Neu gegen alt: Das macht das Dead Space Remake besser als das Original
Gunner Wright und Joel MacMillan über die Rückkehr zur Ishimura
Ist das wirklich schon zehn Jahre her, seit Dead Space 3 die Trilogie glanzlos, aber auch nicht ganz ohne Würde komplettierte? Ich habe den problematisch gestreckten und unschön, aber letztlich folgenlos monetarisieren dritten Teil trotz allem ganz gern gespielt. Aber es wunderte nicht wirklich, dass danach erst einmal Schluss war, mit einer Reihe, deren Debüt einst als neue Horror-Hoffnung für große Aufregung sorgte.
An diese frühe Glanzstunde in einer ansonsten eher trostlosen Zeit Ende der 00er Jahre (00 war nicht umsonst lange die Abkürzung für “WC”) erinnerte sich wohl nun auch EA, das sein Motive Studio mit der Umsetzung eines Remakes des ersten Dead Space betraute. Eine Woche vor Veröffentlichung unterhielt ich mich mit Isaac-Schauspieler Gunner Wright und EA Motives Realization Director Joel MacMillan – und fand ein paar Dinge heraus, die große Lust aufs Upgrade machen.
Als Erstes versuchte ich, ein wenig in den Kopf von Gunner Wright zu blicken. Der charismatische Endvierziger hatte Isaac im zweiten und dritten Teil gesprochen. In Teil eins war der Schiffsingenieur aber noch stummer Protagonist. Als ich Wright frage, ob er in der Vergangenheit vielleicht schon einmal vor den ersten Teil gesetzt hat, um Isaac ein paar mögliche Dialogzeilen in den Mund zu legen, lacht der ehemalige Motorrad-Rennfahrer. “Nein, das habe ich tatsächlich nicht gemacht. Aber dank YouTube konnte ich diverse Aspekte aller drei Spiele noch einmal erleben. Ich habe auch noch meine Skripte von Teil zwei und drei und bin definitiv zurückgekehrt, in meine Welt der Vorbereitung für beide Spiele. Einfach, um wieder in meine Version von Isaac einzusteigen. Das hat mich im Anlauf auf die Produktion wirklich geerdet.”
Da es eher selten vorkommt, dass man eine jüngere Version seiner Rolle verkörpern muss, wollte ich als Nächstes wissen, wie man die Evolution einer Figur, in deren Welt aus Traumata und Erlebnissen man sich ein paar Jahre eingenistet hat, wieder rückgängig macht. Reicht es, sich als Startpunkt einen unerfahrenen, weniger abgebrühten Isaac vorzustellen? “Großartige Frage”, entgegnet Wright. “Weil ich im Original ja nicht Isaac gewesen bin, nahm ich mir natürlich kreative Freiheiten. Aber das Team war so wahnsinnig gütig und half mir dabei, zu Beginn einen Einstieg zu finden. Aber die DNS war immer noch da und es war nicht allzu schwer, von Dead Space drei und zwei zum ersten Teil zurückzugehen.”
Trotzdem bleibt natürlich die Frage, wo man nun anfängt, wenn man ein Skript für eine Figur entwickelt, die in diesem Umfeld noch nie gesprochen hat. Wright konnte sich in dieser Hinsicht ganz auf das Team von Motive verlassen. “Wir haben uns schon sehr früh auf Zoom getroffen, um uns über ihre [Motives] Version von und Perspektive auf Dead Space 1 zu unterhalten, was sehr geholfen hat. Aber von meiner Seite aus sah ich es so: Abgesehen davon, dass seine Freundin auf diesem Schiff ist, liebt mein Charakter die Ishimura. Das Schiff bedeutet ihm etwas, weil er weiß, wofür es steht.” Wright vergleicht das mit jemandem, der eine bestimmte Leidenschaft für einen bestimmten Sportwagen entwickelt hat. Zwar sei es für Isaac auch ein Routine-Job, Arbeit eben. Aber er liebe die Ishimura auch. Insgeheim freue sich Isaac darauf, Teil des Schiffes zu sein.
Joel MacMillan, Realization Director bei Motive, pflichtet Wright bei: “Ein Grund dafür, dass wir uns so über Gunners Rückkehr zu dieser Rolle freuten, war die geerdete Glaubwürdigkeit, die er dem Charakter einflößte. Es war wichtig, dass man zu Isaac schnell einen Bezug aufbauen kann, denn durch ihn erlebt der Spieler dieses Abenteuer.” Das Gefühl, als steckte man in Isaacs Schuhen, sei von größter Wichtigkeit. “Gunner öffnet dafür auf großartige Weise ein Fenster. [Deine Performance,] Gunner, fühlt sich sehr nahbar an und hat diesem Charakter Glaubwürdigkeit verliehen.”
