Nintendo Land – Test
Das ist kein Wii Sports, so viel steht schon mal fest. Mehr etwas für... Videospieler.
Das war jetzt wirklich keine Liebe auf den ersten Blick. Meine erste Stunde mit Nintendo Land war kein Vergnügen. Das Spiel musste viele Flüche ertragen, weil ich die unmenschliche Stimme des schlimmsten CPU-Avatars seit Jahren erleiden musste. Der emotionslose Strichmännchen-Bildschirm mit der toten Roboterstimme, der/die/das sich Monita schimpft, ging mir so was von auf den Kranz, ihr könnt es euch kaum vorstellen. Aber dann wurden nach und nach endlich die Leinen losgelassen, die Spiele waren einfach so anwählbar, und auch wenn Monita sein unsägliches „Moni-Moni“-Geblubber nicht ganz unterließ - Billy-Idol-Witz bitte hier einsetzen - begann für mich der Spaß dann doch endlich. Und es wurde mehr und mehr. So viel, dass ich nach einigen Stunden fast widerwillig zu einem anderen Spiel wechselte und mich sogar auf den Abend freute, wo ich dann mit Freunden in das Nintendo Land zurückkehren würde. Es hat gedauert, aber der Funke sprang dann doch noch über.
Vor allem, weil Nintendo Land am Ende mehr ist, als es auf den ersten Blick scheint. Der erste Eindruck ist der eines kleinen Schaukastens, der euch zeigt, was die Wii U eigentlich so mit ihrem Gamepad kann und möchte. Das ist keine ganz unwichtige Aufgabe, diese Frage ist jenseits besserer Menüführung bisher noch nicht wirklich abschließend beantwortet worden. Dies ist nun also die Bürde von Nintendo Land und es schultert sie auf eine Art, die ich nicht wirklich erwartet hätte: mit Spielen, die eben nicht jeder Mensch auf der Welt sofort versteht.
Nicht für jeden. Aber für jeden Spieler.
Das war die große Stärke von Wii Sports. Jeder kennt Bowling, jeder weiß, wie er den Arm zu schwingen hat und mit der klaren Instruktion die Taste "B" zu drücken, kamen sie auch klar. So ein Spiel gibt es in Nintendo Land (noch) nicht. Stattdessen erwartet euch ein liebevoll konstruierter Ausflug in Nintendos lange Vergangenheit, der nicht nur dem Design und den Figuren Tribut zollt, sondern vor allem der Tatsache, dass Videospiele auch abstrakt sein können. Diese Abstraktion ist etwas, womit Nicht-Spieler häufig zu kämpfen haben. Wenn sie eine Bowling-Kugel sehen und sie rollen können, fragen sie nicht "warum?". Ist vor ihnen jedoch ein Labyrinth mit Zeugs drin, Fallen und Hindernissen, dazu eine sensible Steuerung, stellen sie diese Frage selbst im iPhone-/Android-Zeitalter noch häufig genug.
Mit den Spielen von Nintendo-Land muss man sich aber nicht nur kurz befassen, um sie zu erfassen - was routinierten Spielern nicht so schwer fallen wird -, sondern man muss sie auch noch beherrschen. Der Kram hier ist teilweise wirklich nicht einfach, ganz im Gegenteil! Mini-Spiele mögen es sein, leicht werden euch die Punkte nicht geschenkt. Etwas, worin man sich teilweise verbeißen kann, ist so ziemlich das Letzte, was ich erwartete, aber genau das ist es. Es würde mich wundern, wenn Nintendo Land auch nur ansatzweise den Massenappeal eines Wii Sports entfaltet, aber das soll nicht meine Sorge sein, ich werde mich sicher nicht darüber beschweren.
Da jedes der zwölf Spiele sich auch noch grundlegend unterscheidet, gehe ich sie am Besten einmal einzeln kurz durch.
Vier gegen Will-das-Gamepad
Zuerst die drei Koop-Titel: Metroid Blast hätte eigentlich Star Fox Assault heißen müssen, so nah ist es an dem GameCube Fehlstart dran und es wird wohl auch diesmal nicht der Massenfavorit werden. In 20 Stages kämpft ihr mit bis zu drei Freunden gegen Roboterhorden. Die drei Wii-Mote-Spieler, die Motion-Plus-Remotes haben müssen, arbeiten am Boden gegen die Roboterhorden, der Spieler mit dem Gamepad steuert ein Raumschiff, das zwar weniger wendig ist, aber deutlich mehr Feuerkraft mitbringt. Es ist ein Spiel mit einer langen Eingewöhnungsphase, nicht zuletzt dank der etwas unübersichtlichen Räume und der etwas konfusen Steuerung und definitiv nicht das Highlight. Das sind nur die klassischen Metroid-Bosse, die als eine Art Puppentheater-Roboter euch meist recht erfolgreich zu Leibe rücken. Und die beiden Deathmatch-Modi waren auch nicht schlecht. Nur nicht so richtig mitreißend halt.
