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NBA 2K15 - Test

Verlässlich unterhaltsam wie die NBA.

Kein anderes fängt seinen Sport so perfekt ein, wie es NBA 2K tut. Wenn sie doch nur den Mikrotransaktions-Mist im Spiel lassen würden.

NBA 2K14 auf PS4 und Xbox One war eine echte Überraschung. Nicht, weil man Visual Concepts nichts zutrauen würde, sondern weil es eine grafische Steigerung mit sich brachte, die man aus zweierlei Gründen nicht erwartete. Zum einen, weil schon die Vorgänger auf den alten Konsolen im Stand wie auch in Bewegung so unverschämt gut aussahen, dass man eine umfangreiche Überarbeitung abseits der Auflösung und dergleichen gar nicht erst erwartete. Und zum anderen, weil man sich schon ein bisschen darauf eingestellt hatte, dass die neuen Konsolen in Sachen Technik nicht annähernd so sehr für offene Münder sorgen würden wie ihre Ahnen. Und dann kam NBA 2K14 und pustete einem aus vollen Händen Next-Gen-Feenstaub in die Augen.

NBA 2K15 fiel nun die wenig beneidenswerte Aufgabe zu, diesem Wow-Effekt noch einen draufzusetzen. Visual Concepts war glücklicherweise clever genug, nicht allein über Präsentation und gesteigerte grafische Finesse punkten zu wollen - auch wenn mit über 5000 neuen Animationen, verbesserten Gesichtern und so weiter durchaus etwas fürs Auge geboten wird. Tatsächlich glänzt 2K15 in erster Linie durch gesteigerte Substanz in fast jeder Hinsicht. Ein kluger Zug, zu dem man nur gratulieren kann.

Das beginnt natürlich auf dem Court, auf dem sich die Tausenden neuen Animationsphasen der beinharten Simulation auch spielerisch bemerkbar machen: Viele neue Übergänge zwischen einzelnen Moves, besser übermittelte, ruppigere Kollisionen und mehr kinetische Logik in den Bewegungsfolgen, die nun vor allem im Zug zum Korb noch dynamischer wirken, machen den Ablauf im Kleinen noch glaubwürdiger. Wie die Hünen hier zusammenkrachen, das wirkt schon durch nicht allzu fest zusammengekniffene Augen tatsächlich wie die heißeste Phase einer hart umkämpften, realen NBA-Partie.

Haare und Bärte sind besonders gut gelungen.

Das stimmte in Teilen auch im letzten Jahr schon, kommt dieses Jahr aber noch stärker zum Tragen, weil auch die Abstimmung der Teamkollegen untereinander eine neue Dimension erreicht hat. Tatsächlich reagieren die Akteure auf dem Platz besser aufeinander, füllen schneller Lücken, übernehmen entflohene Gegner schneller oder stoßen in freie Räume. Der damals recht häufig vorkommende Leerlauf, in dem eure Mitspieler auf ihren Positionen verharren, weil der Star-Shooting-Guard den Ball hält, obwohl es langsam an der Zeit für einen zielführenden Aufbau wäre, unterläuft neuerdings nur noch wirklich ratlosen oder bereits geschlagenen Mannschaften. Die Teams in 2K15 sind aktiver, beweglicher und mit einem höheren spielerischen IQ ausgestattet. Sie sind vorne wie hinten eine Einheit und verhalten sich auch so. Und die neuen Animationen sowie auch das gefühlt schnellere, direktere Passspiel und die logischeren Rebounds spielen dieser Authentizität in die Karten.

Nett ist auch, wie man nach einem Schuss nicht mehr nach oben rechts auf die Timing-Bewertung schielen muss, um seine eigene Technik zu verfeinern. Mit dem Shot-Metre prangt unter den Füßen der Spieler jetzt eine praktische und intuitive Anzeige, die dabei hilft, das Abschluss-Timing trotz unterschiedlicher Wurfanimationen der virtuellen Athleten besser zu verinnerlichen. Der kleine Drittelkreis gleicht sogar die Position auf dem Court mit den Fähigkeitswerten des Spielers für die verschiedenen Distanzen ab. So lernen auch Leute, die die NBA weniger intensiv verfolgen, ihre Teammitglieder kennen, ohne extra die Fähigkeitenseite ihrer Teamkollegen aufzurufen. Aus diesen Anpassungen entsteht ein Spiel mit deutlich besserem Fluss, das gute Spielzüge und das Auge für den offenen Mitspieler reicher belohnt als noch im letzten Jahr.

