Skip to main content

No Man's Sky Next: Das unmögliche Spiel ist weiter auf der Suche nach sich selbst

Alex' und Martins Eindrücke nach Stunden mit dem Mammut-Update.

Ich glaube, so ganz verwunden habe ich die Realisation noch nicht, dass No Man's Skys Versprechen einfach zu gut war, um wahr zu sein. Ein ganzes Universum, 18 Quintillionen Planeten mal voller Leben, mal eher leer und überwiegend tot, aber jeder einzigartig. Und jeder einzelne wartete nur darauf, von euch entdeckt und auf seinen Dinosaurier- und Sandwurm-Gehalt abgeklopft zu werden.

Doch letzten Endes war die vielleicht nicht tatsächliche, aber auf jeden Fall praktische Unendlichkeit zu viel für dieses Studio. Wen wundert's? Das hier musste irgendwie, irgendwann ein Spiel werden und so wurde jeder Meter Progression gnadenlos gamifiziert, bis man das Gefühl hatte, in endlosen Rohstoffbeschaffungszyklen immer nur dasselbe zu machen.

Ich war trotzdem gerne dabei. Nahtlos von einem Planeten zum nächsten zu fliegen, in der Hoffnung auf kleine, tatsächlich ein bisschen individuelle Entdeckungen, hielt mich in einer Art Zen-Zustand und viele der Planeten waren schön genug, dass sich die Reise lohnte. Irgendwann schlug aber doch die Erkenntnis durch, dass das Spiel, das die ersten Trailer verkauften, ein anderes war, als das, was No Man's Sky während der Jahre der Entwicklung wurde.

Der berüchtigte zweite Trailer musste schon oft als Beweismaterial für Hello Games' gebrochene Versprechen herhalten. Und tatsächlich sehen die Kreaturen hier deutlich beeindruckender und lebendiger aus - und von der Crafting-Tretmühle ist auch noch nichts zu sehen.

Die besagten klassischen Spielsysteme, die euch in der steten Bewegung zum Mittelpunkt des Universums hielten, machten irgendwann die Defizite des mächtigen Generierungsalgorithmus nur noch klarer: So glaubwürdig und üppig wie in den ersten Trailern würde die Flora und vor allem Fauna niemals werden. Statt majestätischen Quasi-Dinosauriern fand man immer unwahrscheinlichere Remixe aus Körperteilen, die man ein paar Systeme zuvor schon mehrfach gesehen hatte und die selbst einem lose interpretierten Evolutionsgedanken mit wachsendem Pläsier ins Gesicht spuckten.

Sie wirkten so beliebig, wie sie waren - oder unter diesen Vorzeichen sein mussten. Dementsprechend fiel auch die Reaktion auf viele der Biester aus: Irgendwann waren sie einem egal. Ein paar coole Wesen waren schon dabei, aber sie legten kein interessantes Verhalten oder wirkliches Wechselspiel mit anderen Tieren an den Tag. Und noch mehr von ihnen wirkten wie die Zucker-Brothers-Parodie der ersten Bewegtbilder, von denen man heute fast sicher ist, dass sie eben nicht der zugegebenermaßen beindruckenden Formel Hello Games' entsprungen sind.

Kürzlich erschien das umfassende Next Update und beweist, dass viele noch immer Hello Games' Traum von einem virtuellen Universum mitträumen, das sich wie ein echtes anfühlt. Aus dem Stand war das Spiel wieder unter den meistgespielten Titeln auf Steam und in dessen Verkaufscharts ganz oben. Und Next macht tatsächlich vieles besser. Das grundliegende Problem von No Man's Sky lösen aber auch Multiplayer und schönere Planeten nicht: Das Spiel, das wir uns nach den ersten Bildern vorstellten, rückt nur wenig näher als zuvor.

Next sprengt rein optisch den Rahmen, was kostenfreie Updates, sonst so mit sich bringen, ganz gewaltig. Die Planeten wirken riesiger, beeindruckender, schöner.

Und doch: Ich bin tatsächlich wieder ganz gerne hier. Fast fühlt es sich sogar an, als spielte man einen zweiten Teil, anstatt bloß ein Update. Auch wenn mir Pflanzen, gewisse Umgebungselemente und - ja - auch viele der Kreaturen(teile) auf Anhieb wieder so vertraut vorkommen, dass man den erträumten Jurassic Space Park direkt wieder vergisst. Aber die Planeten von Next locken mit weiteren Panoramen, organischeren Strukturen und allgemein größerer geografischer Abwechslung als zuvor. Alles wirkt eine Spur gewaltiger als noch damals und es macht tatsächlich wieder den Spaß, den ich im Sommer 2016 verspürte und mich dazu verleitete, so gut wie auf jedem Planeten kurz einmal Halt zu machen.

Gigantische Wolken ziehen am Himmel ihre Bahnen und werfen sogar Schatten auf den Boden, der dank Tesselierung (ist seltsamerweise nur in der .ini-File zu finden) wunderbar plastisch und fremdartig aussieht. Und auch viele neue Crafting-Elemente sind hinzugekommen, etwa das Raffinieren bestimmter Rohstoffe zu höherwertigen Komponenten in eigens dafür zu errichtenden Apparaturen oder das Auslesen gefundener Blaupausen an dafür gebauten Terminals. Vor allem im Solo-Modus verlagert allerdings auch das nur das Problem, dass das Spiel sich im Prinzip auf eine sich endlos drehende Sammel-und-Crafting-Spirale reduzieren lässt und man stets auf der Suche nach anderen Materialien ist, von denen die wichtigsten ohnehin immer auf jedem Gestirn zu finden sind.

