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No Man's Sky vs. Sky - oder: Wem gehört der Himmel?

Die juristische Erklärung, warum Goliath gegen David antreten muss.

Oh Markenrecht, du unerbittliches Minenfeld aller kommerziellen Medienbereiche! Erst kürzlich hatte der Indie-Entwickler Hello Games die Bekanntschaft mit den Anwälten des Pay-TV-Anbieters Sky machen müssen, weil ihr Spiel das Wörtchen Sky im Namen trägt. Warum das so kommen musste und weshalb es den glimpflichen Ausgang nahm, zu dem es schließlich kommen musste, das erklärt uns der Anwalt für Markenrecht Dr. Hans-Christian Woger von der Kanzlei CMS Hasche-Sigle in einem Gastbeitrag.


Es ist einige Zeit her, dass ich hier ein Interview bezüglich des markenrechtlichen Vorgehens der King.com Ltd. bezüglich der Wortmarke "Candy" gegeben habe. Damals ging ein Aufschrei durch die gesamte Branche. Auch aktuell schlägt ein markenrechtlicher Fall wieder erhebliche Wellen. Ausgelöst wurde dieser durch einen Tweet des Entwicklers Sean Murray vom Studio "Hello Games", den Schöpfern des hoch antizipierten Spiels "No Man's Sky"

"Yay! We finally settled with Sky (they own the word "Sky") can call our game No Man's Sky. 3 years of secret stupid legal nonsense over".

Und weiter twitterte Sean Murray:

"This is the same folks who made Microsoft change Skydrive to Onedrive... so it was pretty serious".

Auf den ersten Blick hat dieser Fall alle Zutaten, die es für einen Aufreger, um nicht zu sagen einen Skandal, braucht. Einen multinationalen Medienkonzern mit einem Jahresumsatz im zweistelligen Milliardenbereich, demgegenüber ein kleines unabhängiges Entwicklerstudio mit einer niedrigen zweistelligen Anzahl an Angestellten und einer Marke, die nach Auffassung vieler so nie hätte geschützt sein dürfen ("The sky belongs to no one"). Was wünscht man sich als Aufreger mehr? Entsprechend waren auch die Reaktionen in den sozialen Medien.

Eine etwas differenziertere Betrachtung des gesamten Sachverhalts relativiert jedoch zwei wesentliche Punkte in den Tweets von Sean Murray. Weder "besitzt" jemand das Wort "Sky" noch handelt es sich, um "stupid legal nonsense", aber ja, es war eine ernste Angelegenheit. Vielmehr ist eine zulässige und notwendige Markenverteidigung von einem "Patent-Troll" oder ähnlichem zu unterscheiden. Zunächst einmal muss, um die Implikation dieses Verfahrens zu verstehen und die rechtlichen Auswirkungen nachzuvollziehen, genau betrachtet werden, was eine Marke im rechtlichen Sinne eigentlich ist. Ein großes Missverständnis ist, dass eine Marke einen bestimmten Begriff oder ein Logo in jedem denkbaren Zusammenhang sperren würde. Dass eine Marke praktisch ein Wort aus dem allgemeinen Sprachgebrauch "entfernen" würde. Dem ist jedoch nicht so. Eine Marke ist immer als zweigliedriges Element wahrzunehmen.

Einerseits umfasst sie das kennzeichnende Element, also das Bild, das Wort oder eine Kombination aus beiden, andererseits bestimmte Waren und Dienstleistungen, die im Markenregister für jedermann sichtbar anzugeben sind. Nur für diese Waren und Dienstleistungen sowie unter Umständen ähnliche genießt die Marke Schutz. Dies ist die erste wichtige Einschränkung. Die Marke erfasst nur eine bestimmte Verwendung, nicht den allgemeinen Sprachgebrauch.

Die Zweite ist, dass eine Marke grundsätzlich nur bei einer Benutzung im geschäftlichen Verkehr, d. h. in einem kommerziellen Kontext, greift. Eine Marke entfaltet keinen Schutz, wenn z. B. aus journalistischer Perspektive berichtet oder im rein privaten Gebrauch ein Kennzeichen verwendet wird.

Insofern ist es gerade nicht so, dass der Firma Sky PLC bzw. einer ihrer Tochtergesellschaften der Begriff "Sky" gehören würde. Das Unternehmen kann nur für bestimmte Waren und Dienstleistungen aus der eingetragenen Marke "Sky" gegen andere Kennzeichen oder Produktbezeichnungen vorgehen, sofern eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinne zu diesen besteht, also wenn sowohl die Waren und Dienstleistungen als auch die jeweiligen Kennzeichen zu eng beieinander liegen. Der Himmel gehört also niemandem.