Das Highlight im Koop ist Pikmin´s Adventure. Es ist ein fast vollwertiges Dungeon-Hack´n´Slay mit Pikmin-Thema und das allein ist schon eine klasse Idee. Die Umsetzung tut ihr Übriges. 16 große Level, jede Menge Fertigkeiten, kleine Rätsel und Ideen für Gegner und Spaß in Hülle und Fülle. Wenn aus einem dieser Spiele in Nintendo Land ein eigenständiges entwickelt werden sollte, dann bitte dieses. Super Pikmin Adventure Deluxe DX würde ich sofort kaufen.
"Mit den Spielen von Nintendo-Land muss man sich aber nicht nur kurz befassen, um sie zu erfassen - was routinierten Spielern nicht so schwer fallen wird -, sondern man muss sie auch noch beherrschen."
Über Legend of Zelda Battle Quest würde ich nichts dergleichen behaupten, auch wenn dieses "Zelda on Rails" dann doch nicht ganz so schlecht ist, wie ich zunächst befürchtete. Der Spieler mit dem Gamepad hat den meisten Spaß als Bogenschütze - für ihn ist es Operation Wolf, nur mit Link, weniger Blut und ohne Indizierungs-Historie ... also langweilig - die Spieler mit den Motes schnetzeln sich schwertschwingend durch die Zelda-inspirierten Levels. Nett, aber nur für kurze Zeit.
Die drei Versus-Spiele sind schlichter gehalten. Mario Chase ist eine ganz unterhaltsame, aber schlichte Jagd, in der Mario vor den Pac-Man-Geistern flüchten muss. Der Mario-Spieler sieht alles auf seinem Gamepad, die Geister müssen sich aber unterhalten, wo Mario steckt, da sie direkten Sichtkontakt brauchen. Animal Crossing: Sweet Day funktioniert praktisch genauso, nur anders herum. Ein Spieler mit dem Gamepad fängt die anderen vier, die in engen Leveln die Süßigkeiten klauen müssen. Am Gamepad werden zwei Wächter gleichzeitig gesteuert, jeder getrennt mit einem der beiden Sticks. Beide gleichzeitig zu handhaben ist etwas, wofür unser Gehirn nicht unbedingt gebaut wurde, es ist also eine echte Herausforderung. In der richtigen Gruppe entfalten beide Spiele viel Potenzial, machen nicht alle mit, wird es schnell langweilig. Der Spaß hängt mitunter halt auch mal stark von euch ab.
Bei Luigi´s Ghost Mansion ist dies kaum der Fall, hier stellt sich der Spaß fast automatisch ein und es ist das beste der Multiplayer-Spielchen von Nintendo Land. Es ist Pac Man, oder vielmehr Pac Man Vs.. Ein Spieler, der mit dem Gamepad, steuert den Geist und vier Luigis müssen ihn fangen. Sie tragen Fackeln, die Licht vor sie strahlen und dem Geist Lebensenergie abziehen. Schafft es der Geist jedoch, von hinten zu kommen, umarmt er den mitleidig guckenden Luigi und schickt ihn aus dem Rennen. Sind alle vier Luigis draußen, siegt der Geist. Das ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, denn nur der Spieler mit dem Pad hat den Überblick, die Luigis sehen lediglich, was der Fackelschein zeigt. Das brillante Leveldesign erlaubt Hinterhalte, Fallen und Tricksereien und es war für Stunden ein absolutes Fest. Luigi´s Ghost Mansion ist einer der besten Mini-Mehrspieler-Titel überhaupt und fast schon ein Grund über Nintendo-Land nachzudenken, selbst wenn sonst nichts gefällt.