Im neuen Multiplayer kommt hierdurch sehr wohl ein Kooperationsgefühl durch, das dem Spiel zumindest kurzfristig sichtlich guttut. Das Heranschaffen diverser Komponenten und Gegenstände ist nur halb, beziehungsweise ein Viertel so mühsam, wenn man sich zu zweit oder mit drei anderen daran macht. Auf seinem eigenen Frachter Aufträge anzunehmen - ebenfalls leider etwas beliebig - hilft ebenso, wie zusammen an der perfekten Basis zu bauen. Den architektonischen Ambitionen des Spiels stehe ich seit dem Foundation-Update zwar kritisch gegenüber. Schließlich ist das ausgewiesene Spielziel von No Man's Sky die stete Reise ins Zentrum der Galaxie, zu der Sesshaftigkeit so gar nicht passen mag. Aber wenn das zur Folge hat, dass mehr und mehr Spieler ihren Stempel auf diesem Universum hinterlassen können, so wie das kürzlich jemand in Form eines Sean-Murray-Porträts tat, das jedermann im Spiel besuchen darf, dann hat die Idee doch etwas für sich.

'Say cheese'.

Es gibt noch viele Kleinigkeiten in Next zu entdecken - vieles davon wird in den Patch Notes angedeutet - und der allgemeine Tenor derer, die es spielen ist durchaus positiv, auch wenn das User Interface unverändert schlimm geblieben ist, Bugs, Abstürze und Performance-Probleme wieder mitspielen, sich das Spiel weiterhin schlecht erklärt, Inventarschiebereien ein Problem bleiben und alles, was mit Kampf zu tun hat, auch zwei Jahre später noch schmerzlich unterentwickelt ist. Das Versprechen, nur ein Sonnensystem weiter den perfekten Traumplaneten zu entdecken, scheint noch immer attraktiv und erreichbar genug, auch wenn der Weg dorthin ein anderer ist, als wir uns in den Jahren und Monaten vor dem Launch noch ausmalten.

Es gibt genug Menschen, die No Man's Sky vor zwei Jahren ohne Chance auf Wiederkehr vergrätzte, und die auch Next nicht zurückholen wird. Das hier ist und bleibt dasselbe unmögliche Spiel, das eigentlich nicht existieren dürfte. Dass es das doch tut und auch zwei Jahre nach Launch noch substanziell, wenngleich nicht maßgeblich in seinem Wesen weiterentwickelt wird ... darin liegt eine bewundernswerte Eigenwilligkeit, die No Man's Sky auch in seinem letztlichen Scheitern noch zu einem faszinierenden Experiment macht.

Insofern schätze ich Next für den Moment als eine willkommene Erinnerung an die wahnwitzige Größe dieser beinahe genial umgesetzten Idee - bis ich, und da bin ich sicher, nach nicht allzu vielen Spielstunden wieder schlagartig genug von seiner Ressourcentretmühle habe.


Und weil auch der Grad, zu dem uns dieses Spiel beschäftigt, auch viel über No Man's Sky als Phänomen aussagt, hier noch Martins Gedanken zu Next.

Martin Woger: Das ist jetzt auch meine Rückkehr zu einem Spiel, das ich unbedingt lieben will. Aber es bleibt ein schönes Cover für mich. Ich höre derzeit viel Synthwave, davon gibt es Tonnen an Alben und viele davon haben Cover, die mir sagen, dass ich das mögen muss. So wie es der Look von No Man's Sky sagt. Aber dann höre ich es einmal, zweimal und auch ein drittes Mal und zähneknirschend muss ich erkennen, dass das schöne Cover gerade meine Zeit verschwendet hat, weil der Inhalt dahinter einfach nichts ist, zumindest nicht für mich.

Wie gerne würde ich mehr tun, als nur von einem Ressourcenmarker zum nächsten zu rennen.

No Man's Sky bleibt für mich der Fieberalptraum eines Hoarders. Es gibt unendlich Material zum Sammeln und nur sehr begrenzten Platz, verwaltet in einem bestenfalls restfunktionalen Interface, um es zu stapeln. Ständig bin ich am Hin- und Herräumen, um die Ressourcen, die ich für irgendwas brauche, zu verwalten. Da mögen manche der Planeten noch so schön sein - und sie sind es, ohne Frage, jetzt noch viel mehr als zuvor -, was bringt es, wenn ich den Großteil meiner Zeit mit dem Weglasern von Dreck verbringe, um den Dreck dann als außerweltlicher Lagerist zu managen, nur um dann Dreck in Rohstoffe zu verwandeln, was mittels eines weiteren hässlichen Interface geschieht, um dann einer Maschine zuzugucken, die den Kram umwandelt oder die Zeit nutze, um mehr Dreck zu sammeln... Was zur Hölle spiele ich hier eigentlich? Warum vergeude ich damit meine Zeit?

Mir ist klar, dass manche dieses Survival-Hoarding mögen und auch für mich gibt es immer noch genug, damit ich das Spiel als den unmöglichen Versuch der Gamemifizierung der Unendlichkeit des Universums bewundern kann. Ich will das spielen, es scheint das Ideal all dessen, was wir uns damals als die goldene Zukunft vorstellten, als wir an einer Hand abzählbare Polygone in Elite rotierten. Aber in dieser Vision kam irgendwie kein Inventarscreen vor, der aktiv Menschen zu hassen scheint. Ich freue mich, dass Hello Games trotz allem seinen Erfolg feiern kann, ich werde weiter die Entwicklung beobachten und immer wieder mal zurückkehren, denn No Man's Sky ist eines der spannendsten Gaming-Projekte unsere Tage. Nur leider wird es wohl nie etwas für mich sein.

Schon gelesen?

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
In diesem artikel

No Man's Sky

PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC, Mac, Nintendo Switch

Verwandte Themen