Dennoch war es wichtig fürs Team, einige Regeln zu beachten. Creative Director Roman Campos-Oriola, Chefautorin Joe Berry und MacMillan hätten sich mit Wright darauf geeinigt, dass diese Version von Isaac, nicht in die Actionheld-Falle tappen würde, alles im Spiel zu kommentieren, erklärt MacMillan: “Das ist für viele Spiele, die es machen, oft großartig, weil es Leichtigkeit und auch Humor ins Spiel bringen kann. Aber das ist nicht das, was wir wollten. Wir wollten die Antithese dessen.” Isaacs Einsamkeit kann der Spieler eben besser nachfühlen, wenn keine übertriebene Kameradschaft mit dem Spielcharakter entsteht. “Wenn der Spielcharakter zu viel redet, erzeugt das einen gewissen Grad an Zutrauen und Sicherheit im Spieler, den wir nicht wollten.” Die Daumenregel lautete also, dass Isaac erst sprechen würde, wenn er von jemand anderes angesprochen wird.
“Und Gunner kann mich da korrigieren, sollte das nicht stimmen, aber ich denke, zu 90 bis 95 Prozent des Spiels halten wir uns daran”, behauptet MacMillan. “Isaac reagiert verbal nur auf Ansprache und dadurch nehmen wir dem Spieler Sicherheit. Er soll sich allein mit Isaac fühlen.” Nachdem die letzten Sprachaufnahmen über zehn Jahre zurückliegen, liegt es natürlich nahe, dass Wrights gealterte Stimmbänder möglicherweise per Software ein wenig verjüngt wurden (und ich darf das fragen, weil auch ich Mitte vierzig bin)? “Gute Frage”, schmunzelt Wright. “Ich bin nicht sicher, was die Effekte angeht. Seit all den Sterbeszenen und Todesschreien sind zehn Jahre ins Land gezogen, weshalb diesmal vermutlich ein wenig warmer Tee vorher angesagt war [lacht].
“Ich persönlich liebe das Timbre, das deine Stimme mitbringt, Gunner”, hakt MacMillan ein. “Ich glaube nicht, dass es Nachbearbeitung abseits unseres Alive-Systems gab.” Was das ist? Nun, wie MacMillan erklärt, wählt dieses System aus drei verschiedenen Darbietungen Gunners derselben Dialogzeile diejenige, die am besten zu Isaacs Befinden passt. “Wenn Isaac in deinem Spiel verletzt oder ermattet ist, klingt er dann auch entsprechend”, so MacMillan. “Und Gunner hat insbesondere bei den ermatteten Versionen seiner Dialogzeilen toll abgeliefert. Die mochte ich sehr.”
Wright scheint gerade daran besonderen Spaß gehabt zu haben: “Als Schauspieler war es toll. Denk mal darüber nach: Du wirst in eine Situation geworfen, hast das Skript und sagst nun deine Zeilen. Aber dann sagst du die Zeile einmal neutral, dann noch einmal erschöpft und noch einmal, als wäre man an der Schwelle des Todes. Das als Schauspieler zu verarbeiten, ist toll. Und was wirklich cool war, weil ich einen Hintergrund als Sportler habe: Zu Beginn der Vorbereitung haben Atemübungen gemacht. Atmen wie beim Ruhepuls, dann mit erhöhter Herzfrequenz und schließlich so, dass es gewissermaßen in die gegenteilige Richtung geht… es dreht sich also nicht nur um die Dialoge an sich, sondern auch viel um das Feeling für den Spieler. Und ich glaube, das wird fantastisch.”
