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Ninety-Nine Nights 2

Ach, wenn ich doch nochmal jung wäre...

Die Bosskämpfe leiden zwar stellenweise auch unter der schon oben beschriebenen Unfairness, reizen indes doch, da sie nicht nur knüppelhart, sondern auch groß angelegt wurden. Groß im Sinne von „Man, das ist ja ganz schön groß, das Vieh...". Ja, man beißt in das Pad, spätestens auf Hart, aber man startet sofort die nächste Runde. Auch weil man erst danach speichern kann. Mehr aber noch, weil der Kampf selbst Spaß macht. Und dann ist da natürlich das Hochleveln.

Wo gelevelt wird, da lass dich ruhig nieder, nur böse Helden sammeln nicht für das nächste Mieder. Beschwerden wegen dieses physisch schmerzhaften Reimes bitte direkt als PM an mich. Aber da steckt eine gewisse Wahrheit dahinter, denn selbst ein unmotivierter Mob wird mit einem Gefühl von Zufriedenheit gekillt, solange er nur ein paar Punkte spendiert, die man in eine Levelsteigerung des Helden, der Waffen oder der Fertigkeiten investiert. Nur dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Leveln sich zu wenig fühlen lassen, stößt sauer auf. Auch, dass es zwar fünf Helden mit fünf leicht differierenden Geschichten gibt, diese sich jedoch von ihren Kampfstilen nur marginal unterscheiden und keine Variation der Taktik nötig wird, begeistert kaum. Ob nun etwas stärker oder doch lieber ein wenig schwächer und schneller beeinflusst den Ablauf der Gefechte weit weniger als es die abwechselnden Helden in den KOEIs taten. Zumal die eigentliche Handlung so banal bleibt, dass es einfach nur fasziniert.

Ein nettes Königreich wird von einem bösen Herrscher bedroht. Große Helden treten auf und treten dem Kerl ordentlich in den Hintern. Das wars. Sicher, Herr der Ringe macht auch nicht viel anderes. Selbst eine Copycat wie Eragon wurde mit so einem Plot zum Erfolg. Nur wirkt das hier, trotz einiger halbwegs sympathischer Figuren, einfach sehr dünn und vor allem lieblos, zumal die Spielzeit mit allen Figuren sich locker an die 30 Stunden streckt. Solange reichen Frustmomente und Massenschlachten gegen Hirntote nicht, selbst wenn man ständig irgendwas hochleveln kann. Die verschiedenen Geschichten hätten hier helfen können. Leider ist nicht zu stören alles, was sie am Ende hinbekommen.

Der Multiplayer kann zumindest für kurze Zeit als Abwechslung dienen. Es sind bekannte Arenen, es gibt keinen echten Koop-Modus und Horde um Horde zu bewältigen, nur um noch mehr Punkte zu sammeln, scheint beschränkt. Ist es auch. Und macht trotzdem für ein Weilchen Spaß. Verdammte Level-Sucht. Und zu zweit macht fast alles mehr Laune. Also schlachtet man ein Weilchen vor sich hin, bevor die existenzielle Frage nach dem „Warum eigentlich?" übermächtig zu werden droht. Wenigstens nimmt man seinen Solo-Spiel-Helden mit in diesen Gauntlet und darf die im Multiplayer gesammelten Erfahrungspunkte behalten. Auf diese Weise ist Spielzeit hier nie vergeudete Zeit. Ihr dürft halt nur nicht das auf XP-Gier beschränkte Mindset des gestählten Gamers verlassen.

Ninety-Nine Nights 2 - E3-Trailer

Und jetzt? Nach mehr als 20 Stunden, Millionen getöteter, gesichtsloser und schon zuvor geistig geflatlineter Horror aus der Hölle, diversen Weltrettungen, bis an die Schmerzgrenze gehenden Frustmomenten und epochalen Siegen gegen Riesen und Giganten? Wünschte ich, dass ich noch einmal 16, nerdig und weit Metal-begeisterter sein könnte. Zumindest für die Zeit mit Ninety-Nine Nights II. Dann nämlich wäre dies das beste Spiel aller Zeiten. Eine Spielwelt, so generisch wie eben viele dieser Metal-Cover, die Geschichte bekannt aus jedem Fantasybuch dieser Welt, Helden mit dicken Schwertern und Massen an Schlachtvieh, dazu Blind Guardian. Himmel im Laufwerk.

Bin aber nicht mehr 16. N3II versucht nicht einmal, seine Mittelmäßigkeit in allen Belangen großartig hinter irgendetwas zu verstecken. Sicher, die Bosse sind nett, es spielt sich einfach nicht schlecht und passagenweise lässt sich das Massenmassaker an unmotivierten Evil-Schaufensterpuppen auch als stumpfe Aggressionstherapie begreifen. Der Schwierigkeitsgrad wird durch Momente absoluter Unfairness hochgehalten. Der eigentliche Soundtrack gehört in die belangloseste Pseudo-Fantasy-Epik-Schublade. Das Speicher- und Rücksetzsystem kann man nur mit gutem Willen als zumindest archaisch bezeichnen. Der Wunsch nach einem Feind, dessen KI nicht abgeschaltet wurde, wird mit jeder Stunde größer. Gut, dass es viel zu sehen und noch mehr zu leveln gibt. Auch eine Existenzgrundlage, wenn auch eine bescheidene.

Eines muss man aber der Fairness halber dazusagen: Der Preis ist so niedrig, dass man Genre-Fans fast automatisch zu dem Spiel raten möchte. Fast. Über technische Defizite kann ich angesichts eines niedrigen Preises hinwegschauen und auch über geringeren Umfang. N3II hat keines dieser Probleme und seine spielerischen Mängel bleiben bestehen, auch wenn das Preisschild sehr freundliche 25 Euro ausweist. Es kostet weniger, die guten Seiten des Spiels zu erleben. Das ist gut. Deshalb machen die Schlechten aber noch lange nicht mehr Spaß.

Sucht es euch also aus.

Variante 1: Metal + Fantasy + Schwerter = TOTAL AWESOMENESS!

Variante 2: Sehr mittelmäßiger Massenschlachter mit ein paar netten und weniger netten Aspekten, die sich gegenseitig praktisch negieren und zurück in die Arme der Durchschnittlichkeit führen.

Ninety-Nine Nights II bleibt der Xbox 360 vorbehalten und wird für erstaunlich günstige 25 Euro verkauft.

5 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Ninety-Nine Nights 2

Xbox 360

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