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Nier: Automata: Become as Gods - Test: Außerweltlicher Reifeprozess

Die so offensichtliche unsichtbare Welt jenseits Questmarkers

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Schöne Xbox-Umsetzung. Ein Spiel, das mehr zu sagen hat, als seine vielen Worte ausdrücken können.

Kleine Korrektur nötig: Es ist doch herausragend. Nein, nicht nur auf der Xbox. Nicht nur in der "Become as Gods"-Edition, auch wenn die sicher nicht schadet. Generell. Aber Martin, wie kannst Du nur?! Von der ursprünglichen Einschätzung abweichen! Das geht ja nun gar nicht! ... Doch. Ist kein Problem. Hier aber erst einmal zum ursprünglichen Test, der euch viel über das Gameplay von Nier: Automata verrät, damit ihr wisst, worum es geht (solltet ihr nicht bereits zu den glücklichen Käufern gehören).

Was also ist los? Hatte ich Nier: Automata an einem schlechten Tag erwischt, es deshalb als gut und ungewöhnlich, aber nicht auf dem kreativen Level seines Vorgängers empfunden? Nein, all diese Dinge denke ich immer noch. Als Spiel ist es "nur" gut. Es ist definitiv ungewöhnlich, aber dazu gleich noch mehr. Und sein Vorgänger hatte halt den Segen des Erstgeborenen und der größtmöglichen Überraschung, was man alles so unter sagen wir mal "Action-Adventure" verbuchen kann.

Nier: Automata: Become as Gods - Test: Hey, ich bin hier zu beschäftigt, um mich um die Atmosphäre jenseits der Bullet Hell zu scheren.

Nier: Automata wirkt im Vergleich aufgeräumter und konkreter, selbst mit seinen erzählerischen Eigenheiten - ihr spiel es drei Mal durch, drei Mal durchaus unterschiedlich und danach wisst ihr, was das Spiel zu sagen hatte. Nicht vorher, lasst euch auf keinen Fall von der ersten, gerade zum Ende hin enttäuschenden Runde einlullen, da kommt noch eine Menge. Das ist dann auch der Stoff, aus dem man in deutlich jüngeren Jahren Philosophien über das Universum entwerfen kann, die einem total "deep" vorkommen. Hatte ich auch, hatte jeder von uns, auf die eine oder andere Art, in diesem oder jenem Medium. Nier: Automata ist sicher nicht die schlechteste Art, einen solchen Flash zu haben, der die Gepflogenheiten des Mediums ein wenig auf den Kopf stellt.

Das dürfte es auch sein, was für mich Automata wie eine zum Erfolg verdammte Bonus-Runde wirken ließ. Ich hatte wohl erwartet, dass alles noch mal überrascht, so wie es die damals die spontanen Wechsel in 2D waren, der Ausflug in die auf der 360 etwas unerwartete Welt des Text-Adventures. Ja, Automata hat auch solche Einsprengsel in das Gameplay, aber die waren nicht sein Hauptfokus. Ich bin mit nicht einmal sicher, ob es die Geschichte ist, auch wenn sie natürlich ihre Bedeutung für alles hat. Ich denke, was mich jetzt beim mittlerweile fünften Durchgang am meisten fasziniert, ist es, dass die Stimmung sich nicht abnutzt.

Nier: Automata: Become as Gods - Test: They sure are, buddy ...

Wie ein Dark Souls in seiner Umwelt unerklärte Elemente platziert, die nicht nur cool aussehen, sondern durch sie eine unerzählte Geschichte wirken lässt, so schafft Automata diesen Eindruck mit Arealen und Landschaften. Diese sind genaugenommen winzig, im Vergleich zu modernen, echten Open-Worldern kaum der Rede wert. Sie sind nicht mal technisch spektakulär, wenn wir schon bei From-Software-Vergleichen sind, dann wirkt vieles hier wie ein früher Titel von denen. Um nicht unfair zu sein, das hat schon seinen 60-FPS-Sinn, aber dennoch. Und trotzdem: Der außerweltliche, fremdartige Charme, der von vielen Orten und Bewohnern ausgeht, lässt sich nicht verleugnen, er hat Bestand und ist etwas, das fast so ungewöhnlich ist, wie es die Gameplay-Eskapaden des Vorgängers waren. So etwas passiert nicht alle Nase lang und praktisch gar nicht in einem Spiel, mit diesen durchaus soliden Produktionskosten und diesem Grad an Politur.

Es lässt sich nicht direkt mit der fremdartigen Atmosphäre zum Beispiel der Team-ICO-Spiele vergleichen, die in ihren visuellen Umsetzungen zwar auf ähnlich reduzierte, oft matte Farben setzen und ein Gefühl von Einsamkeit erzeugen. In diesem Titeln hat man als Spieler mit seiner Figur das Gefühl, ein Teil dieser Welt zu sein, auf die richtige Weise mit ihr zu interagieren und es gibt für sie keinen anderen Ort. In Nier: Automata hat man das Gefühl eines Fremdkörpers, der ein unbekanntes Universum ergründet, das er nie vollständig erfassen kann. Das ist inhaltlich teilweise sicher auch so angestrebt, aber der Eindruck geht über das simpel Erzählerische hinaus. Es ist ein Glücksgriff in Sachen Art-Design, der dieses Spiel aus einer parallelen Welt gerissen zu haben scheint, in der man als Besucher nur das Gefühl haben kann, dass etwas "off" ist.

Nier: Automata: Become as Gods - Test: Keine Frage, da habt ihr wohl recht.