Ausleben könnt ihr diese neuen Qualitäten in einer ganzen Reihe rundum verbesserter Spielmodi, von denen jeder einzelne das Zeug dazu hätte, euch alleine bis zum Start von 2K16 zu unterhalten. Das ist keine Übertreibung. Man muss sich eigentlich schon fast entscheiden, ob man seine Zeit nun in MyLeague, MyGM oder MyCareer investieren will. Oder reizt doch vielleicht eher MyTeam, 2Ks Antwort auf FIFAs Ultimate-Team-Kartenspiel? MyLeague bietet sicherlich das unverdünnteste und flexibelste Basketballerlebnis. Online wie offline stellt ihr eure eigene Fantasieliga aus Legenden und aktuellen Teams zusammen und ladet sogar Mannschaften aus der Euro League, aus der es insgesamt 25 in NBA 2K15 geschafft haben, in eure erfundene NBA ein. Ohne großen Management-Ballast. Ein adäquater Ersatz für den so vermissten Association-Modus früherer Ausgaben.

"MyLeague ist ein adäquater Ersatz für den so vermissten Association-Modus früherer Ausgaben."

Nach seiner Verletzung werdet ihr in NBA 2K15 wohl mehr von Kevin Durant zu sehen bekommen als in der echten Liga.

Am anderen Ende des Spektrums wurde der MyGM-Modus aus dem letzten Jahr deutlich auf links gezogen. Neben der runderneuerten Präsentation gibt es nun deutlich mehr Konversationsoptionen in den Gesprächen mit Clubbesitzern, Coaches, anderen General Managern und den eigenen Spielern. Ihr jongliert Budgets, Rotationen, Trades und befasst euch eingehender mit den Strategieoptionen in den Matches als zuvor. In MyGM rückt Visual Concepts den Titel in Armlänge ausgewachsener Management-Simulationen, ohne die Simulation auf dem gewienerten Hartholzboden aus den Augen zu verlieren. Es ist in seiner Vielschichtigkeit unglaublich einnehmend, an jeder kleinen Stellschraube des Vereins zu drehen, bis die Meisterschaft winkt - oder euer Chef die Nase voll von euren Kapriolen hat. Konnte mich im letzten Jahr MyGM noch nicht von der Karriere weglocken, teile ich gerade meine Freizeit gleichmäßig auf beide Modi auf, was dank des geteilten Punktekontos für die In-Game-Währung auch kein größeres Problem darstellt.

Womit wir auch schon beim Thema wären. Auch MyCareer wurde stark verbessert. Das Feature, per PlayStation Camera oder Kinect sein eigenes Gesicht zu scannen und ins Spiel zu importieren, ist zwar nervig implementiert - ständig verliert die Kamera eure Visage aus den Augen, Bärte werden zu langen, schmutzen Kinnpartien - und liefert nicht annähernd die Ergebnisse, die ich erwartet hätte. Nach ein paar Versuchen und mit etwas manueller Korrektur wirft es akzeptable Resultate ab. Wirklich interessant wird's beim Ablauf: Im Rahmen der neuen Geschichte startet ihr nicht länger nach einem Testspiel als heißer Draftkandidat, der einem zufälligen Team zugeschustert wird, sondern als Free Agent. Nach der Hälfte der Spielzeit bekommt ihr einen Testvertrag von verschiedenen Teams angeboten, aus denen ihr euren Favoriten wählen könnt. Das hat den Vorteil, dass ihr nicht mehr dem Gutdünken der KI ausgeliefert seid, die euch im letzten Jahr im schlimmsten Fall hinter einem LeBron James auf gleicher Position auf der Bank parkte. So kam man unter Umständen kaum an Einsätze und im Umkehrschluss auch nicht an die so wichtigen VC, um seinen Spieler zu verbessern.

Toll ist auch hier, wie der Spieler neuerdings in die Mannschaft eingebunden wird. Der Coach spricht euch an - voll vertont, ebenso wie je ein Star-Spieler pro Mannschaft, der euch "Rookie" unter seine Fittiche nimmt -, ihr bekommt Anweisungen in der Kabine und allgemein ist man sehr darauf bedacht, euren Basketball-IQ zu steigern. Das ging der Vorjahresversion noch ab. Nicht jedem gefallen dürfte unterdessen, dass man nicht mehr jeden Wert individuell steigert, sondern Talentgruppen wie Schießen, Kurzdistanz, Athletik oder Verteidigung, die jeweils eine ganze Reihe Werte unter sich vereinen. Das ist zwar übersichtlicher und lässt euch einzelne Stufenaufstiege deutlicher spüren. Aber es ist nicht unbedingt selbstverständlich, dass jemand, der viele Steals produziert, automatisch auch einen hohen Block-Wert hat. Mir hat allerdings gefallen, dass ich nicht mehr so viel Zeit in den nun rundum besser strukturierten Menüs verbrachte.

