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Octodad: Dadliest Catch - Test

Krake ante Portas: Warum achtarmige Papas lieber nicht schleichen sollten.

Und das, obwohl es so kurz ist: Nach einem brillanten Einstieg folgt viel Schlamperei im Detail und im Leveldesign.

In seinen starken Momenten erlebt ihr mit Octodad: The Dadliest Catch die Fieberfantasien eines Familienvaters jenseits der 40. Der wacht Samstags auf, bar jeden Restrückgrats, tastet minutenlang vergeblich nach dem plärrenden Wecker, schlurft in die Küche, ein Bein nach dem Anderen, vorbei an zwei hyperaktiven Kids und dem Lois-Lane-Abziehbild einer Ehefrau. Fragen beantwortet er mit sinnfreiem Blubbern, in das die Familie hineininterpretiert, was sie grad will.

Er torkelt wie eine verhedderte Marionette durch die Wohnung, schafft es erst im dritten Anlauf, den Kühlschrank zu öffnen, und schüttet sich hinterher einen Kaffee in Richtung Mund. Dann die Hausarbeit: Holzhacken, Rasenmähen, Unkrautrupfen - mit vollem Körpereinsatz stemmt er sich gegen das Chaos und zerstört nebenbei Möbel, Geschirr, Blumen, Fenster und Türen. Octodad ist Slapstick-Clown, amerikanischer (Alb-)Traum und fremdgesteuerte Gliederpuppe in einem: Teils Charlie Chaplin, teils Lester Burnham aus 'American Beauty' und dabei so feinmotorisch wie die Leiche aus 'Immer Ärger mit Bernie'. Außerdem ruft er in mir einen Jähzorn hervor, wie ich das selten im Laufe eines Indie-Spiels erlebt habe.

Falls ihr die kostenlose Urversion von Octodad noch nicht kennt: Ihr steuert einen Kopffüßler im Anzug, der sich als Mensch ausgibt. Er hat eine Frau und zwei Kinder, die aber bitteschön nichts von der wahren Gestalt des Herrn Papa erfahren sollen. Dabei nehmen die Macher ihre Prämisse nicht eine Minute lang ernst. Wie sollten sie auch? Das Ergebnis muss man einfach sympathisch finden: die kompetent auf Englisch vertonten Figuren, die Anspielungen, die Zwischensequenzen, der hervorragend umgesetzte Pixar-Cartoon-Look, ein Titelsong mit Ohrwurm-Charakter - das schreit nach einer eigenen Fernsehserie.

Kennen wir aus dem Alltag: Hundemüde versucht man, im transparenten Greifmodus einen Kaffee zu kochen und versaut wegen der hakeligen Steuerung die ganze Küche.

Ausgedacht haben sich das neun Studenten. Nach ihrem erfolgreichen Freeware-Debüt gründeten sie das Studio 'Young Horses', sammelten auf Kickstarter Geld und erhielten via Steam grünes Licht. Das Ergebnis kostet 14 Euro für PC (heute im Angebot für 11,19 Euro) und soll im Laufe des Jahres für die PS4 erscheinen.

Acht Arme für ein Halleluja

Die Steuerung legt es darauf an, euch alle paar Minuten einen Frustschrei zu entlocken. Das ist Absicht. Das Spiel steht in der Tradition anderer Hakel-Meisterwerke wie QWOP oder Surgeon Simulator. Den Alltag meistert ihr in zwei Bewegungs-Modi: Im Greifmodus lenkt ihr Octodads Arm auf der Horizontalen oder Vertikalen und grapscht per Knopfdruck alles, was euch unter die Saugnäpfe kommt. Im Lauf-Modus steuert ihr abwechselnd das linke und das rechte "Bein". Ihr könnt dabei Maus und Tastatur verwenden oder ein Gamepad anschließen. Tut euch einen Gefallen und greift zum Pad! Damit ist der Kraken dank der Sticks und Schultertasten viel einfacher zu koordinieren. Mit etwas Übung klappt das gut - die Lernkurve des Spiels ist sauber durchgeplant und nicht sonderlich steil.

Als besonderes Schmankerl gibt es einen Koop-Modus für zwei bis vier Spieler, bei dem die Steuerung des Meerestieres auf mehrere Eingabegeräte verteilt wird. Ich überlasse es eurer Fantasie, passenden Party-Szenarien für diese Option zu entwickeln. Sagt aber vielleicht vorher euren Nachbarn Bescheid, dass es gleich etwas lauter werden könnte.

Die Steuerung legt es darauf an, euch alle paar Minuten einen Frustschrei zu entlocken. Das ist Absicht.

