Ninja Gaiden 3 - Test
Fast-Food Ninja
Unter Kennern der Materie wird Ninja Gaiden auf der Xbox bis heute als eines der besten Actionspiele aller Zeiten gehandelt. Die lang erwartete Rückkehr von 8Bit-Held Ryu Hayabusa gilt als Triumph anspruchsvollen Spieldesigns. Wo sich Dante, Kratos und Co. oft durch ganze Hundertschaften von billigem Kanonenfutter metzeln, da ist jede Feindbegegnung in Ninja Gaiden eine echte Bedrohung. Wer das elegante Ballett aus Angreifen, Ausweichen und Kontern nicht beherrscht, wer kopflos voranstürmt oder seine Verteidigung vernachlässigt, der sieht schneller den Game-Over-Bildschirm, als ihm lieb ist.
Die Einstiegshürde von Ninja Gaiden ist zwar weitaus höher als die eines God of War, doch wer sie erst einmal genommen hat, der erlebt ein Action-Abenteuer wie im Bilderbuch. Jeder Erfolg ist hart erkämpft und fühlt sich daher viel süßer und motivierender an, als die oft nachgeworfenen Siege der Konkurrenz. Mit diesem Rezept kann ein guter Entwickler eine ebenso treue wie begeisterte Fangemeinde heranzüchten, mit dem Erfolg bei der breiten Masse wird es dagegen eher schwierig. Daran liegt es dann wohl, dass die erste Episode von Ninja Gaiden nach dem Weggang von Team-Ninja-Chef Tomonobu Itagaki eine völlig neue Richtung einschlägt, spielerisch und inhaltlich.
Kurz gesagt: Auch Ninja Gaiden folgt jetzt dem Muster der Kanonenfutter-Kämpfe. Der gemeine Standardgegner stellt für Hauptfigur Ryu Hayabusa praktisch keine Bedrohung mehr da. Mit schnellen oder harten Attacken metzelt der sich durch Dutzendschaften an Widersachern. Viele Kämpfe enden in kurzen Quick-Time-Events und selbst, wenn ein Gegner mal die Dreistigkeit haben sollte, zu blocken, dann stört euch das nicht sonderlich. Ihr haut einfach weiter drauf, irgendwann wird er schon klein beigeben. Nicht einmal mehr die Bosse können sonderlich fordern. Ein wenig Deckung, ein wenig ausweichen und ansonsten immer kräftig drauf. Mehr ist nur ganz, ganz selten nötig.
Die spielerische Vielfalt bleibt dabei größtenteils auf der Strecke. Wo ihr euch in den Vorgängern regelmäßig über neue Waffen wie Kampfstäbe, Klauen oder wirbelnde Nunchaku freuen konntet, bleibt Ryu hier seinem Schwert treu. Lediglich Bogen und Kunai-Wurfmesser sorgen für etwas Abwechslung. Für spielerische Würze sollen jetzt Quick-Time-Events sorgen, ein Plan, der nur sehr bedingt aufgeht. Und spätestens jetzt ist Misstrauen angesagt. Die so sehnlichst vermissten Waffen sollen demnächst als Download-Content erhältlich sein ... dazu denkt sich jetzt jeder seinen Teil bitteschön selbst.
Inhaltlich ist es vor allem eine gewisse Unentschlossenheit, die Ninja Gaiden 3 auszeichnet. Team Ninja wollte die Gewalt des direkten Vorgängers ein wenig zurück fahren und rein quantitativ haben die Japaner das auch getan. Es fliegen keine Köpfe, Gegner behalten ihre Arme und Beine und die extremen Blutfontänen von Ninja Gaiden 2 gehören ebenfalls der Vergangenheit an. Trotzdem aber fühlt sich Teil 3 brutaler als Teil 2 an. Die Gewalt ist fühlbarer, direkter, unmittelbarer. Sie ist realistischer und damit weitaus unangenehmer. Wo der Vorgänger völlig überzeichnet war und dadurch stets eine Distanz zum eigentlich ja unfassbar brutalen Geschehen auf dem Bildschirm aufbaute, wo die Blutfontänen eher an Stilmittel des japanischen Kabuki-Theaters, als an die realistische Darstellung eines echten Schwertkampfs angelehnt waren, da ist das neue Ninja Gaiden weitaus unangenehmer.
