!" Und ein Spiel, ein Rennspiel zudem, das dem User nicht zumindest dieses Gefühl vermitteln kann, hat trotz aller Schauwerte und aller irgendwo auch lobenswerter Einsteigerfreundlichkeit ein Problem: Es bleibt ein bisschen egal.

Notiz an Slipknot- und Queens-of-the-Stoneage-Fans: Die Stücke Duality und "3's & 7's" nehme ich ausdrücklich aus der Kritik an dem Soundtrack heraus.

6 / 10

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