New Star GP im Test: Die Formel 1 auf charmanter Zeitreise – aber mit unfreiwilligen Einschlägen in die Bande
Warum Altstars in „New Star GP“ die Hauptrolle spielen.
Seid ihr in den 80-ern oder 90-ern mit der Königsklasse aufgewachsen, als Gerhard Becker, Ayrton Serafino, Nigel Mawson und andere Legenden Formel 1 fuhren? Und habt ihr eure ersten Meter in digitalen Cockpits in den Boliden von Super Monaco GP, Virtua Racing oder Formula One Grand Prix zurückgelegt? Dann könnte New Star GP genau euer Ding sein. Das vereint nämlich den Charme solcher Retro-Racer mit einer erstaunlich weitreichenden Darstellung des Formel-1-Zirkus', ohne das unkomplizierte Spaßrasen außer Acht zu lassen.
Ihr habt es ja schon rausgelesen: New Star GP kommt ohne eine einzige Lizenz aus. Stattdessen sind sowohl Teams als auch Fahrer und die Strecken ihren Namensgebern zwar erkennbar ähnlich, aber gleichzeitig weit von den Vorbildern entfernt. Es geht ja nicht um Realismus. New Star Games (der Entwickler hat sich gleich mal im Titel seines Spiels verewigt) geht es wohl eher darum, das Gefühl von damals heute noch mal zu erleben.
Wobei damit nicht nur um die 80-er gemeint sind, sondern auch um die folgenden Jahrzehnte, denn nach jeder Saison springt das Spiel eine Dekade in seine Zukunft. Die Namen der Teams und Fahrer ändern sich daher regelmäßig. Sogar die Strecken haben in jeder Ära teilweise ein anderes Layout, was in der hiesigen Form mehr der spielerischen Abwechslung als dem Realismus zugutekommt.
Interessant ist vor allem aber, dass New Star GP nicht nur ein Rennspiel ist, sondern auch die Arbeit in der Box im Blick hat. So erhält man nach jedem Rennen nach Leistung gestaffelte Siegprämien, die man anschließend in den Motor, die Flügel, die Reifen oder mehr investiert. Außerdem kann es passieren, dass die Ingenieure vor dem Rennen ein Problem entdecken, das mit verschieden hoher Wahrscheinlichkeit einen Fehler auslösen könnte. Sollte man den für ein paar Prämientaler ausbessern oder geht man lieber mit gedrückten Daumen an den Start?
Abgesehen davon schaltet man mit fortlaufender Karriere eine Reihe an Perks frei, von denen man maximal fünf aktivieren kann. Dazu zählt das Verdienen einer zusätzlichen Belohnung, wenn man ein Rennen mit nur einem Boxenstopp gewinnt oder ohne Unfall ins Ziel kommt.
Nicht zuletzt hat man zwar von Anfang an eine komplette Mannschaft zusammen, bekommt mitunter aber einen Anruf, ob man den aktuellen Ingenieur nicht gegen einen neuen eintauschen möchte. Außerdem gibt man in kurzen Interviews Statements zu bestimmten Kontrahenten ab oder muss sich entscheiden, wem man die Schuld an einem verpassten Sieg gibt: dem Chef der Boxencrew oder dem Management?
Leider geht mir das aber mitunter auf den Senkel. Ich will nicht nach jeder zentralen Aktion einen Anruf erhalten oder gar jemanden ankreiden müssen. Durch Letzteres sinkt nämlich die Zufriedenheit der entsprechenden Person, bis die irgendwann ihren Hut nimmt. Ist sie hingegen nicht nur glücklich, sondern gar „ekstatisch“, wirkt der an sie geknüpfte Perk in einer stärkeren Stufe. So erhält man Windschatten etwa nicht erst kurz hinter dem Vorherfahrenden, sondern schon deutlich früher.
Ich will also auf keinen Fall die Zufriedenheit eines Teammitglieds sinken sehen – weshalb ich sie nach einer solchen Abfuhr meist gleich wieder steigere, indem ich dieser Person ein wenig Kohle zukommen lasse. So einfach ist das – und entsprechend absurd das strategische Hantieren in der Box über weite Strecken.