Einzelspieler nicht (ganz) ausgeschlossen
Die Solo-Spiele, sechs Stück immerhin, können da nicht ganz mithalten und es gibt auch ganz schöne Aussetzer darunter. Balloon Trip ist das, was man auf einem Touch-Screen im App-Zeitalter erwartet. Wischt mit Stylus oder Finger über den Bildschirm, um einen Ballon vorbei an Hindernissen zum Ziel zu bekommen. Kann man spielen, muss man nicht. In Octopus Dance gibt der Computer die Richtung vor, in die ihr die Sticks drücken sollt. Tut ihr das nicht schnell genug, dann frisst euch der Tintenfisch. Ist so simpel, wie es klingt, gehört ebenfalls nicht in meine Heavy-Rotation der Nintendo-Land-Spiele. Donkey Kong Crash Course verglich ich fälschlicherweise mit Night Shift, es ist stattdessen ein Balance-Spiel, in dem ihr einen Mii-beladenen Wagen über ein stilistisch an die ganz alten Donkey-Kongs angelehntes Labyrinth lenkt. Kann man eine Stunde mit zubringen, ist hammerschwer und ein kleines Highlight. Vor allem, weil es als eines der ganz wenigen Spiele zeigt, dass in dem Gamepad auch eine Bewegungssteuerung liegt.
Wer bei Captain Falcons Twister Race auf den großen Screen blickt, könnte meinen, F-Zero zu sehen, das ist aber nur Schau, die der Spieler kaum wahrnehmen wird. Er dreht auf dem Gamepad die dort in etwas dröger Draufsicht dargestellte Strecke und versucht die harten Zeitlimits pro Abschnitt einzuhalten, indem die Boosts genutzt werden. Hätte mehr sein können als es ist, trotzdem immer noch erstaunlich reizvoll. In Yoshi´s Fruit Cart müsst ihr zwei Punkte verbinden und dabei noch alle Früchte auf dem Weg erwischen. Diese Linie auf dem Gamepad zu ziehen ist nicht ganz einfach, da die Hindernisse nur auf dem großen Screen angezeigt werden. Das Gimmick nutzt sich etwas zu früh ab, sonst ein ganz nettes Spielchen.
Das Highlight der Solo-Ecke ist Takamaru´s Ninja Castle. Ihr richtet das Gamepad längs in Richtung TV und per Wisch nach vorn fliegt ein Ninja-Stern in die liebevoll inszenierte Puppentheater-Kulisse voller Papp-Ninjas und Burgen-Attrappen. Es ist hektisch, schnell, trotzdem nicht ohne Technik und vor allem auch nach ein oder zwei Stunden immer noch eine Runde wert.
All diese Spiele reihen sich um einen zentralen Hub auf, jedes mit seinem eigenen Tor, um die Illusion eines Themenparks aufrechtzuerhalten. In der Mitte des Platzes steht ein großer Turm, von dem aus ihr einen nicht sehr übersichtlichen und damit recht obsoleten Überblick habt, vor allem aber Zugang zu einer Art 8-Bit-Patchinko-Maschine, in die ihr die in den Mini-Games erspielten Münzen investiert. Damit schaltet sich Krams frei, der dann ein wenig den Hauptplatz ziert, der, solange die Konsole noch nicht im Internet ist, mit KI-Miis gefüllt wird. KI in diesem Falle "Kaum/Keine Interaktion". Deko also.
Es ist kein einzelnes Spiel, das Nintendo Land auszeichnet, sondern das Gesamtpaket aus nettem Zeitvertreib für einen einzelnen Spieler, vor allem aber ein paar echte Highlights für die Gruppe. Hier lässt sich jede Menge von dem Spaß finden, der aus Sicht eines eher klassischen Videospielers weit mehr Freude bereitet und die Abstraktion und Komplexität bietet, die bei Wii Sports nicht gefragt war. Nebenbei zeigt es dann auch noch jede Menge Spielereien mit dem Gamepad. Das alles ist keine Revolution, nicht wie es bei der Wii der Fall war, aber die technisch liebevolle Umsetzung zeugt einerseits von hohen Qualitätsstandards und es erinnert mit seinen teilweise gesalzenen Schwierigkeitsgraden und taktischen Action-Mehrspieler-Runden von einem echten Verständnis sehr traditioneller Videospiel-Kultur. Nintendo Land ist eine Art Tribut Nintendos an sich selbst, geschaffen in der vielleicht bestmöglichen Form, die nichts mit reinen Neuauflagen an sich zu tun hat. Wenn all das es schafft, dass ich sogar den Zelda-Rail-Shooter vergeben kann, dann läuft hier mit Nintendo Land und der Wii U eine ganze Menge richtig.