Neverwinter Nights 2: Storm of Zehir
Güter statt Güte
Laute Rufe, dumpfes Gepolter und der schwere Dunst von Alkohol getränktem Atem dringen aus der Gaststätte. Auf der Bühne zerschmettert ein Barde gerade seine Leier, während der Illusionist im Hintergrund bunte Lichter aus seinen Fingerspitzen sprießen lässt. Spätestens mit dieser Light-Show ist die zünftige Sause in vollem Gange. Ein Gnom stibitzt im entstehenden Getümmel so viel Schnaps, dass sein zwergischer Kumpel glatt aus den beschlagenen Gamaschen kippt. In einer dunklen Ecke legt der Paladin einer attraktiven Elfe indes die Hand auf. Sogar der zurückhaltende Druide lässt mal sämtliche Hemmungen mitsamt Lendenschurz fallen und schwingt das mit Kräuterlikör gefüllte Trinkhorn im Rhythmus seiner Hüften.
Ja, das neue Addon zu Neverwinter Nights 2 setzt auf eine ordentliche Party. Mit solch einem Gelage hat das aber ehrlich gesagt rein gar nichts zu tun. Von feucht-fröhlicher Feierlaune ist in Storm of Zehir schließlich keine Spur. Stattdessen kriegt Ihr in den ersten Minuten des Abenteuers ganz trocken den Charaktereditor vorgesetzt, um Euch in dezidierter Kleinarbeit eine vierköpfige Heldengruppe nach eigenem Geschmack erschaffen zu können.
Als wolle es vage an die Urväter des Genre erinnern, entfernt sich das Addon somit ein kleines Stück von den Prinzipien seiner Vorgänger, die Euch stets nur einen einzigen Charakter erschaffen ließen. So rücken die einzelnen Recken in den Hintergrund und die Party als Ganzes wird hervorgehoben. Dabei kann das Heldengespann im Laufe des Spiels sogar bis zu sechs Personen umfassen, solltet Ihr weitere Abenteurer anheuern wollen. Doch zunächst wird der eigentliche Kern der Truppe durch einen plötzlichen Schiffbruch zusammengeschweißt.
Denn kaum seid Ihr an der Küste des exotischen Landes Samarach gestrandet, wollen sich kannibalische Goblins über Euer zähes Fleisch hermachen. Ein erster Konflikt, der unmissverständlich klar macht, wie die Gefechte in Storm of Zehir zu laufen haben. Die Auseinandersetzungen sind vor allem ein Kampf mit dem Gestrüpp aus Menüs und Handlungsoptionen, das mindestens so dicht ist, wie der Urwald der besagten Dschungelnation. Denn selbst, wenn Ihr Euch Unterstützung von der KI gönnen wollt, müssen stets die richtigen Einstellungen für das Verhalten eines jeden Charakters gefunden werden.
Ansonsten steht der Kleriker schnell mal an vorderster Front, der Magier zerschießt mit seinen mächtigsten Zaubern schwächliche Kobolde und der Krieger stürmt blindlings in eine weit entfernte Gegnerhorde. Für triumphales Vorgehen sind präzises Micromanagement und der hemmungslose Gebrauch der Pause-Taste somit unerlässlich. Das kennt man zwar in gewisser Weise schon aus dem Grundspiel, die größere Gruppe potenziert den taktischen Aufwand aber noch einmal. An lockeres Gemetzel ist hier jedenfalls zu keiner Zeit zu denken.
Neuerdings reicht die Teamarbeit aber noch eine ganze Ecke über das Schlachtfeld hinaus. In Gesprächen dürft Ihr beispielsweise beliebig zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern hin und her schalten, um eine passende Dialogoption zu wählen. Dadurch könnt Ihr Euer Gegenüber erst mit dem brummeligen Zwerg ruppig in die Schranken weisen und daraufhin mit der galanten Zunge eines Barden die eigenen Interessen vortragen. Leider haben die Optionen jedoch wenig mit den verschiedenen Individuen zu tun, sondern beziehen sich vor allem auf jeweilige Talente wie Diplomatie, Einschüchtern oder Sagenkunde.
Die verfügbaren Äußerungen fallen in der Regel folglich recht nüchtern aus. Selbst die im Spielverlauf aufgegabelten Helden bringen nur sehr selten eine eigene Note in die Unterhaltungen. Dadurch mangelt es der ganzen Truppe merklich an Persönlichkeit, zumal auch die kleinen Interaktionen innerhalb der Gruppe völlig gestrichen wurden. Statt eine gewisse Bindung zu den einzelnen Charakteren aufzubauen, kommt Ihr Euch schnell wie der übergeordnete Kommandant eines reinen Taktikspiels vor.