Nintendo Switch Sports ist genau das, was der Switch noch gefehlt hat
Wenn ich nicht schon eine besitzen würde, für Sports würde ich mir jetzt die Switch kaufen.
Eigentlich hätte ich mit einem Nachfolger des immens populären Wii Sports, das ab Ende 2006 den meisten Wii-Konsolen gleich beigepackt wurde, bereits deutlich früher gerechnet. Und das nicht nur aus rein persönlichen Gründen, denn ich hatte mit Freunden und Familie einfach enormen Spaß, vor dem Bildschirm wild mit WiiMote sowie Nunchuk-Controller zu fuchteln und mit wachsender Begeisterung auf meinen ersten Tennisarm hinzuarbeiten. Zusätzlich hat Wii Sports wohl auch kräftig die Kassen klingeln lassen und ist mit knapp 83 Millionen Einheiten das bis zum heutigen Datum meistverkaufte Videospiel auf einer einzelnen Plattform.
Umso mehr habe ich mich gefreut, Nintendo Switch Sports jetzt komplett anspielen zu können und alle sechs Disziplinen, die zum Erscheinen am 29. April enthalten sind, auszuprobieren. Mit dabei sind Volleyball, Badminton, Bowling, Fußball, Tennis und das ungemein unterhaltsame Chanbara, eine Art Kendō mit extra-weichen Übungsschwertern. Als siebte Sportart kommt im Herbst per kostenlosem Update noch Golf hinzu. Wenn man mich gefragt hätte, wäre auf jeden Fall noch Boxen dabei gewesen, um mich immer wieder mal richtig auszutoben. Auch gegen Disziplinen aus Wii Sports Resort, wie Bogenschießen oder Radfahren, gäbe es für mich nichts einzuwenden. Man hat mich aber nicht gefragt, also kann ich nur auf zukünftige Erweiterungen hoffen.
Auf den ersten Blick wirken die neuen, optisch aufpolierten, Sports-Charaktere ungewohnt und sogar etwas generisch. Der Eindruck mag aber daran liegen, dass ich meinen seit Jahrzehnten gepflegten Mii akribisch an mein Äußeres angepasst habe und Veränderungen generell einfach hasse. Für die meisten wird der umfangreiche Charakterbaukasten zur Erstellung einer Figur und dazu die Möglichkeit, für seinen Avatar mit im Spiel erworbenen Punkten immer neue Klamotten zu kaufen, zusätzlichen Spaß bringen. Wer den liebgewonnenen Mii nicht in die Rente schicken möchte, kann das virtuelle Abbild aber natürlich auch in Nintendo Switch Sports weiterhin verwenden.
Die Auswahl der Sportart erfolgt auf der Übersichtskarte mit Austragungsstätten, ähnlich der Insel in Wii Sports Resort, nur dass ihr diesmal in einer Stadt namens Spocco mit imposanten Arenen und sogar einem Yachthafen startet. Platz scheint genug für weitere Gebäude, was mich auf mehr als Golf als sportlichen Nachschub hoffen lässt. Mich hat es gleich in die Bowling-Halle am Pocco Square getrieben, immerhin habe ich mit dem eleganten Umwerfen von Pins schon vor rund 15 Jahren meinen Spaß gehabt.
Und die Switch-Version enttäuscht nicht: Lokal gehen bis zu vier Spieler an den Start und es wird abwechselnd oder wahlweise gleichzeitig gebowlt. Position der Spielfigur bestimmen, Wurfrichtung der Kugel justieren, kräftig Schwung zum Strike holen und nicht vergessen, die ZR-Taste auch nach dem Abwurf gedrückt zu halten. Einfacher geht's wirklich nicht, aber die Tücke steckt im Detail. Ich brauchte schon ein paar Runden, um wieder das Gefühl für die Bahn zu bekommen und nicht jedes Mal mit dem zweiten Wurf vor einem kaum machbaren Split zu stehen. Schön: Ihr braucht, wie bei den meisten Sportarten, nur einen Joy-Con zum Spielen. So braucht ihr für ein schnelles Match gegen einen Freund oder Freundin nicht erst lange nach einem zweiten Paar Controller zu suchen.
