Need for Speed: The Run - Test
Ja, wo laufen sie denn?
Wie in jedem Konsolenzyklus um diese Zeit nähern wir uns so langsam der Phase, in der man Spiele wieder über die Technik verkauft. Die aktuellen Konsolen und die Grafik-Engines, die mit ihnen im Sinn entwickelt wurden, liegen leistungstechnisch in den letzten Zügen. Was die Grafik angeht, glaubt man, schon alles gesehen zu haben. Überraschungen, im Guten wie im Schlechten, werden selten. Das ist wie immer der Zeitpunkt, an dem die Branchenführer beginnen, Ersatztechnologien nachzuschieben, die dann auch schlagwortartig und verkaufsfördernd im Mittelpunkt der Kommunikation stehen und natürlich auch schmuck auf der Spiele-Verpackung prangen.
So geschehen im Falle EA und DICE, die mit der Frostbite-2-Engine eine Middleware geschaffen haben, die - entsprechende Hardware und Know-How vorausgesetzt - die "Grafik von morgen, schon heute" stemmt. EA Black Box, deren Formkurve in Sachen NfS nach "Undercover" mit Need for Speed World im letzten Jahr einen weiteren traurigen Tiefpunkt erreichte, besitzt dieses Know-How offensichtlich nicht.
The Run sieht auf Konsole aus wie ein Spiel aus der ersten Software-Generation, in Einzeldisziplinen sogar noch schwächer. Und wenn man weiß, warum die Wahl des Entwicklers auf Frostbite 2 fiel, anstatt zum Beispiel auf dem fantastischen Grundgerüst aufzubauen, das Criterion für das exzellente Hot Pursuit aus dem letzten Jahr gebastelt hat, dann ist das sogar noch viel ärgerlicher. Viel, viel ärgerlicher.
EA Black Box wollte nämlich ein Rennspiel mit Story machen, einer Handlung, die der Prämisse eines Rennens von einer Küste der USA zur anderen Kontext verleiht. Mal ganz abgesehen davon, dass einige der Handlung in einem Racer vermutlich dieselbe Relevanz beimessen wie in einem Pornofilm, fand ich das Konzept eigentlich ganz in Ordnung. Auch wenn ich Quick-Time-Event-Zwischensequenzen, wie sie hier abseits des Fahrersitzes bemüht werden, mittlerweile über habe. Ich wollte mich dennoch darauf einlassen. Dumm nur, dass die Charaktere und die Handlung von The Run dünner sind als in besagten Sexfilmchen, was zu einem beachtlichen Problem wird, wenn man versucht, so etwas wie Spannung zu erzeugen.
Unsereiner spielt als ein gewisser Jack Rourke, über den man im gesamten Spielverlauf nicht mehr erfährt, als dass er "einer der Besten" ist und Spielschulden hat, weshalb sich der einsilbige Wheelman von seiner Auftraggeberin zu dem Rennen von San Francisco nach New York überreden lässt. Diese Frau, mir will auf Teufel komm raus der Name nicht wieder einfallen und das wird wohl auch so bleiben, ist übrigens noch eindimensionaler als Max Mustermann - pardon - Jack. Die adrette Rothaarige hat überhaupt keine kennzeichnenden Eigenschaften oder Probleme. Mal abgesehen davon, dass sie adrett und rothaarig ist und eine offenkundige Schwäche für unsympathische Verlierer mit Löchern in den Taschen hat, wie Jack einer ist.
"The Run sieht auf Konsole aus wie ein Spiel aus der ersten Software-Generation, in Einzeldisziplinen sogar noch schwächer."
Jede zweite der doch recht wenigen Zwischensequenzen auf eurer Reise von West nach Ost ist komplett interaktionsbefreit und besteht aus einem Dialog zwischen einem fahrenden Jack und der Dame auf der anderen Seite des Tablets, das ihn begleitet. Die andere Hälfte, wir sprechen hier von geschätzten fünf Szenen, sind mittelmäßig lange QTE-Filmchen. Mal seid ihr auf der Flucht vor der Polizei, mal versucht ihr, aus einem Auto-Wrack zu entkommen, bevor es von einem Zug erfasst wird.
Spielerisch geben sie kaum etwas her, in Sachen Schnitt und Choreografie können die Filme aber überzeugen. Sie bleiben nur leider vollkommen uninteressant, weil man sich weder für die Pergamentpapier-dünne Handlung interessiert, noch für den absolut unbemerkenswerten "Helden" oder seine Sache. Dazu kommt, dass zwar Gesichter und Mimik durchaus in Ordnung gehen, aber die sonstige Technik hier geradezu gruselig ist. Wie es in einer prinzipiell vorberechneten Sequenz zu derart starkem Tearing kommen kann, ist mir schleierhaft. Gerade auch, wenn man sich - Gott bewahre - einmal die Umgebung in diesen Szenen genauer ansieht.