NeverDead - Test
... leider
Eine kurzberockte, halboffenblusige, blonde Monsterjagd-Agentin. Ein Jahrhunderte alter, von Dämonen verfluchter Gelegenheitssöldner mit der Fähigkeit, seinen Kopf zu verlieren und trotzdem weiterzumachen. Ein Dämonenfürst, der sich kleidet, wie es sich sonst nur Freddie Mercury getraut hätte. Nebencharaktere aus einem nie gedrehten Rodriguez-Streifen. Retro-Rock-Metal-Mucke. Irgendwo in diesem Panoptikum generischer Ideen von "cool" muss doch Spaß zu finden sein.
Ich hab lange in NeverDead gesucht. Aber bereits im ersten Kapitel begann sich alles schneller abzunutzen, als man es für überhaupt möglich halten sollte. All die kleinen Ideen und Sprüche wurden schon in der ersten Stunde alt. Und dann ging es noch mal zehn oder so weiter. Aber das war nur der Anfang all der Probleme mit der Unsterblichkeit.
Das große Feature dieses Action-Adventure-Shooter-Ich-will-alles-sein-Games ist die Fähigkeit des unsterblichen Helden, nun, unsterblich zu sein. Leider ist er keineswegs unverletzlich und kann Arme, Beine und Kopf verlieren. Die liegen dann herum. Erst hüpft man auf einem Bein, dann ballert man nur noch mit einem Arm, dann gar nicht mehr, schließlich kriecht ihr als Torso mit Kopf herum und dann spielt ihr den abgeschlagenen Kopf, der ungeschickt herumrollen kann. Nach ein paar Sekunden in diesem unglücklichen Zustand könnt ihr euch vollständig regenerieren.
Klingt erst mal witzig, oder? Zumal der Trick mit dem Kopf auch eingesetzt wird, um unzugängliche Orte zu erreichen. Kopf durch kleines Loch in der Wand gekickt, auf der anderen Seite regeneriert. Das wird zwar sehr gescriptet eingesetzt, ist aber trotzdem ein netter Touch. Weniger nett ist es, dass in den Kämpfen der Held ständig auseinanderfällt. Selbst ein Start-Monster kann euch in zwei Sekunden zerlegen und die Biester treten in Rudeln auf. Alle paar Sekunden wartet ihr nur genervt darauf, dass ihr euch regeneriert. Und versucht den Staubsauger-Monstern, wie alles andere debil betitelt, in diesem Falle Grandbabies, zu entgehen. Diese nämlich wollen euren Kopf verspeisen und zwingen euch weit öfter als euch lieb ist in ein Quick-Time-Event, um diesem Schicksal zu entgehen.
Wie gesagt, eine Idee, die erst mal nett klingt und auch irgendwie frisch, aber eine, die schon in den ersten Entwicklungsphasen hätte verworfen oder komplett umgearbeitet werden müssen. Dass ihr euch ständig wieder zusammensetzen müsst, verhindert mit bisher ungekannter Effizienz jeglichen Kampffluss, den die auch sonst alles andere als glorreichen Schuss- und Schlagkontrollen vielleicht hätten aufkommen lassen. Dieses wunderbare Gefühl eines Devil May Cry oder Bayonetta bei den schnellen Wechseln aus Nah- und Fernkampf, das könnt ihr hier komplett knicken. Weder die engen, schlecht bis langweilig entworfenen Umgebungen, in denen ständig was im Weg steht, noch die Tatsache, dass der Held an jeder Kante hängt, helfen dabei. Aber dass ihr mehr Zeit damit verbringt, euch wieder zusammenzubasteln, weil ihr mal wieder minus ein Arm oder nur ein Kopf seid, tötet den Spielfluss. Komplett.
Die häufigsten Game-Over-Bildschirme werdet ihr aber nicht im Bauch eines Staubsaugermonsters erleben, sondern weil dieses Game eigentlich eine konstante Eskortmission darstellt. Euer weiblicher Sidekick Arcadia ist keineswegs unsterblich, sondern nur offensichtlich lebensmüde, unfähig mit Waffen umzugehen und sollte sich normalerweise so weit weg von Monstern wie nur irgend möglich aufhalten. Seid ihr gerade mal wieder ein Kopf und sie in Gefahr, ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, ob ihr euch zusammensetzen könnt, bevor sie verspeist wird. Leider einer, auf den ihr keinen Einfluss habt. Später kommen noch ein paar andere NPCs in diese wundervolle Rolle und ihr werdet sie alle hassen. Und euch fragen, warum diese Typen nicht einfach in einem Safe-Room warten können, bis ihr fertig seid.
