New World zeigt in der Beta warum es nicht nur was für MMORPG-Fans ist
Statt etlicher Fähigkeiten setzt New World auf den taktischen Waffenkampf und erobert trotz einiger Schwächen die Herzen der Masse.
Meine größte Herausforderung beim Spielen der Beta von New World war nicht etwa ein schwerer Kampf oder das Verstehen des Level-Systems - nein, es war der Weg ins Spiel hinein. Bei meinem ersten Versuch Amazons MMORPG anzuspielen, konnte ich gemütlich meinen Charakter erstellen und ihm einen Namen geben. Obwohl die Anzahl der Spieler in der Testphase limitiert war, musste ich eine Handvoll Vorschläge in das Feld eingeben, bis ich endlich einen freien Namen fand. Das spricht entweder für das Interesse vieler Spieler an der Beta - oder gegen die Kreativität von mir und allen Mittestern.
Aussehen und Name sind im Übrigen im späteren Spielverlauf nicht mehr änderbar. Ihr solltet euch im Editor also gut überlegen, mit welchem Erscheinungsbild ihr die neue Welt entdecken wollt. Eure Anpassungsmöglichkeiten sind dabei durchschnittlich. Ihr habt eine überschaubare Auswahl an Gesichtern und Frisuren und könnt eure Figur mit Narben, Tattoos oder Pigmentflecken schmücken. Auch Brandnarben und Leberflecken existieren neben den klassischen Samurai-Narben am Auge oder quer über die Nase. Insgesamt fällt die Variation doch eher gering aus. Die Gesichter ähneln sich alle sehr und bis auf ein paar verrückte Haarfarben gibt es kaum Merkmale, die euch wirklich aus der Masse herausstechen lassen. Es wäre also definitiv nicht der Zufall des Jahrtausends, wenn ihr im Spiel auf einen Zwilling trefft.
Gerade hatte ich mir meine Kämpferin zusammengebastelt und sie ihrer digitalen Taufe unterzogen wurde der Bildschirm auch schon schwarz. Ein Neustart des Games verriet mir: Ich bin wohl direkt in eine Wartung geraten. Dieses Spiel zog New World noch zwei weitere Male mit mir ab, bis ich es dann einen Tag später endlich schaffte in See zu stechen. Das Festland erreichte ich nach einer kurzen Einleitungssequenz nur wenige Sekunden später und fand mich auf einer düsteren Insel wieder.
Rein in die neue Welt!
Mit einem spielerischen Tutorial, das praktischerweise auch gleich die Belegungen für die Aktionen anzeigte, lässt New World seine Spieler in ein großes Abenteuer starten. Und groß sage ich nicht umsonst, denn das Rollenspiel hat so einiges zu bieten. So etwa die bunt gemischte Welt, die euch schöne Berglandschaften, weite Wälder, wuselige Städte und düstere Dungeons sowie ein Setting irgendwo zwischen Mittelalter, Fantasy und Piraten. Es ist also für jeden etwas dabei. Wenn ihr mich allerdings fragen würdet, ob man die Welt von New World mit einem Wort beschreiben kann, lautet die Antwort ganz klar "nein".
Als Mitglied einer der drei Fraktionen, die alle unterschiedliche Überzeugungen und Kampfstile bieten, könnt ihr euch im Handwerk ausbilden, Festungen und Land für eure Fraktion erobern und verteidigen (hier kommt später dann PvP ins Spiel). Mit unzähligen Quests versuchen die Fraktionen auf ihre Weise mehr über das mysteriöse Mineral Azoth herauszufinden - ich habe mich zu diesem Zweck dem Syndikat angeschlossen. Einem Haufen cooler, aber auch wunderlicher Alchemisten, die versuchen das unsterblich machende Material aus wissenschaftliche Weise zu erforschen. Natürlich könnt ihr auch den kämpferischen Marodeuren oder dem gläubigen Bündnis beitreten.
Anfangs macht sich die Lore etwas rar - klar, ihr müsst ja auch erstmal die Welt kennenlernen, alle wichtigen Personen dazu und euch langsam in eure Aufgaben einarbeiten. Ein paar Buchseiten, die ihr während eurer Missionen findet, geben euch Einblicke in die Welt vor New World und ihren seltsamen Anomalien. Dabei hält sich der Humor etwas in Grenzen. Hier und da haut euer Questgeber mal einen lockeren Spruch raus, echtes Comedy-Potenzial hat eure Reise aber nicht. Immerhin Kämpfen hier drei Fraktionen um die Macht des mysteriösen Materials. Eure Aufgabe dabei ist es, gemeinsam mit eurer Fraktion die Gebiete von New World einzunehmen. Dadurch entsteht ein dynamisches Spielerlebnis, das viel Zeit von euch abverlangt, wenn ihr wirklich etwas reißen wollt. Weit in der Geschichte bin ich an nur einem Wochenende jedenfalls nicht gekommen.
