NIER
The End is NIER!
Die Stärken von NIER liegen im durchaus schwarzen Humor des Spiels und auch im guten Design der Boss-Gegner. Letztere können mitunter haushoch sein und sehen meistens verdammt gut aus. Greift euch erst einmal so ein Bursche an, geratet ihr ordentlich ins Schwitzen. Die Entwickler haben sich hier einiges einfallen lassen und durften sich offenbar austoben. So ein riesiger Schatten-Skorpion, der statt eines Stachels mit einer Hand angreift, ist definitiv ein Hingucker.
Euer ständiger Begleiter hingegen ist ein sprechendes Buch, dem ihr nach kurzer Spielzeit begegnet. Richtig gelesen: ein Buch! Wem bereits der sprechende Hut aus Harry Potter suspekt vorkam, wird bei der Textnachricht „Das mysteriöse Buch hat sich dir angeschlossen“ vermutlich seinen Glauben an die Menschheit verlieren. Da bekommt die Redensart, jemand „Spricht wie ein Buch“ jedenfalls eine völlig neue Bedeutung.
Besagte Laber-Schwarte namens Grimoire Weiss schwebt fortan neben eurem Held und mischt auf Wunsch bei den Kämpfen mit – die „Dunkle Hand“ zermalmt Feinde zum Beispiel per Faustschlag und durch „Dunkle Fressgier“ absorbiert ihr gegnerische Energiebälle und schleudert sie zum Absender zurück. Dummerweise ist das schlecht gelaunte Buch ein wenig vergesslich und ihr erhaltet auf die Zauber erst Zugriff, wenn ihr versiegelte Verse erbeutet.
Schneller fortbewegen könnt ihr euch, wenn ihr einen wilden Eber besiegt und ihm einen Hauer zieht. Mit einem Pfiff ruft ihr fortan seine Artgenossen, die sich von euch für einen Ritt im Schweinsgalopp besteigen lassen. Herrlich. Wenn ihr pfeift, kommen übrigens auch andere Tiere in eure Nähe. Auf einer Weide wirkt ihr mit einer Herde Schafe und Ziegen, die um euch herumstehen und euch anglotzen, wie der Rattenfänger von Hameln.
„Ich reiß dir die Augen aus dem Schädel und piss dir in die Löcher“, brüllt Kaine, eine streitbare Begleiterin in Negligé und Strapsen, die die Entwickler mit einem losen Mundwerk ausgestattet haben. „Im Vergleich zur Konkurrenz sind einige Charaktere wirklich anders“, formuliert es Saito-san. „Ich weiß nicht, wie der Fall in Deutschland liegt, aber in einigen Ländern wie den Vereinigten Staaten und England ist unsere Nebenfigur Kaine einer der am meisten diskutierten Charaktere. Sie flucht eine Menge und wirkt wie ein verrücktes Mädchen. Verfolgst du die Geschichte jedoch weiter, entdeckst du ihre weiche, empfindsame Seite.“
Viele Gespräche in NIER sind nur rudimentär vertont. Unterhalten sich die Hauptfiguren zumindest noch auf Englisch (mit deutschen Untertiteln), verzichtet das Spiel bei Nebencharakteren auf Sprachausgabe. Sehr schade, denn das zehrt ein wenig an der Atmosphäre. Die musikalischen Themen wechseln häufig und pendeln zwischen epischen Klängen, New Age, J-Pop und Rock. Die Gesänge klingen manchmal fast wie alte Werke der irischen Musikgruppe Clannad, falls die einer von euch kennt.
Nachdem ich also bereits in Venetica einem sogenannten Grimoire hinterhergehechelt bin, stoße ich in NIER schon wieder auf so einen magischen Schinken. Zum Glück steht Grimoire Weiss auf meiner Seite und entpuppt sich als nützlicher und mit Humor gesegneter Geselle. Die Charaktere markieren ohnehin den dicksten Pluspunkt des Spiels. Nicht nur, dass es jede Menge ansehlicher Bosse gibt, man will einfach wissen, wie es mit den Figuren weitergeht. Schafft man es, die tödliche Runenpest von Yonah zu heilen, was passiert mit Kaine, was hat es mit dem Grimoire auf sich?
Nur grafisch hinkt NIER zumindest der westlichen Konkurrenz hinterher. Daran wird sich auch nichts mehr ändern bis das Spiel erscheint.Doch da sich NIER wirklich sehr flüssig spielt, juckt das im Endeffekt kaum: Manchmal kommt es eben tatsächlich auf die inneren Werte an. Die Frage, die sich aktuell noch nicht beantworten lässt, lautet daher: Hält das Spiel sein Niveau auch bis zum Schluss? Wir werden sehen ...
NIER soll am 24. April 2010 für PlayStation 3 und Xbox 360 erscheinen. Voraussichtlich Montag solltet ihr wieder vorbeischauen, für diesen Tag haben wir ein Interview mit Produzent Yosuke Saito für euch vorbereitet.