Nächster Stopp: das Fußballstadion von Pocco. Hier erwartet euch eine kleine Überraschung, denn die Eins-gegen-eins oder Vier-gegen-vier-Begegnungen werden mit einem überdimensionalen Ball ausgetragen, der die putzigen Spielfiguren weit überragt. Das turbulente Geschehen, bei dem ihr wie wild hinter dem hüpfenden und an den Banden abspringendem Leder hinterher eilt, erinnert dabei mehr an Rocket League als klassischen Fußball, macht aber auf Anhieb Laune. Während ihr bei Tennis oder Badminton einfach loslegt, solltet ihr bei Fußball auf das angebotene Tutorial nicht verzichten, um die unterschiedlichen Schwungoptionen zu verinnerlichen. Auch wenn ihr anscheinend ein Scheunentor treffen sollt, einen Punkt zu erzielen, gelingt nur mit perfekter Ballbeherrschung, besonders wenn der Gegner schon etwas geübter ist.
Neben den Team-Matches gibt es noch den Modus Shootout, bei dem ihr ein nach jedem Treffer kleiner werdendes Tor zu treffen. Hier kommt optional der Beingürtel ins Spiel, der bereits bei Ring Fit Adventure zum Lieferumfang dazu gehörte und der Boxversion von Nintendo Switch Sports beiliegt. Ihr steckt den Joy-Con einfach in eine verschließbare Tasche, bindet den Gürtel um den Oberschenkel und platziert dann mit Beingefühl das übergroße Leder ins Tor. Im Sommer soll ein Update dafür sorgen, dass alle Fußball-Modi mit dem Beingürtel gespielt werden können.
Mein ganz persönlicher Favorit sind die extrem spaßigen Chanbara-Duelle, bei denen ihr mit einem Schwert oder beidhändig mit zwei Schwertern auf euren Gegner einprügelt. Ausgetragen werden die Kämpfe auf einer Plattform über einem Wasserbecken und der Sieg ist euer, wenn der Opponent ab ins kühle Nass segelt. Gegen unerfahrene Kontrahenten genügt es, einfach wie wild herumzufuchteln, als ob ihr ein Luft-Schlagzeugsolo spielen würdet. Hat euer Gegner aber auch das Tutorial verinnerlicht und pariert geschickt die Schläge, entwickelt sich ein verbissener Zweikampf. Ich muss zugeben, bei keiner anderen Sportart habe ich eine derart befriedigende Schadenfreude empfunden, wenn ich nach zähem Ringen den Abflug meines Spielpartners ins Wasser noch mal in der Wiederholung gesehen habe.
Eine echte Bereicherung des Sportangebots ist Volleyball, bei dem lokal bis zu vier Spieler antreten. Stehen weniger Mitstreiter zur Verfügung, füllt die anstandslos aufspielende KI die freien Plätze. Im direkten Vergleich zu einem Tennis-Doppel, gibt es deutlich mehr Bewegungen, die man sich merken und mit passgenauem Timing einsetzen muss. Zwar wird die folgende Aktion am Bildschirm angezeigt und auf einen Angriff, auf Baggern, Blocken oder Zuspiel hingewiesen sowie das Timing bewertet, aber im turbulenten Spielverlauf braucht es schon einiges an Übung, um die Übersicht zu behalten.
Mein persönliches Fazit nach zwei Stunden schweißtreibendem Bildschirmsport: Genau das hat mir bislang auf der Switch gefehlt, herrlich intuitive Sportspiele, die ich jederzeit ohne großen Lernaufwand mit Freunden, Freundinnen oder Familienopfern zocken kann. Hege ich dann vielleicht mal weitergehende Ambitionen, als einfach nur ein paar gute Stunden zu haben, werde ich mich ausgiebig dem Online-Modus widmen, bei dem es dann gegen Kontrahenten aus aller Welt geht. Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf, Ende April die Joy-Cons zu schwingen.