In der Welt habe ich mich trotz fehlender Minimap und meinem gruselig schlechten Orientierungssinn ganz gut zurechtgefunden. Ein horizontaler Kompass am oberen Bildrand zeigt euch an wo lang ihr müsst und wie viele Meter euch zum Ziel fehlen. Wie soll man sich da denn verlaufen? Besonders gefallen hat mir der automatische Laufmodus, bei dem ihr euren Charakter einfach nur mit der Maus lenken müsst und eine Hand frei habt, um auf dem Weg zur nächsten Mission einmal aufs Handy zu schauen. Einen Blick in euer Inventar könnt ihr während dem Laufen allerdings nicht werfen, denn von Multitasking oder Zeitmanagement hat eure Figur wohl noch nie etwas gehört und muss stehen bleiben, um Ausrüstung und Beute hin- und herzuschieben. Naja, geht besser - vor allem da euch die anfänglichen Quests viel Gelaufe und Gerede abverlangen.
Greift zu den Waffen! - Fähigkeiten werden eh überbewertet
Egal ob gegen süße Hasen oder bleiche Leichen, gekämpft wird ab Minute eins und das Stechen, Schlagen und Zaubern in guter alter Action-Manier wird neben lästigen Laufwegen und langwierigem Holzhacken zu eurer primären Beschäftigung. Aktiv könnt ihr mit einer eurer beiden ausgerüsteten Waffen auf die Gegner einprügeln, während diese sich zur Wehr setzen. Mit steigendem Level werden sie zunehmend stärker und können euch zu zweit oder dritt ordentlich auf die Mütze geben. Manchmal schalten sie aber auch den Microsoft-Edge-Modus an und reagieren erst nach zwei Schlägen auf eure bedrohliche Präsenz. Allgemein sehen die Bewegungen etwas hakelig und unsauber aus. Schade eigentlich, denn optisch braucht sich New World sonst wirklich nicht zu verstecken.
Nachdem mich das überladene Kampfsystem in World of WarCraft vor einigen Jahren als MMORPG-Neuling gnadenlos überforderte, habe ich mich in Amazons Rollenspiel viel schneller zurechtgefunden. Das wird wohl an dem starken Fokus auf den Waffen liegen. Fähigkeiten könnt ihr für Schwert, Axt, Hammer, Eishandschuhe und magische Stäbe zwar freischalten, das taktische Einsetzen der Angriffe, Blocks und Ausweichrollen ist für den Sieg jedoch viel entscheidender. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, bleibt am Ende eine Geschmackssache.
Falls sich jemand sorgen über die Tiefe des Kampfsystems macht: Schläge einfach zu spammen führt euch zu nichts außer viel vermeidbarem Schaden. Erst denken, dann Schlagen oder so. Hiebe, Schläge und sonstige Treffer haben dabei ein dumpfes haptisches und auditives Feedback, das für mein Gefühl ein wenig mehr Wumms vertragen könnte.
Was ich noch loben muss, ist die deutsche Vertonung von New World. Die Sprecher klingen nicht, als hätte man zufälligen Personen auf der Straße 50 Euro in die Hand gedrückt - hier sind wirklich gekonnte Profis am Werk. Auch der Shop, der in der Beta bereits in abgespeckter Version vorhanden war, zeigt keine Anzeichen von Pay-to-win. Alle käuflichen Gegenstände sind derzeit rein kosmetischer Natur - so wie es der Entwickler bereits angekündigt hatte. Um das Spiel nach Release zu zocken, ist lediglich der einmalige Kauf von New Worlds Standard-Edition erforderlich.
New World von Amazon Games erscheint am 31. August für den PC und kostet 39,99 Euro. Auf Steam könnt ihr das Abenteuer bereits jetzt vorbestellen oder es im Zweifelsfall eurer Wunschliste hinzufügen.
Insgesamt wirkt New World trotz einiger Schwächen, die vielleicht bis zum Release am 31. August ein wenig begradigt werden, wie ein nettes Gesamtpaket für alle Spieler, die ein wenig mehr Geduld beim Grinden aufbringen als ich. Der größte Knackpunkt, mit dem das MMORPG sowohl Spieler überzeugen als auch abschrecken kann, ist das Kampfsystem. Wem eine größtmögliche Vielzahl von Fähigkeiten wichtig ist, wird vermutlich nicht mit New World glücklich. Alle, die mal eine Verschnaufpause von WoW brauchen, können in diesem Spiel sicher eine nette Abwechslung zwischen Waffen und Meer finden. Für Genre-Quereinsteiger ist das MMO mit seinen überschaubaren, aber trotzdem taktisch halbwegs anspruchsvollen Kämpfen ebenfalls eine gute Adresse.