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Octopath Traveler - Test: Achtfach Freud und Leid

Es geht weiter und weiter und weiter ...

Klassisches Rollenspiel mit toller Grafik und schönen Geschichten, das sich aber oft wiederholt. Die Wege der Figuren treffen sich fast nie.

Wenn Ihr an klassische Rollenspiele japanischer Prägung mit vielen verschiedenen Figuren denkt, ist der Gedanke an Final Fantasy VI vermutlich nicht weit. Ein wirklich großes Abenteuer mit allerhand Rätseln, denkwürdigen Szenen und vor allem für die damalige Zeit unglaublich gut geschriebenen Figuren. Mit Octopath Traveler versucht Square Enix in diesen Spuren zu wandeln und ist damit erfolgreich - wenn auch nur teilweise.

Der zunächst seltsam anmutende Name bedeutet vor allem, dass ihr den Wegen von acht verschiedenen Spielfiguren folgt, nicht so sehr jedoch, dass sich diese Wege auch kreuzen. Trotzdem weiß das Spiel in seinen Bann zu ziehen, was unter anderem an der vom Entwickler "HD 2D" genannten Grafik liegt. Ist natürlich Quatsch, diese grundsätzliche Darstellung der Spielwelt gibt es schon seit gefühlten Ewigkeiten - hier aber wirken die in die Spielwelt gesetzten Figuren tatsächlich ein wenig wie pixelhafte Scherenschnitte in einem 3D-Diorama. Man nenne es wie man will - es verleiht dem Spiel einen ganz eigenen grafischen Charme.

Es mag schielen, aber es ist trotzdem ein ernstzunehmender Gegner. (Octopath Traveler - Test)

Davon mal abgesehen, steckt aber sehr viel klassisches Rollenspiel in Octopath Traveler. Ihr kämpft recht ähnlich wie in frühen Final-Fantasy-Titeln der Reihe nach, wählt eure Attacken und wartet dann, was der Gegner macht - ein komplett rundenbasiertes System, Echtzeit-Elemente gibt es nicht. Jede der Figuren hat eine Spezialisierung, mit gewonnenen Kämpfen gewinnt ihr Erfahrungspunkte und schaltet neue Fähigkeiten frei. Kennt man, funktioniert aber immer noch gut. Die klassische Japano-Blaupause eines Kampfsystems wird nie wirklich alt, sie gewinnt aber, wenn man frische Elemente hinzufügt. Das macht Square Enix hier, denn über bestimmte Aktionen könnt ihr eure Gegner ausknocken.

Je nach Fähigkeit oder schlicht via Versuch und Irrtum findet ihr heraus, wo ein Gegner besonders anfällig ist. Meinetwegen für Attacken mit dem Speer oder für Eis- oder Blitz-Zauber. Verwendet ihr diese Aktion oft genug, um alle Schichten seiner Verteidigung zu knacken, wird der Gegner bewusstlos. Das bedeutet nicht nur, dass er für kurze Zeit nicht mehr agieren wird, es macht ihn auch anfällig für so gut wie jede Attacke. Hinzu kommt, dass ihr eure eigenen Fähigkeiten während des Kampfes in fünf Boost-Stufen steigert, automatisch. Ein Druck auf die R1-Taste verdoppelt die Wirkung der gewählten Fähigkeit dann, zwei verdreifachen sie, und so weiter. Auf diese Weise könnt ihr den Widerstand eurer Gegner besonders schnell gen null prügeln. Spart einfach ein bisschen und schlagt dann fünf Mal mit dem Schwert zu. Lernt ihr, wie ihr richtig mit diesem System umzugehen habt, habt ihr schon einen Großteil von Octopath Traveler verstanden. Wisst, wann ihr eure Punkte besser spart und lernt, wann ihr sie am besten alle auf einmal in einem befriedigenden Riesenangriff vom Stapel lasst.