Wenn die Klinge auf einen Knochen trifft, dann muss der durch Buttonmashing durchtrennt werden. Gegner flehen um ihr Leben und taumeln teilweise noch schwer getroffen umher, bis Ryu ihnen den Rest gibt. Früh im Spiel erlebt ihr ein gescriptetes Event, in dem der letzte übrige Gegner um sein Leben fleht. Er habe den Job nur genommen, weil er das Geld brauchte, seine Tochter warte zu Hause auf ihn ... doch ihr habt keine Wahl. Alles, was das Spiel euch erlaubt ist, auf den Gegner zuzugehen und ihm in einer unangenehm langen Sequenz das Schwert in den Körper zu schlagen. Offensichtlich soll hier Ryus moralisch fragwürdige Existenz als Ninja thematisiert werden.
Eine solche Sequenz kann funktionieren - hier tut sie es aber nicht. Ihr habt gemeinsam mit Ryu kurz zuvor noch Dutzende anderer Soldaten zerschnetzelt und auch nach dieser Szene wird Ryu unzählige Gegenspieler töten. Das ist es dann auch, was Ninja Gaiden 3 zumindest für manche Spieler so unangenehm macht. Das Spiel versucht, sich selbst zu hinterfragen, irgendwie will das aber nie gelingen und für den anspruchsvollen Spieler ist nicht gerade schön, diese gescheiterten Versuche mitzuerleben. Da war der Vorgänger doch weitaus unproblematischer, stellte der doch von der ersten Sekunde an klar, dass es hier einfach nur um Spaß, um albern-überzeichnetes Gemetzel und eine spielerisch anspruchsvolle Flucht vor dem grauen Alltag ging.
"Das Spiel versucht, sich selbst zu hinterfragen, irgendwie will das aber nie gelingen und für den anspruchsvollen Spieler ist nicht gerade schön, diese gescheiterten Versuche mitzuerleben."
Das klingt jetzt alles ganz schön negativ, dabei ist Ninja Gaiden 3 eigentlich gar kein so schlechtes Spiel. Grafisch ist es immer noch überdurchschnittlich, die Kämpfe fühlen sich schnell, hart und dynamisch an und auch der Umfang kann sich sehen lassen. Oft habt ihr zwar nicht so wirklich das Gefühl, das wilde Geschehen auf dem Bildschirm tatsächlich zu kontrollieren, trotzdem kann die Action schon mitreißen. Nur legt der Kenner an ein Spiel mit dem Namen Ninja Gaiden eben ziemlich hohe Maßstäbe an. Trotz der oft ziemlich problematischen Kamera gilt die erste Episode (und das Update Ninja Gaiden Black) wie eingangs schon erwähnt zu den besten 3D-Actionspielen überhaupt. Da erwartet man von einem Nachfolger einfach mehr, als nur ein spielerisch ordentliches, aber eben auch ausgesprochen simples und auf offenbar stark auf den Massenmarkt zugeschnittenes Durchschnitts-Gemetzel.
Daher bin ich auch sehr skeptisch, ob die Rechnung von Team Ninja aufgeht. Der Serienfan ist von der stark eingeschränkten Waffenauswahl, den oft anspruchslosen Kämpfen und den zahlreichen Quick-Time-Events enttäuscht. Der Durchschnittsspieler greift ohnehin lieber zu Sonys glatzköpfigem Kriegsgott. Die letzten Endes eher halbherzig implementierten und inhaltlich fragwürdigen Reflexionen zum Thema Gewalt und Moral hinterlassen einen recht schalen Eindruck.
Ryus Rettung ist schließlich doch das gute Spielgefühl. Der Ninja steuert sich schnell und direkt, seine Aktionen fühlen sich kraftvoll und trotzdem elegant an. Könnt ihr euch auf die Vereinfachungen im Vergleich zum Vorgänger einlassen oder wollt ihr einfach nur ein wenig anspruchslos metzeln, dann erfüllt Ninja Gaiden 3 schon seinen Zweck. Ich für meinen Teil bin aber nicht bereit, mich damit zufriedenzugeben. Ich weiß, dass Team Ninja mehr kann, und hoffe jetzt inständig, dass Ninja Gaiden 3 nicht das letzte Abenteuer von Ryu Hayabusa war und er bei seinem nächsten Auftritt wieder zu alter Form zurückfindet.
Ninja Gaiden 3 ist für Xbox 360 und PlayStation 3 erhältlich.