Später dürft ihr euch in einem Aqua-Zoo bei diversen Minispielen beweisen. Dummerweise verderben die folgenden Schleichpassagen den Spaß.

Doch mit der Bewältigung von Alltagsaufgaben und gnadenloser Physikengine allein ist es nicht getan: Ihr müsst unauffällig bleiben. Werdet ihr beobachtet, zeigen gepunktete Linien, wer euch gerade auf dem Kieker hat. Leistet ihr euch in dieser Zeit einen Oktopus-typischen Fauxpas, füllt sich eine "Tintenleiste". Ist diese voll, seid ihr enttarnt und müsst den Abschnitt neu beginnen. Perfide daran ist, dass erfahrungsgemäß das Chaos zunimmt, je mehr man den Kraken zu kontrollieren versucht. Dafür sorgen die Designer mit gemein platzierten Dosenstapeln, Bananenschalen, Vasen oder anderen Hindernissen. Situationskomik am Fließband.

Solid Snake? Wohl eher Jelly Octopus!

In den ersten Kapiteln halten die Entwickler das Konzept wunderbar durch und konfrontieren ihren achtarmigen Helden mit einer vollen Breitseite Alltags-Slapstick: Bis zur Mitte des Abenteuers sprüht das Spiel vor witzigen Ideen und fitzeligen Herausforderungen. Dann aber kommt Octodad vom Kurs ab und mutiert zum Schleichspiel mit Bosskampf-Einlagen. Das passt leider so gar nicht zum Anarcho-Charme der ersten Hälfte. Zudem gibt es hier gelegentlich Stellen, an denen Octodad rettungslos in der Levelarchitektur hängen bleibt.

Stealth-Action mit einer solchen Steuerung stellt einen Splinter-Cell-Metal-Gear-Deus-Ex-Thief-Fan wie mich vor ganz neue Herausforderungen, macht aber fünf Minuten lang durchaus Spaß. Nach zehn Minuten grenzt es dann an Körperverletzung. Nach fünfzehn Minuten klopfen Mitmenschen an die Tür und fragen, ob alles in Ordnung sei. Nach zwanzig Minuten brauche ich eine Tasse heißen Kakao und eine warme Decke.

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Ich hätte mir statt der finalen Schleich-Level noch mehr Höhepunkte aus dem Leben dieses Kraken mit seiner Familie gewünscht: Octodad bei der Arbeit. Octodad beim Restaurantbesuch. Octodad im Fitnessstudio. Octodad repariert die Regenrinne. Octodad trifft die Eltern seiner Frau. Octodad beim Kindergeburtstag. Octodad im Kreißsaal ... Die Absicht der Entwickler, ihrer Figur einen soliden Plot-Unterbau zu verpassen, in allen Ehren, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass man hier einige Chancen vergab. Zudem ist das Spiel extrem schnell vorbei: Grob zwei Stunden vergehen von Vor- bis Abspann. Dankbarerweise gibt es einen Level-Editor, mit dessen Hilfe sich die PC-Community an neuen Szenarien abarbeiten kann (Steam-Workshop).

Konzept, Optik, Gameplay und Humor bei Octodad: Dadliest Catch stimmen. Hätten die Entwickler den Anarcho-Spaß der ersten Kapitel konsequent ausgebaut, wäre der Titel ein Knaller ohne Reue. Der knüppelharte Schleichpart und ein paar unsauber platzierte Level-Elemente überschatten dann aber leider den gelungenen Einstieg. Zudem ist das Spiel arg kurz geraten. Selbst wenn man sich die Mühe macht, alle Szenarien nochmals nach versteckten Krawatten abzugrasen, wird man die Zwei-Stunden-Marke kaum überschreiten. Ein, zwei Partyeinsätze im Koop-Modus kommen vielleicht noch oben drauf, dann ist erst einmal Schicht, bis die Modder-Community nachgelegt hat. Dennoch verdienen dieser charmante Oktopus und die kreativen Köpfe bei Young Horses eine Chance. Zumindest die kostenlose Urversion solltet ihr euch nicht entgehen lassen - die gibt es auf der Offiziellen Seite. Es würde mich nicht wundern, wenn ihr danach dem achtarmigen Papa zum Dank ein paar Euro in die Saugnäpfe drückt. Falls er sie zu fassen bekommt.

7 / 10

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Frank Erik Walter Avatar
Frank Erik Walter: Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Octodad: Dadliest Catch

PS4, Xbox One, PlayStation Vita, Nintendo Wii U, PC, Mac

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