Das geht ja dort weiter, wo man nur mit dem erwähnten Perk die Möglichkeit hat, im Windschatten Geschwindigkeit gutzumachen. Es gibt noch einen weiteren, mit dem man jedes Rennen nicht vom letzten zehnten Platz aus startet, sondern (Qualifikationsrunden gibt’s hier nicht) auf dem neunten. Dass man mit anderen Perks besser übern Rasen rasen kann, durch Kollisionen mit Kollegen weniger schnell aus der Spur geworfen wird oder ein leerer Tank wie von Geisterhand noch mal aufgefüllt wird… Solche Sachen gehen in Ordnung. New Star GP ist eben Arcade pur.
Ich wünschte nur, die Entwickler hätten das eigentliche Rennfahren ein wenig ernster genommen. Denn auch in einem Arcade-Racer will ich die Action auf der Strecke ernst nehmen. Doch stattdessen habe ich hier festgestellt, dass die Sache mit dem Windschatten noch absurder ist als ohnehin schon, da man immer, selbst in schnellen Kurven und langsamen Spitzkehren, hinter einem Vorherfahrenden schneller ist als ohne Windschatten.
Abgesehen davon wird es nicht bestraft, wenn man statt eine Schikane zu fahren einfach der schnellsten Sekante folgt. Und es gibt diesen seltsamen Boost; eine Art Push-to-Pass, der die Leistung nicht nur abrupt erhöht, sondern nach dem der Wagen auch so stark abgebremst wird, dass man sich wie im Gegenwind eines Sturms fühlt. Beides ist dem Flow eines Rennspiels nicht besonders zuträglich.
Vor allem aber gehen die Kontrahenten dermaßen rabiat zur Sache, dass von fairem Zweikampf oft keine Rede sein kann. Besonders Gegner, die mich nicht leiden können, ziehen meist wild von links nach rechts und wieder zurück, um dann im „besten“ Fall dermaßen hart in die Eisen zu steigen, dass ich ihnen direkt ins Heck rausche – bevor sie das Ganze mit einem höhnisch grinsenden Emoji kommentieren. Es muss doch nun wirklich nicht jedes Rennen ein Suzuka ‘89 oder Adelaide ‘94 sein!
Zumal die Gegner ohnehin zu jener Sorte gehören, denen vor einigen schnellen Kurven plötzlich ein Stein auf die Bremse fällt, sodass man ihnen nicht gescheit hinterher fahren kann. Nur die Sache mit dem Stimmungsbarometer der Konkurrenten ist von der Idee her natürlich eine gute. Immerhin beeinflusst mein Verhalten auf der Strecke ihre Meinung zu mir und sowohl Erzfeinde als auch Bewunderer fordern einen mitunter zu Duellen heraus.
New Star GP ist für knapp 30 Euro auf Steam sowie für Nintendo Switch, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One und Xbox Series S/X in den entsprechenden Stores erhältlich.
- Nintendo eShop
- Steam
- PlayStation Store
- Xbox Store
- Weitgehend überzeugendes Fahrverhalten mit physikalischen Einflüssen und aktiven Boxenstopps
- Charmante Zeitreise in die Vergangenheit der Formel 1
- Umfassendes Einbeziehen des gesamten Teams sowie persönlicher Beziehungen zu Kollegen und Kontrahenten
- Übermäßig stark umher schlenzende Gegner
- Einige zentrale Rennsport-Elemente nur über Upgrades „zuschaltbar“
- Zu häufige und oft unlogische Entscheidungen über Geld und Gefühlslagen der Teammitglieder
- Unlogischer Windschatten, Boost sowie straffreies Abkürzen
New Star GP besteht nämlich nicht nur aus den Grand Prix‘, sondern auch aus diesen Zweikämpfen sowie Ausscheidungsrennen, bei denen alle paar Sekunden der jeweils Letzte einen Motorrschaden erleidet, und Checkpunktläufen, die an Segas Spielhallenklassiker erinnern. Und in allen verdient man Münzen für das Verbessern des Fahrzeugs.
