Skip to main content

Need for Speed Most Wanted: A Criterion Game - Test

Freiheit und Schönheit haben einen Preis. Die Währung heißt Framerate.

In der Vorschau vor Kurzem pries ich noch Criterions innovative Idee, die Autos einfach am Straßenrand einzusammeln statt sie mühselig freischalten oder zu kaufen. Nun, nach weit mehr Stunden im Spiel muss ich sagen: Dinge, die man sich erarbeiten muss, haben auch virtuell irgendwie einen höheren Wert, als wenn man nur zufällig über sie stolpert. Es sind schöne Sachen, über die ihr in Need for Speed Most Wanted: A Criterion Game stolpern werdet. Ferraris, Lamborghinis, Mercedes, BMWs, Bugattis oder natürlich die Porsches. Manchmal auch nur ein Lancia oder ein Ford Pick-up, aber Spaß können die ja auch machen. Aber keiner von ihnen, zu dem ich einfach innerhalb der großen, weiten und wirklich komplett offenen Stadt von Fairhaven hinfuhr, war am Ende so viel wert, wie der erste selbst gekaufte Ferrari in einem anderen Spiel.

Aber das ist dann vielleicht der Preis der absoluten Freiheit, ein Versprechen, das hier weitestgehend eingehalten wird, sobald das nicht abbrechbare Tutorial euch endlich entlassen hat. Die Stadt mit vielen Brücken, Häuserschluchten, Großbaustellen, Sturmflutkanälen und ein paar ländlichen Anbauten ist kein realer Ort und will es auch nicht sein. Vielmehr bastelte Criterion einen Spielplatz für Autos und Raser, sie sind das rollende Zentrum der Metropole und mitunter präsentiert sie sich auch wie der wilde Fiebertraum von jemandem, der zu genau wissen wollte, wie sein Porsche am Auspuff riecht. Surreale Farben, herabregnende Autos und solche, die über den unsichtbaren Highway des Himmels rauschen. Mit solchen Eindrücken leitet das Spiel viele seiner unzähligen Rennen ein.

Ein Lambo, so allein in der Gasse? Den braucht doch bestimmt keiner mehr...

Was dann folgt, ist aber keineswegs abgehoben, sondern im Grunde das, was Criterion macht, seit sie sich auf diese Richtung mit Burnout: Paradise eingeschossen haben. Nur nicht so gut. Most Wanted überzeugt einfach nicht hundertprozentig in den Bereichen, die Criterion eigentlich perfekt beherrschen sollte. Da wären erst einmal nur zwei Sichtwinkel: duckendes Erdhörnchen und Verfolgungshubschrauber. Keine Motorhaube, kein Cockpit. Das ist mager, selbst alte Arcade-Racer in der Spielhalle hatten drei Perspektiven. Das eigentlich Tragische jedoch ist, dass keine der beiden selbst nach Stunden wirklich zufriedenstellend ist. Die tiefe Sicht auf die Straße sieht gut aus und lässt sich perfekt steuern, nur liegt der Blickwinkel so flach, dass ihr die Strecken kennen müsst, um Lenk-Punkte einschätzen zu können. In einer, großen offenen Stadt ist das viel verlangt. Die Sicht von hinten scheint dagegen das Lenken etwas schwerfälliger zu gestalten. Die Übersicht ist ohne Frage da und am Ende war es auch die Sicht, die ich meistens nutzte, aber so richtig glücklich wurde ich mit keiner von beiden.

Schönheit hat ihren Preis

Dann ist da die Frage der Framerate und seltsamerweise betrifft es ausgerechnet am ehesten den PC. Die 30 Frames sind bei einem Arcade-Racer noch nicht einmal so sehr das Problem, wie es bei einem etwas simulationsnäheren Spiel der Fall wäre. Forza Horizon demonstrierte das zuletzt eindrucksvoll. Most Wanted ruckelt gerne manchmal. Die 30 Frames sind nicht zementiert. Aber interessanterweise ist das nur auf dem PC ein echtes Problem. Während die Konsolen entweder doch in höheren Lagen bleiben oder es besser kaschieren - das lässt sich noch nicht abschließend sagen - ruckelt eine schnelle Kurve auf dem PC, und zwar in einem Maß, dass ich damit schon nach relativ kurzer Zeit ein echtes Problem in Sachen angehender Seekrankheit hatte. Ebenfalls war spannend, dass das Herunterregeln der Details und Auflösung auf ein Minimum keine Besserung brachte. Criterion mag kein PC-Entwickler sein, aber das hier ist wirklich keine Ruhmestat, was sich dann auch durchaus auf den Spielspaß auswirkt.

Ein bisschen Dreck muss sein, selbst wenn der Offroad-Anteil eher klein ausfällt.