"Alles in allem ist diese Karriere atmosphärischer und nicht so wiederholungsanfällig präsentiert wie noch im letzten Jahr."

Die Bewegung der Mannschaft als Ganzes ist in diesem Jahr der Hingucker...

Alles in allem ist diese Karriere atmosphärischer und nicht so wiederholungsanfällig präsentiert wie noch im letzten Jahr. Die Kommentatoren geben ebenfalls wieder Vollgas, ja, haben sogar recht viel Neues zu erzählen und die neue Pre-Game-Show mit Shaquille O'Neal, in der der legendäre Center zusammen mit einem Reporter die Lage der Liga analysiert, ist eine weitere großartige Ergänzung, die viel für die ohnehin schon gute Stimmung tut.

Und so ziehen sie die präsentatorischen und strukturellen Verbesserungen eigentlich durch jeden Bereich des Spiels. Sogar der Soundtrack gefällt mir deutlich besser als anno 2K14, weil er nicht mehr ganz so Hip-Hop-lastig und damit runder ist als im Vorjahr. Ich persönlich bin nicht der Typ für die Streetball-Sessions in MyPark und auch das ebenfalls aufgebohrte Kartenspiel MyTeam ist zwar gut, aber nicht meine Tasse Tee. Wie auch immer eure persönlichen Vorlieben liegen: Es ist schön zu sehen, dass sich 2K nicht darauf ausgeruht hat, schon im letzten Jahr ein wirklich fabelhaftes Spiel gemacht zu haben. Es gab Jahre, da fiel Sportspielherstellern deutlich weniger ein, wie die nächsten zwölf Monate für ihr Spiel aussehen sollten. Das hier ist keines davon.

Sogar die Situation mit den Mikrotransaktionen hat sich spürbar entspannt. Zwar kaufen sich Ungeduldige immer noch mit VC-Punkten für etwa 15 Euro etwas zu leicht auf einen Star-Status. Dafür verdient man schon mit einer schwachen Leistung pro Spiel deutlich über 300 Einheiten Virtual Currency. Im letzten Jahr fiel nach einem solchen Auftritt höchstens ein Drittel ab und das Aufrüsten des Spielers geriet zum elendig langen Grind. Nun erzielt man schneller Resultate, mit denen man zufrieden sein kann - auch wenn mir eine Lösung komplett ohne Mikrotransaktionen immer noch am liebsten wäre.

... und die Situationen, in denen zwei der Muskelberge aufeinanderprasseln.

Meckern muss ich allerdings über die Online-Performance. Hier machen sich noch immer Lags bemerkbar, die zu Verzögerungen bei den Eingaben führen, auch wenn ich mittlerweile deutlich häufiger und stabileren Zugang zu Online-Matches habe als noch direkt nach dem Verkaufsstart des Spiels. Hier muss 2K endlich nachbessern, soll das Spiel im Netz auf einem vergleichbaren Niveau stattfinden wie die himmlisch natürlich wirkenden Offline-Partien.

Was soll ich sagen, 2K14 habe ich monatelang intensiv gespielt und erst vor kurzem gezwungenermaßen damit aufgehört - ziemlich genau, als ein Kollege vorübergehend Platz auf der Festplatte der Redaktionskonsole brauchte und natürlich "das Sportspiel da" löschte. Nicht ahnend, dass damit auch ungezählte Stunden Karrierefortschritt hinfortgewischt würden. Ich hatte nicht erwartet, dass 2K15 wieder einen vergleichbaren Sog entwickeln würde. Aber sofern nicht wieder ein Speicherplatzunglück geschieht, bin ich fast sicher: Auch diesem Nachfolger werde ich bis tief ins nächste Jahr hinein als König der Sportspiele huldigen.

NBA 2K15 ist bildschön, atmosphärisch und in jeder seiner Einzeldisziplinen mit einer individuellen Klasse ausgestattet, wie es der besten Liga der Welt würdig ist.

9 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

NBA 2K15

PS4, Xbox One, PS3, Xbox 360, PC

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