Aber was ist mit dem Vorwurf, dass ein solches generisches Wort wie "Sky" gar nicht als Marke registriert werden dürfte? Es ist tatsächlich zutreffend, dass sämtliche Markenrechtsordnungen weltweit die Registrierung von nicht unterscheidungskräftigen Kennzeichen tatsächlich untersagen. Das bedeutet, wenn eine Marke nicht geeignet ist, ihre Grundfunktion, nämlich die Kennzeichnung und Unterscheidung im Warenverkehr, zu erfüllen, darf diese nicht eingetragen werden. Dies gilt z. B. insbesondere, wenn das Kennzeichen ein Begriff ist, der im allgemeinen Sprachgebrauch für die Waren und Dienstleistungen, die er erfassen soll, synonym verwendet wird. Ein Beispiel um dies zu verdeutlichen:

Der Begriff "Apple" wäre für Lebensmittel, genauer: Obst, oder damit im Zusammenhang stehende Waren und Dienstleistungen nicht schutzfähig. Bei dem Begriff eines Apfels denkt jeder Benutzer sofort an ein solches Obst, die Marke ist schlicht nicht unterscheidungskräftig. Völlig anders sieht dies im Bericht von Software- bzw. Hardwareprodukten aus. Bei diesen findet gerade keine Assoziation zwischen der in Anspruch genommenen Ware und dem avisierten Logo bzw. Begriff statt. Eine Kennzeichnungsmöglichkeit ist dementsprechend zu bejahen.

Genauso verhält es sich auch mit der Marke "Sky". Für bestimmte Waren und Dienstleistungen ist der Begriff "Sky" gerade nicht als unmittelbare Assoziation von Verbrauchern aufzufassen. Diese werden den Begriff nicht originär mit einem Telekommunikations- und Fernsehanbieter verbinden. Daher ist eine Schutzfähigkeit zu bejahen und gleichzeitig festzuhalten, dass das Wort "Sky" gerade nicht von jemandem besessen wird.

Eine weitere wichtige Frage ist, war es gerechtfertigt oder angemessen, dass die Eigentümer der Marke "Sky" überhaupt gegen eine Verwendung der Bezeichnung "No Man's Sky" für ein Videospiel vorgegangen sind. Um dies zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass Marken in der heutigen Gesellschaft nicht nur eine bloße Herkunftsbezeichnung, sondern ein zentrales Element zur Marktpositionierung und Bindung von Verbrauchern an ein bestimmtes Unternehmen sind.

Wir kaufen eine bestimmte Kleidung bzw. sind bereit, für Kleidung aus einem bestimmten Modehaus wesentlich mehr zu zahlen, weil sie mit einer bestimmten Marke gekennzeichnet ist. Wir verbinden mit Marken einen bestimmten Lifestyle, die Zugehörigkeit zu einer "Sub"-Kultur, zwischenzeitlich stellenweise sogar eine politische Überzeugung. Aufgrund dieser erheblichen Wirkung auf die angesprochenen Verbraucher sind Marken für Unternehmen von erheblichem Wert. Die bekanntesten Marken der Welt werden auf einen Marktwert im dreistelligen Milliardenbereich taxiert.

Marktpositionierungskämpfe werden zu erheblichen Teilen über Marken ausgetragen, dies geht so weit, dass angesprochene Zielgruppen tatsächlich Schuldgefühle verspüren, wenn sie von ihrer angestammten zu einer anderen Marke wechseln. Insofern ist es verständlich, wenn Unternehmen alles tun, um ihre jeweilige Marktpositionierung zu schützen, und sich gegen unter Umständen verwechslungsfähige Marken in ihrem Geschäftsbereich zur Wehr setzen.

Unabhängig davon, ob man nun der Überzeugung ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung "No Man's Sky" und "Sky" auseinanderhalten, diese Begriffe weit genug voneinander entfernt sind und insofern das Vorgehen im Ergebnis nicht gerechtfertigt war, ist es in keinem Fall pauschal als "stupid legal nonsense" zu bezeichnen. Und ja, Hello Games musste diese Angelegenheit sehr ernstnehmen, da tatsächlich, wenn auch noch nicht abschließend rechtskräftig entschieden, Microsoft seit Jahren einen Rechtsstreit mit Sky über die Benutzung des Begriffes "Sky" in den Begriffen "Skype" und "Skydrive" führt.

Es war für Hello Games eine ernsthafte Rechtsstreitigkeit, die jedoch nicht zu einem Gerichtsprozess führte. Nunmehr werden wir uns auf das Spiel "No Man's Sky" freuen und - wie in dem Titel zutreffend angedeutet - gehört der Himmel - dies ist keine Stellungnahme zum Weltraumrecht - tatsächlich niemandem exklusiv.

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