Mit diesen technischen Problemen kauft sich Most Wanted scheinbar seine Schönheit und es ist teilweise ein schlicht bezauberndes Spiel. Wenn sich die Sonne über den Boulevards bricht, ein paar zu viele Lensflares über die Regenpfützen legen und alles wie aus einem magischen Zauberbuch für PS-Irre ausgeschnitten wirkt. Pop-ups gibt es, aber sie wollen gesucht werden und sie müssen eine sonst schon sehr hohe Sichtweite überwinden. Das Flair und der Charme sind da, selbst wenn die Frames es nicht immer sind.

Und das Tempo hat es definitiv auch. Most Wanted fühlt sich schnell an, so schnell wie auch Hot Pursuit schon vor zwei Jahren war. Das Problem dabei ist, dass dort die Strecke meist relativ gerade durch die lange Pampa führte und ihr relativ viel Reaktionszeit hattet. In den teilweise engen Kurven hier und mit einem massiven Mehr an regulärem Straßenverkehr solltet ihr euch nicht wundern, wenn ihr dreimal schnell in Folge in etwas rauscht. Und gerade die schnellen Wagen, die ihr früh finden könnt, bergen in dieser Hinsicht viel Frust-Potenzial. Wiederum, einer der Preise dafür, dass ihr halt über einen Bugatti oder ein ähnliches Monster stolpern könnt, obwohl ihr eigentlich noch grün hinter den Ohren seid. Aber das ist letztlich eine Frage der Übung und Gewöhnung. Ich würde sagen, dass Criterions wenig realistisches und nicht sonderlich direktes Steuerungsmodell für Hot Pursuit besser geeignet war, aber deshalb ist es hier noch lange keine Niete. Es gibt nur mehr emotional schwierige Momente.

Auf der Flucht und zehn ganz besondere Autos

Jedes der Autos hat fünf eigene Rennen, sodass ihr um das (Ein)sammeln nicht herum kommt, sofern ihr Abwechslung sucht. Checkpunktrennen oder Drag-Rennen sind das, was man kennt und die Polizei mischt sich auch hier ein, aber der wahre Räuber-und-Gendarmen-Spaß beginnt in den Hinterhalt-Rennen. Hier startet ihr praktisch von der Polizei umzingelt und müsst entkommen. Das passiert in zwei Phasen. In der Ersten müsst ihr dem Sichtradius der Cops entkommen, was schon schwer genug ist. Es werden schnell recht viele und die vielen sind auch noch schnell. Sie schneiden euch den Weg ab, schwere Trucks wollen euch rammen, schnelle Interceptor setzen sich mit Nagelfallen vor euch und Straßensperren warten an jeder zweiten Ecke. Solltet ihr all dem entgehen, müsst ihr ein Weilchen außer Sicht bleiben, bis die Heat-Level abgeklungen sind. Bis sechs geht es hoch und einen solchen Steckbrief einfach auszusitzen, ist praktisch unmöglich. Die Hatz wird früher oder später von vorn beginnen und ihr müsst versuchen, die erreichte Senkung des Heat-Levels nicht wieder zu gefährden.

Dieses Katz- und Maus-Spiel kann sich schon mal eine halbe Stunde hinziehen und es ist der mit Abstand beste Modus in Most Wanted. Der Adrenalin-Level ist hoch, die Situationen immer überraschend und Crashen gehört hier einfach auch mal mit dazu. Während die normalen Rennen euch mit einem Gummiband im Spiel halten müssen, ist es hier nur eine weitere Chance, neu durchzustarten und einen neuen Sprint Richtung Freiheit hinzulegen. Hier zahlen sich auch die in den Rennen freizuschaltenden Extras aus. Den Boost bekommt ihr praktisch geschenkt, die Panzerung oder gegen Nägel unempfindliche Reifen, dafür müsst ihr schon in den schweren der fünf Rennen eines jeden Autos bestehen. Das ist es dann auch schon wieder mit den Modifikationen gewesen, aber die auszuwählen und zu nutzen kann ein Abenteuer in sich selbst bedeuten.

Eingeboxt und ausgebremst: In diesen Momenten läuft Most Wanted zur Höchstform auf.

Neben den Polizeijagden sind die Rennen gegen die zehn "Most Wanted" ein Highlight. Zum einen könnt ihr eben diese zehn Autos nicht finden, sondern müsst sie in den rennen erfahren, zum anderen führen diese Eins-gegen-Eins-Rennen durch die vielleicht schönsten Kurse, die eich die besten Seiten der Stadt auf die schönste Art zeigen. Eine Mischung aus Adrenalin und Sightseeing, wenn ihr so wollt. Die Punkte der anderen Rennen und aus all den Dingen dazwischen schalten diese Rennen frei und in Ermangelung eines sonstigen Handlungsrahmens könnt ihr sich die "Endgegner" nennen. Oft genug sterben werde ihr im Kampf gegen sie, um diesen Titel zu rechtfertigen. Oder vielmehr als Takedown an der Wand hängen.

