NeoSprint im Test: Von wegen „früher war alles besser“!
Die schlechte, alte Zeit.
Was mache ich nur mit NeoSprint? Immerhin gehört Super Sprint zu den Spielen, mit denen ich aufgewachsen ist. Ein Top-Down-Racer, mit dem ich auf meinem Atari ST etliche Stunden verbracht habe. Nicht das größte Spiel aller Zeiten, eher weit davon entfernt, aber ein spaßiger Arcade-Racer und wie ich im Zusammenhang mit NeoSprint erfahren habe, Teil einer gar nicht mal so kleinen Serie, die ihre Wurzeln in der Spielhalle hat.
Und weil irgendwann so ziemlich alles wiederkommt, das es schon mal gegeben hat, gibt sich mit NeoSprint eben auch die Sprint-Serie dieser Tage ein Stelldichein. Was nichts anderes heißt, als dass man kleine Flitzer aus der Draufsicht über einfache Kurse steuert, die mehr mit Spielzeug-Stecksystemen zu tun haben als mit echten Rennstrecken.
Das liegt auch daran, dass jeder Unfall der Karambolage-Kisten so klingt, als würde man Plastikteile über den Fußboden kegeln. Die sind ja so leicht, dass sie sich selbst bei kleinen Schubsern auf die Seite legen oder nach Sprüngen eben wie Spielzeug weiterholpern, anstatt fest auf dem Asphalt zu landen – was nicht besser dadurch wird, dass man schon beim kleinsten Lackaustausch mit der Konkurrenz geschoben, gedreht und umhergekugelt wird.
Abgesehen davon legen die Boliden ein Fahrverhalten an den Tag, das enervierend dröge ist. Sie kommen viel zu schnell komplett zum Stehen, anschließend nur behäbig wieder vom Fleck und schleppen sich mit dem Wendekreis sowie der Geschwindigkeit eines Containerschiffs um enge Kurven.
Kurz: Mir macht das keinen Spaß. Warum ich mich mit NeoSprint langweilen soll, wenn ich das famose Circuit Superstars spielen kann, ist mir jedenfalls ein Rätsel. Oder irgendeinen anderen der recht zahlreichen Top-Down-Racer.
Es gibt ja nicht mal Hindernisse auf der Strecke, so wie damals in Super Sprint. Da fuhren Poller aus dem Boden, es öffneten sich Tore für kleine Abkürzungen und manche Steilkurve konnte als Rampe dienen. Okay, die Fahr“physik“ von damals ist inzwischen genauso spaßfrei wie sie NeoSprint repliziert, aber im Verhältnis zu seiner Zeit ist das fast 40 Jahre alte Super Sprint ein bedeutend besseres Spiel.
Gerade in dieser zentralen Disziplin muss sich auch ein Retro-Ritt halbwegs modern anfühlen. Eine gelungene Kombination aus Alt und Neu ist nämlich das Geheimnis solcher Fortsetzungen oder Hommagen.
Zugegeben: Hindernisse gibt es sogar – allerdings nur in einem separaten Modus, bei dem man jeweils eine der kurzen Runden auf Zeit drehen darf, bevor man den Event von vorn starten muss. Da macht mir das Zeitfahren mit unendlich vielen aufeinander folgenden Runden schon mehr Spaß. Und hey, wer will, der oder die startet eine eigene kleine Meisterschaft mit maximal vier Rennen oder geht in Einzelrennen an den Start, beides bis zu acht vorm selben Bildschirm.
In Kampagnerennen schalten Solisten außerdem nacheinander jeweils vier Rennen dauernde Meisterschaften frei, wobei man sich vor jeder Meisterschaft eins der neun Fahrzeuge wählt. Die unterscheiden sich in Geschwindigkeit, Beschleunigung und Wendigkeit – auch eine Kürzung gegenüber dem Super-Vorgänger, wo man im Verlauf der Kampagne diese drei Eigenschaften in mehreren Schritten verbessern konnte. Aber wer braucht schon Langzeitmotivation?
Verzeiht mir, dass ich NeoSprint so häufig mit einem Uralt-Vorgänger vergleiche. Aber vielleicht wird dadurch deutlich, wie wenig in dieser Fortsetzung tatsächlich drinsteckt. Wobei… wartet! Es gibt immerhin einen Editor, in dem man mit relativ wenigen Handgriffen eigene Strecken bastelt.
Zwar halten sich die Möglichkeiten dort in Grenzen, weil es im gesamten Spiel ohnehin nur ausgesprochen wenige Teile gibt, wodurch sich auch die offiziellen Strecken alle gleichen. Was man zusammensteckt, darf man aber online teilen, und natürlich stehen die Werke anderer Architekten zum flotten Download zur Verfügung. Ich sag‘ mal so: Der Editor ist das Beste dran.
Okay, na gut. Als ich im dritten Teil der Kampagne ankam, wo die Kontrahenten endlich halbwegs flott unterwegs waren und weniger oft nach einem Dreher einfach stehenblieben, während die Musik in ihrem belanglosen Einerlei gerade altmodisch genug wirkte, um etwas in den Äther zu fächern, das man mit ein wenig gutem Willen als Retro-Rauch identifizieren konnte… dann war das streckenweise schon ganz unterhaltsam.
Dass man sich per Handbremse sehr rasant in manche Kurve dreht, entschärft zudem das erwähnte Umherschleichen in weniger wendigen Wagen – jedenfalls so lange, wie man die Kehren im richtigen Winkel erwischt. Was unter anderem dank der crashfreudigen Konkurrenz freilich nicht bei jeder Anfahrt gelingt.
Es ist also nicht so, dass hier rein gar nichts drin steckt. Zumal man im Gegensatz zu früher die Wahl hat, ständig die gesamte Strecke oder nur die Umgebung vor dem eigenen Wagen zu sehen. Nutzt man den klassischen Satellitenblick sind die Wagen furchtbar winzig und damit schwerer zu kontrollieren, weshalb ich über diese moderne Alternative gerade auf dem Steam Deck sehr froh bin. Letzteres freut sich außerdem über das einfache Teile des Spielstands per Steam Cloud.
NeoSprint im Test - Fazit
Alles in allem hätte es aber einfach keine Minimal-Fortsetzung gebraucht, die abseits des guten Editors sogar schlanker im Umfang ist als ihr Urahn. Und aus der ich in Anbetracht des überschaubaren Fahrverhaltens vor allem die Erkenntnis ziehe, dass wir damals offenbar sehr leidensfähig waren. Oder schlicht nichts Besseres gewohnt. Denn das bin ich heute nun mal und kann deshalb mit NeoSprint sehr wenig anfangen. Wie gesagt: Wieso sollte ich mich hier abmühen, wenn ich mit Circuit Superstars oder einem der vielen anderen Top-Down-Racer so verdammt viel Spaß haben kann? Das Prinzip funktioniert ja noch und Retro darf gerne altmodisch sein! Aber doch nicht so, dass sich ein aktuelles Spiel wie die Kollektion vierzig Jahre alter Klassiker anfühlt.
NeoSprint | |
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PRO | CONTRA |
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