Ich sprach schon kurz die Steuerung an und sie ist einer der vielen Gründe, warum hier nichts zusammenpasst. Alle Bewegungen wirken steif, ungelenk - kein Wunder bei jemandem, der sich ständig wieder zusammensetzt und neu baut - und vor allem ohne irgendwelche Freude aufkommen zu lassen, diese Figur zu steuern. Ein leicht krankhafter Hüpfer, mitleiderregendes Ausweich-Halbrollen, keinerlei gefühlvolles Waffenfeedback und eine der beschissensten Schwertkontrollen, die es je zu bewundern gab. Statt einfach nur loszuhacken, müsst ihr immer erst einen einzelnen Gegner fixieren. Dann den Nächsten und den Nächsten. In Räumen, deren viel zu haltbare Spawn-Punkte ein Monster nach dem anderen ausspucken, will man sich einfach nur durchhacken, was so jedoch zu einer verkrampften Wechselwirkung aus anvisieren, zuschlagen, wieder zusammensetzen und wiederholen verkommt. Wie schon gesagt, wenn ich mich für das entscheidende Problem bei NeverDead entscheiden müsste, wäre es der absolute Mangel an einem Fluss im Kampfverlauf. Dieses Herumstolpern kann man spielen, aber von wollen kann keine Rede sein. Ein eklatanter Mangel an relevanten Kombos oder sinnvollen Fertigkeiten zum Freischalten macht zwar nichts noch schlimmer, Anreize werdet ihr hier aber auch nicht finden.
Die Story mag ein paar sehr anspruchslose, zugedröhnte Trash-Fetischisten vage befriedigen, die From Dusk Till Dawn 3 für den besten Teil der Serie und das Größte seit der Erfindung des Kinos halten. Aber selbst bei dieser sehr speziellen Zielgruppe wäre ich mir nicht ganz sicher. Die Figuren in NeverDead sind da. Sie existieren. Hintergründe, Bezüge, irgendwas, worin man sich hier emotional investieren kann, fehlt schlicht. Ein paar nach drei Durchgängen schon müde Sprüche, ein tiefer Ausschnitt bei den Frauen, tiefe Stimmen bei den Männern und Wortwechsel wie bei alten, sehr unkomischen Ehepaaren sorgten dafür, dass ich mich über den Hinweis, dass man die Zwischensequenzen abbrechen kann, mehr freute als sonst. Das Spiel wird schon wissen, warum es den bei den Ladescreens so oft zeigt.
Nicht einmal der Trash-Appeal kann so richtig punkten. NeverDead ist nicht auf eine surreal-halb-unfreiwillige Weise komisch und gleichzeitig großartig, wie es bei einem Deadly Premonition der Fall ist. Das hier rennt wie ein trauriger, valiumgetränkter und gleichzeitig unter ADS leidender Clown um euch herum und ruft "Hier, ich bin lustig, lach doch mal". Leider ist es das eben nicht und leider konnten die Schreiber weder einen 90s-Trash-Kino-Charme mit ihren Sprüchen transportieren noch definieren sie sonst irgendeine Art von Humor. Es sind einfach dumme, platte Sprüche, die nach ihrem ersten Schmunzelmoment immer wieder auf Repeat laufen und durch schlicht schwache, langweilige Dialoge ergänzt werden.
Diese bleiben euch in den Koop-Missionen erspart und zumindest hier könnt ihr noch ein klein wenig Freude finden. Nicht durch das Spiel an sich, aber wenn sich zwei abgetrennte Köpfe auf eine (St)roll begeben und über das Wetter reden, hat das schon was sehr Monty-Python-eskes. Das müsst ihr jedoch schon selbst inszenieren, echter Spielspaß wird jedoch leider aus den gleichen Gründen verfehlt, die auch schon den Solo-Modus plagen. Auch zu zweit wird aus einem stolpernden Kampfsystem keine Gazelle.
Ich wollte, dass NeverDead dieser Trash-Sleeper-Hit wird, der besagtes Deadly Premonition war. Ein Spiel, bei dem man "objektiv" sagen muss, dass es schlecht ist, aber das man gleichzeitig mit Hingabe lieben kann. Dummerweise reichte es bei NeverDead für diesen entscheidenden zweiten Teil dann nicht mehr. Die eine, nette Idee des ewig halb verstümmelten Helden stellt sich als nicht ganz durchdacht und sogar als schlicht hinderlich heraus, wenn es darum geht, irgendeinen Spaß und Drive im Kampf zu entwickeln. Der unbewegliche Protagonist, die mal hakeligen, mal ungeeignet entworfenen Kontrollen, die lebensmüden, nutzlosen Begleiter, eine schlicht unlustige, aber trotzdem verzweifelt auf Trash-Humor getrimmte Story. Man kann es spielen, aber warum sollte man das tun, wenn alles, was man unternimmt, darauf hinausläuft, dass man sich über das Spiel ärgert? Was nützen ein oder zwei nette Ideen für Bosse und Umgebungen, wenn die Mechaniken viel zu oft schlicht nur nerven? Oder wenn das nicht der Fall ist und eigentlich noch schlimmer: Wenn man die meiste Zeit schlicht in Grund und Boden gelangweilt wird?
NeverDead ist für PlayStation 3 und Xbox 360 erhältlich.