Die Benutzerführung setzt auf ein System namens Easy Drive. Eine einfache Menüstruktur wird jederzeit per Steuerkreuz bedient. Hier wählt ihr das nächste Rennen aus, baut Modifikationen oder Teile on-the-fly ein und aus und könnt außerhalb von Rennen in jedes Auto wechslen, das ihr schon gefunden habt. Im Stand oder bei langsamen Geschwindigkeiten ist das kein Thema. In der Hitze der Polizeischlacht ist das jedoch ungefähr so, als würdet ihr in einem echten Porsche das Touchscreen-Display des Navi bei Tempo 280 bedienen. Es geht, aber man sollte schon besser aufpassen als sonst. Trotzdem, Easy Drive ist aufgeräumt, elegant und nur selten tödlich. Ein interessanter Gedanke, gut umgesetzt.

Mit Freu(n)den die Speedlist abarbeiten

Heißt es dann Takedown, gibt das Schadensmodell her, was die Hersteller erlauben - was nicht viel ist - aber wirklich leiden tun die Autos nur durch die Nagel-Fallen. Gerade wenn ihr einseitig über eine rutscht, wird es danach Spaß auf Glatteis. Aber das ist ein Arcade-Racer der konsequenten Art. also mit 250 durch eine Drive-Through-Lakiererei und schon sieht das Auto aus wie neu. Bis zum nächsten Takedown, meist 13 bis 22 Sekunden später. Es ist halt Criterion.

Der Multiplayer-Modus überzeugt mit der Freiheit der großen Stadt, aber leider ohne die Polizei. Es dürften technische Gründe sein, warum sie ausgerechnet hier fehlt, aber das mildert die Enttäuschung nur bedingt. Sonst jedoch verwandelt das Spiel, das schon Solo alle eure Erfolge sofort in Bestenlisten sortiert, jede Speed-Kamera und jedes Plakat, durch das ihr rauschen könnt, in einen Wettbewerb, indem es auch noch das Gesicht des Gewinners dort platziert. Durchzurasen und mehr Punkte zu sammeln, damit da wenigstens das eigene Antlitz prangt, ist schon ein solider Anreiz. Die Idee der "Speedlists" ist fünf Disziplinen und Herausforderungen zu bewältigen, die ihr unter Freunden selbst definieren könnt - oder aus einer Auswahl vorgefertigter herauspickt - und dann in der großen Stadt abfahrt. Sprünge oder Drifts, sagt was ihr wollt und das Spiel gehorcht euch. Dazu die normalen Rennen, die wenig überraschend in Abwesenheit komplexer Elemente wie der Polizei so flüssig wie der Rest des Spiels laufen, was heißt, dass es zumindest keine zusätzlichen Lag-Probleme gibt.

Wer springt am schönsten durch das Plakat, wessen Bild zeigt es als nächstes?

Need for Speed Most Wanted: A Criterion Game ist trotz seiner technischen Limitationen, seiner Probleme beim Sichtwinkel und seiner eher für Hot Pursuit gedachten Steuerung bei Weitem kein schlechtes Spiel, ganz im Gegenteil. Es ist echtes Open World, in dem ihr euch euren Spaß bis zu einem gewissen Grad schon selbst suchen müsst, aber da es genug zu finden gibt, sollte das kein Problem sein. Gerade die langen und nervenaufreibenden Verfolgungsjagden, die immer wieder eine halbstündige, wilde Eigendynamik entfesseln, sind allein schon eine ausreichende Existenzberechtigung für jeden Racer. Darüber hinaus zünden manche Ideen einfach, wie Easy Drive oder der Open-World-Multiplayer-Spaß der Speedlists. Andere fallen dagegen eher flach auf die Nase wie das am Ende überraschend unbefriedigende Einsammeln der herumstehenden Autos. Und eigentlich ist Burnout: Paradise nicht wirklich das schlechtere Spiel … Aber trotzdem, viele gute Renn-Crash-Stunden stecken hier drin und mehr unterhaltsame Rambo-Renn-Action gibt es dieses Jahr sonst nirgends. Nur Xbox-Spieler dürften nachdenklich sein, ob Forza für sie nicht doch die bessere Wahl sein könnte. Denn diese Klasse erreicht Criterion hier überraschenderweise am Ende doch nicht ganz.

Die PC-Version ist zwar prinzipiell inhaltsgleich, wird aber zumindest für den Moment abgewertet. Das Ruckeln ist hier einfach zu heftig und lässt sich bisher auch weder mit teurer Hardware noch niedrigeren Einstellungen in den Griff bekommen. Hoffen wir auf einen Patch.

Xbox 360 / PS3:






PC:

8 / 10

Schon gelesen?