So ein Wochenende in Monaco, Kanada, Brasilien, Deutschland oder anderen Ländern ist also reich an Abwechslung, wobei alle Herausforderungen optional sind und lediglich dem Verbessern von Team und Auto dienen. Nur der Grand Prix ist verpflichtend, denn erst nach dem beginnt das jeweils nächste Wochenende.
Und trotz allen Meckerns: Die Sonntagsrennen sind zurecht als Höhepunkt eingebunden. Zum einen ist das Fahren für sich genommen nämlich durchaus unterhaltsam, weil das Gewichts des Wagens von der Menge des im Tank befindlichen Benzins abhängt, weil sich Reifen langsam abnutzen, weil Unfälle Schäden verursachen können und weil man nicht zuletzt über die Boxenstrategie bestimmt, bevor man sie im Rennen dann noch selbst ausführt.
Ob ihr also mit drei weichen Reifensätzen oder zwei harten an den Start geht oder euch eine eigene Strategie ausdenkt, ist euch überlassen. Achtet nur auf die Wettervorhersage! Ihr wollt nicht zwei Runden mit Regenreifen auf trockenem Asphalt unterwegs sein.
Nun ist die Fahrphysik weder in Sachen Simulation noch im Bereich Arcade eine herausragende. Allerdings will ich New Star GP zugutehalten, dass einige Kurvenkombinationen (die Streckenverläufe erinnern zwar an ihre Vorbilder, weichen aber an vielen Stellen stark ab) einen feinen Flow haben und dass man Abweiser zwar nutzen sollte, dabei aber aufpassen muss, keinen Dreher hinzulegen.
Ich mag es, dass man an manchen Stellen mit einem gefühlvollen Gasfinger weiter kommt als mit digitalem Beschleunigen und Bremsen, dass sich Reifentypen samt ihrer Abnutzung sowie Wetter und Benzin spürbar aufs Fahren auswirken und dass man im Allgemeinen nicht mit der Brechstange, sondern dem richtigen Maß aus Geduld und Aggressivität aufs Podest fährt.
Wer will, trägt übrigens auch kleine Meisterschaften abseits der Karriere aus und tut das wahlweise zwar ausschließlich offline, aber mit bis zu drei Freunden vor einem Bildschirm. Wenn ich jetzt noch die Musik während der Rennen abschalten dürfte, ohne dabei gleich sämtliche Musik verstummen zu lassen, und den teils idiotischen KI-Rüpeln selbst eine Reihe hämischer Emojis an den Kopf werfen könnte…
New Star GP im Test – Fazit
New Star GP hat es mir nicht leicht gemacht. Auf der einen Seite mag ich die Art und Weise, mit der es verschiedene Aspekte des großen Rennzirkus‘ in sich vereint. Außerdem macht das Fahren selbst Laune, weil man mit einem Gespür für echten Rennsport um die von der Realität inspirierten Strecken kurven muss. Dazu kommen Boxenstopps, in denen man eigenhändig Sprit nachfüllt, Reifen wechselt und eventuelle Schäden repariert – einige Grand Prix‘ waren richtig spannende Veranstaltungen gegen ein schnelles Fahrerfeld.
Auf der anderen Seite haben mich Teile davon aber regelmäßig auf die Palme gebracht. Die kaputt umher schlenzenden Kontrahenten gehen jedenfalls gar nicht! Und auch das ständige Annehmen von Anrufen oder Beantworten von Interviewfragen ist auf Dauer einfach zu viel und zudem nicht immer logisch. Außerdem werden das Windschattenfahren und andere Bestandteile des Rennsports zu sehr verzerrt, als dass ich mich damit wirklich wohl gefühlt hätte. Den Anschluss an die Spitzengruppe kann New Star GP deshalb leider nicht ganz halten.
New Star GP | |
---|---|
PRO | CONTRA |
| |