Nostradamus: Die letzte Prophezeiung
Von Wahrsagern und Weiblichkeit
Um die Verwandlung in den eigenen Bruder narrensicher zu machen, durchwühlt der Spieler auf der Suche nach der perfekten Tarnung erst einmal Unmengen von alten, staubigen Regale, Schubfächer und Kisten. Und alles wird eingepackt, was das Inventar fassen kann. Letzteres nimmt in Nostradamus eine weitaus wichtigere Rolle ein als man es aus Adventures gewohnt ist. Knapp die Hälfte des Abenteuers steckt man mit dem Stupsnäschen drin; im Gegensatz zu vergleichbaren Titeln führt es also kein Schattendasein am unteren Bildschirmrand mehr.
Das Inventar besteht aus einem eigenen Menü, das durch Reiter in die Kategorien: Gepäck, Aufgaben, Rezepte und so weiter und so fort unterteilt ist. Hier können Gegenstände miteinander kombiniert oder, dank der integrierten Werkzeugtasche, bearbeitet werden. Die einzelnen Instrumente sind obendrein auch an den Schauplätzen einsetzbar. So betätigt man sich beispielsweise hin und wieder als Pathologe und schreitet bei der Untersuchung der Opfer mit Pinzette und Skalpell zur Tat.
Davon abgesehen beinhaltet das Inventar eine Art Tagebuch, in dem man sich einen Überblick über die aktuellen Fortschritte und Aufgaben verschaffen kann. Gleichzeitig dient es als Archiv aller bisher geführten Gespräche – und den Job führt es mitunter zu gewissenhaft aus. Statt nur einen Eintrag vorzunehmen, wird jede einzelne Aussage des Spiels notiert, folglich erscheinen selbst banale Kommentare zuweilen mehrfach.
Auch ein Großteil der Rätsel wird hier gelöst. Beispielsweise ist es erforderlich, etwaige Horoskope zu erstellen. Dazu trägt der Spieler alle bekannten Daten einer Persönlichkeit auf einer Art kosmischer Karte ein. Stimmt das konstruierte Sternbild mit dem der Geburt überein, erhält man anhand der entstehenden Figuren nähere Informationen zum Schicksal der Person. Anders herum kann man später anhand eines kompletten Sternenbildes Rückschlüsse auf die Identität des Auftraggebers ziehen.
Für Kenner der Materie bieten diese Spielchen eine gute Gelegenheit, die grauen Zellen so richtig qualmen zu lassen. Einsteiger und Überforderte kommen jedoch auch durch eifriges Herumprobieren ans Ziel. Das fördert zwar nicht unbedingt den Spielspaß, erspart jedoch den demütigenden Griff zur Online-Komplettlösung. Generell kann man die Herausforderungen in einem Adventure in zwei Kategorien einteilen: lästige Aufgaben und echte Rätsel. Erst eine gute Mischung macht ein Spiel wirklich unterhaltsam und lässt keine Monotonie entstehen. Nostradamus kann mit beidem aufwarten.
Da gilt es nicht nur, durch das Kombinieren von Feuerzeug und Fackel in der Story vorzuschreiten, einige Rätsel könnte man so gut und gerne in einem Logik- oder Wissenstrainer unterbringen. Doch auch weniger herausfordernde Hindernisse verlangen nach einem Tet-a-Tet. Das Brauen von Tinkturen beispielsweise, bereitet dank der gesammelten Rezepte kaum Schwierigkeiten. Die nötigen Werkzeuge sowie die meisten Zutaten befinden sich bereits in der Küche.
Ob eines dieser Objekte innerhalb der Räumlichkeiten benutzbar ist, erfährt man anhand des Cursor. Befindet sich dieser über einem Gegenstand, ändert er sich entsprechend der Interaktion. Trotzdem liegt im Finden einzelner Dinge einer der Schwachpunkte des Spiels. Oftmals sind diese nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar und so rennt man teilweise die selben Orte drei- bis viermal ab, nur um schließlich festzustellen, dass ein Stückchen Seil oder ein Holzscheit den suchenden Augen verborgen blieb.
Das peinlich genaue Durchsuchen der Tatorte avanciert dadurch zur obersten Pflicht. Und nicht gerade selten ertappt man sich dabei, einfach jedes Objekt auf gut Glück einmal anzuklicken. Man kann ja nie wissen, wozu so ein Metallteil oder ein Lehmklumpen im weiteren Spielverlauf gut ist. Dummer Nebeneffekt: Während dieser Prozedur füllt sich das Gepäck derart schnell, dass man ein wenig den Überblick verlieren kann. Ungewöhnlich, wie auch überflüssig ist hier die Tatsache, dass alle gesammelten Objekte, etwa die Schmutzwäsche, auf einen Haufen geworfen und erst einmal sortiert werden müssen.
Grundsätzlich ist Nostradamus: Die letzte Prophezeiung ein solides, lineares Adventure, das besonders durch seine überzeugenden Puzzle und die ansehnliche Grafik besticht. Nicht nur dank des moderaten Schwierigkeitsgrades bietet sich das Spiel auch für Quereinsteiger in das Genre an. Weder werden sie durch zu anspruchsvolle Rätsel abgeschreckt, noch langweilt man sie mit anspruchslosen „Renne von A nach B“-Quests. Trotzdem ist zu bezweifeln, ob die eher gemächliche Aufmachung einen Shooter-Jünger zum Adventure-Liebhaber bekehren wird. Um den Spieler bis in die letzte Faser zu packen, mag es nicht dramatisch, nicht spannend genug sein. Zu sehr rücken die einzelnen Rätsel in den Vordergrund und zu störend machen sich einige Patzer (stocksteife NPCs, Inventar-Probleme etc.) bemerkbar. Fans der okkulten Materie, Titel wie Myst oder jedem, der knifflige Puzzles liebt, aber auch vor etwas spielerischer „Arbeit“ nicht zurückschreckt, kann man Nostradamus: Die letzte Prophezeiung dennoch empfehlen.
Nostradamus: Die letzte Prophezeiung ist bereits im Handel erhältlich.