Nachdem Teil eins nun gute 15 Jahre auf dem Buckel hat, ist es natürlich interessant, ob man sonst noch grundlegende Dinge am Design ändern musste – und wie weit man gehen darf, ohne das Vermächtnis zu entehren. MacMillans Antwort ist so einleuchtend wie respektvoll der Vorlage gegenüber. “Welchen Aspekt des Spiels wir uns auch vornahmen, die Daumenregel war: ‘Muss diese Änderung sein?’ Zu Beginn, als man uns dieses Franchise anvertraute, überkamen uns all diese Wunschträume, was wir damit anstellen wollen würden. Als wir dann aber anfingen und unter die Haube dieses Spiels schauten, merkten wir, wie smart dieses Spiel konstruiert war.” Diese Erkenntnis blieb nicht ohne Folgen: “Das hat uns ein wenig Demut eingeflößt, uns wurde klar, dass bestimmte Dinge aus ganz speziellen Gründen waren, wie sie waren”, lacht MacMillan. “Vielleicht mussten wir dieses oder jenes nicht ändern – aber wir haben uns immer gefragt, wie wir Dinge etwas verbessern, sie für das moderne Publikum upgraden konnten.“ Und das ist – trotz des immensen gewonnenen Respekts der Vorlage gegenüber offenkundig immer noch eine Menge. Den Anfang macht der Aufbau des Schauplatzes, wie MacMillan anschaulich erklärt:
“Eine Änderung ist das nun zusammenhängende Schiff. Nun kann man von Heck bis Bug nahtlos durch die Ishimura reisen, ohne einen Ladebildschirm zwischen den Kapiteln zu sehen. Um das zu erreichen, mussten wir diverse Bereiche des Schiffes miteinander verbinden. Diese Übergänge haben im Original einfach nicht existiert.” Seinerzeit verbanden kurze Zugfahrten die einzelnen Kapitel und Decks des gigantischen Raumschiffes. Eine smarte Art, die kommenden Umgebungen in den beschränkten Speicher der alten Konsolen zu bekommen. Heute würde es aber ein wenig von gestern wirken. Die Ishimura als in sich verbundenen, nahtlosen Ort neu zu bauen, macht den Schauplatz lebendiger und authentischer. “Wir dagegen Korridore und Gänge bauen, die als Verbindungen der Bereiche untereinander fungieren, um wirklich ein zusammenhängendes Schiff zu haben. Außerdem gibt es einige Nebenräume für optionalen Content und Sidequests”, erzählt MacMillan.
Es ist gewissermaßen also die Resident-Evil-2-Schule eines Remakes, die ein wenig grundlegender an die Sache herangeht, um ein Spiel auch heute relevant und spielbar zu halten. Ohne inhaltliche Anreicherung ist das nicht nur schwierig, man beraubt sich auch der Möglichkeit, Fans des Originals nicht einfach nur Aufgewärmtes von vorgestern vorzusetzen, sondern sie auch wirklich zu überraschen. “Teil unserer archäologischen Nachforschungen bezüglich des Originals war es, uns mit den Jump Scares zu befassen”, sagt MacMillan. “Du kennst das: Man nähert sich einem toten Slasher, der auf dem Boden liegt, der aufspringt und dir einen Schrecken einjagt.” Ja, kenne ich gut, und war einer der Gründe, warum ich persönlich über das erste Dead Space oft ins Gähnen kam. Mac Millan sieht das nicht komplett anders: “Das klappt einmal, vielleicht zweimal, aber beim dritten Mal erwartet man das schon.”
Die meisten dieser Erschrecker hätten zwar ein tolles Timing, Komposition und gute Positionierung gehabt, dennoch sah man Besserungsbedarf. “Wir haben ein System entwickelt, das wir den ‘Intensity Director’ nennen. Der spawnt dynamisch neue Jump Scares, neue Inhalte und Begegnungen, je nachdem, wie der Spieler spielt”, erläutert MacMillan. “Das haben wir aus mehreren Gründen getan: Der Gedanke war, dass Spieler, die den Titel erneut spielen wollen, dieselben Jump Scares erwarten. Auf diese Art lassen wir sie nicht zur Ruhe kommen. Es unterläuft ihre Erwartungen. Und natürlich haben wir ihn [diese Intensitäts-Regie] auch eingeführt, weil die Ishimura nun ein zusammenhängender, verbundener Ort ist, den man in jedwede Richtung bereisen kann.” Die Rückkehr zu bereits besuchten Räumen will Motive so spannend halten, selbst, wenn man sie zuvor schon einmal von Gegnern gesäubert hatte. “Das ist also mehr Content für die Spieler.”
Davon abgesehen habe das Art-Team großartige Arbeit abgeliefert: “Sie hielten sich an die Kernprinzipien der ursprünglichen Ausrichtung und ergänzten die Umgebung um eine größere Detailtiefe”, resümiert MacMillan. “Sie sind tief eingetaucht, um die Nuancen und taktilen Extra-Details, die diese Welt real und bewohnt erscheinen lassen, hinzuzufügen. Aufseiten des Lichts, der Effekte und des Sounds haben wir dem Spiel sehr viel mehr Atmosphäre hinzugefügt. Der Klang spielt so eine große Rolle dabei, die Atmosphäre auf der Ishimura zu erschaffen. Mithilfe der modernen Technologien für Nebel, Dunst und Beleuchtung konnten wir die Atmosphäre gegenüber dem Original noch anreichern.”
Ich muss zugeben: So richtig anfreunden konnte ich mich mit Dead Space erst im zweiten Teil. Der Erste war mir eine Idee zu eintönig, vor allem, was die Art des Horrors anging, für den es sich interessierte. Nach nur zwanzig Minuten Gespräch mit MacMillan und Wright, freue ich mich nun sehr darauf, ihm eine zweite Chance zu geben.
Das Dead Space Remake erscheint am 27. Januar auf PS5, Xbox Series und PC.