Spiele versetzen uns oft in fremdartige, ferne Welten. Oft auch solche, die weit weniger Bezug zu unserer haben sollen, als es bei dieser der Fall ist. In seinen besten Momenten schaffte Silent Hill das auf einer Horror-Ebene, in der vertraute Elemente, Stoffe der Realität und Klänge gerade so weit verschoben wurden, dass es ähnlichen Effekt hatte. Ein Schweben durch eine unerklärliche Existenz, in der man Dinge tut, um einen Weg zu finden, aber weiß, dass man im Jetzt nie ganz ankommen kann. Mass Effekt oder Witcher mögen Lichtjahre, Welten und Jahrtausende entfernt sein, sind uns so viel näher als alles, was durch das Loch in der Wirklichkeit gezeigt wird, das Automata für euch in eurem TV-Screen aufreißt.

Und ja, dieser Eindruck muss sich erst setzen. Anfangs werdet ihr zu sehr mit dem Gameplay beschäftigt sein. Das Kampfsystem ist halt Platinum Games, das Treasure unserer Zeit - zumindest an ihren guten Tagen und Nier: Automata war einer davon. Ihr schnetzelt und ballert und levelt und der Flow, der euch durch die Geschichte trägt, passt einfach. Es gibt Schwächen in den Systemen, ich denke vor allem, dass sich der Fernkampf nach wie vor zu leicht ausnutzen lässt. Aber trotzdem, alles in dieser Richtung ist so gut gestaltet, dass es euch an den unterschwelligen, fremdartigen Vibes in den ersten Durchgängen vorbeitragen kann. Es gibt nichts Mächtigeres als den nächsten blinkenden Questmarker, um einen das Banale verfolgen zu lassen, statt dem Außergewöhnlichen eine Chance zu geben.

Dieses Video ist ausdrücklich ein vom Publisher genannter Teil des '3C3C1D119440927'-DLC. Der Himmel weiß warum.Auf YouTube ansehen

Und dazu gehört hier auch ganz sicher der Soundtrack. Sicher, der fällt auch beim ersten Spielen direkt auf, aber ich kann euch nur raten, euch einfach mal in Ruhe ingame hinzusetzen und der Jukebox im Basislager zu lauschen. Oder noch besser, ihr gönnt euch den Soundtrack und genießt die Songs pur. Fahrt durch die ländliche Nacht und hört Nier: Automata. Ihr werdet neue Eindrücke davon zurück in das Spiel tragen, so wie das Spiel zuvor das Spiel etwas in eine alltägliche Tätigkeit hat einfließen lassen. Musik verändert grundsätzliche persönliche Ereignisse, egal ob banal oder außergewöhnlich, aber nur wenige Soundtracks greifen auf so zarte Art so fest zu, wenn es um einen bleibenden und sich entwickelnden Eindruck geht. Das liegt aber auch daran, dass im Vergleich zur Komplexität dieses Soundtracks auch in Japan sonst oft nicht so viel jenseits von Möchtegern-Hollywood-Wucht passiert.

Um die Pflicht zu erfüllen: Die "Become as Gods" Edition enthält ein paar sinnlose digitale Goodies in Form von Farben für euren schwebenden Begleiter, vor allem aber den etwas belanglosen DLC mit dem griffigen Namen "3C3C1D119440927". Es ist eine Art Action-Bonus-Arena, die wenig mit irgendwas zu tun hat, ganz spaßig ist und es würde nicht auffallen, wenn es nicht existieren würde. Nein, kein Fan und ich glaube nicht, dass sich das groß ändert. Aber hey, vielleicht mögt ihr das Fan-Service-Outfit für 2B. Wichtiger ist 4K und HDR und ja, es hat sich zumindest ein wenig was in der technischen Qualität getan. Gespielt auf einer One X hatte ich den Eindruck, dass dies durchgehend etwas hübscher ist, aber auch die PS4- und PC-Versionen haben ihre Patches bekommen, insoweit würde ich das nicht ganz auf die neue Plattform schieben. Sagen wir es so: Wenn ihr das Spiel habt, dann ist der vielleicht oder vielleicht auch nicht vorhandene grafische Vorsprung der Xbox ganz sicher kein Grund noch mal Geld auszugeben.

Nier: Automata: Become as Gods - Test: Hm, hier war ich ja noch nie. Johnny Mnemonic, anyone?

Bin ich jetzt irgendwie getroffen, dass ich Nier am Anfang noch nicht ganz seine Außergewöhnlichkeit zugestehen wollte? Nö, wird mich jetzt keinen Schlaf kosten. Nier: Automata ist wie eine gute Flasche Wein. Man kann sie nicht einfach öffnen, ins Glas kippen und sofort das beste Ergebnis erwarten. Dazu war der Vorgänger zu weit jenseits der Spur und jeder Nachfolger musste in Erwartung eines zweiten Urknalls dieser Art erst mal scheitern. Aber - Nier: Automata hat seine Werte, die nicht unbedingt verborgen sind, aber ein wenig sacken müssen. Ja, das ist ein spaßiges Kampfsystem. Ja, da gibt es eine Story, die ganz niedlich in drei Akten daherkommt. Aber dahinter liegt die wahre Größe, offensichtlich die ganze Zeit und doch verborgen. Eine außerweltliche Präsenz im übergreifenden Artdesign, die sich mit der Zeit nicht legt, sondern verstärkt. Ihr denkt, dass ihr ihr irgendwann ankommt und doch tut ihr das scheinbar nie wirklich. Es bleibt immer ein wenig unscharf jenseits der Wirklichkeit und um das zu erfahren muss man den Blick erst einmal jenseits des Questmarkers richten. Das dauert manchmal etwas.


Entwickler/Publisher: Platinum Games / Square Enix - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: ca. 50 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: Xbox One X


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