Der Grafikstil von Octopath Traveler kommt in solchen Szenen besonders gut rüber - mit Unschärfe im Hintergrund. (Octopath Traveler - Test)

Wie gesagt - ein Kampfsystem wie dieses ist zeitlos. Es funktionierte in verschiedenen Spielen immer wieder. Ich glaube nur nicht, dass es 80 Stunden am Stück funktioniert. Das ist nämlich die Zeit, die ihr benötigen werdet, um Octopath Traveler wirklich komplett durchzuspielen. Ihr könnt eure Spielzeit aber auch deutlich verkürzen, was aber bedeutet, dass ihr dann die Hälfte des Spiels gar nicht erlebt. Beim ersten Start des Spiels könnt ihr euch für eine von acht Figuren entscheiden, deren erste Quest ihr dann allein durchstehen müsst. Ihr startet in einem kleinen Städtchen, erlebt eine kurze Geschichte, lauft durch einen Dungeon und besiegt einen Boss. Dann lauft ihr weiter in die nächste Stadt. Dort trefft ihr dann die nächste Figur, vier passen in eine Party, acht gibt es insgesamt. Ihr könnt also alle Figuren einsammeln, müsst ihr aber nicht. Wollt ihr aber vielleicht.

Hier sucht ihr euch gerade eure Startfigur aus. (Octopath Traveler - Test)

Die Spielwelt von Octopath Traveler trägt den Namen Orsterra und Orsterra ist nach dieser ersten Quest euer Spielplatz. Ihr könnt euch frei entscheiden, wen ihr als nächstes in euren Kreis aufnehmen und mit wem ihr kämpfen wollt. Vier Figuren können gleichzeitig in der Party aktiv sein, soll jemand hinzukommen, müsst ihr einen anderen Charakter aus der Party nehmen. Das geschieht in den Gasthäusern der verschiedenen Städte.

Jede Figur durchläuft während ihrer Geschichte vier Kapitel. Soll heißen: Wenn ihr Octopath Traveler komplett und der Reihe nach erleben wollt, erledigt ihr die acht ersten Charakter-Quests aus Kapitel eins und schickt danach jede Figur durch ihr zweites Kapitel. Seid ihr eher freigeistiger unterwegs, könntet ihr aber jederzeit auch nur mit vier Figuren das Spiel durchspielen und die Geschichten der anderen vier einfach ignorieren. Genau das könnt ihr auch mit sechs Figuren machen oder theoretisch auch nur mit einer. Oder ihr greift im dritten Kapitel auf einmal das erste Kapitel einer Figur auf, die ihr bisher noch nie gesehen habt. Geht alles, führt nur zu gewissen Gameplay-Problemen. Weil die Figuren, die ihr nicht spielt, nämlich auch nicht leveln.

Ein befriedigender Blitzangriff. (Octopath Traveler - Test)

Ich habe Octopath Traveler gespielt, indem ich mir eine relativ überlevelte Dreierparty zusammengestellt habe, dazu gehörten der Gelehrte Cyrus, eine Art Magier, meine Heilerin Ophilia und H'aanit, eine Jägerin, die vor allem deshalb nett ist, weil sie Gegner einfangen kann und sie gegen andere Feinde wenden kann. Eine kleine Prise Pokémon ist nie verkehrt. Mit diesen drei Figuren habe ich jedenfalls die Landkarte abgegrast und dann für weitere Quests unterschiedliche Figuren dazugenommen, wenn sie erforderlich waren, um bestimmte Quests zu erfüllen. Das hat dazu geführt, dass immer eine Figur chronisch unterlevelt war, drei jedoch dauernd drüber. Und das hat gereicht, um die meisten Gegner zu besiegen. Wie gesagt: Ihr müsst das nicht so machen, ihr könnt auch ständig durchwechseln und alle gleichermaßen aufleveln, aber natürlich entwickelt man irgendwann eine Vorliebe für gewisse Figuren. Niemals würde ich auf Cyrus' Fähigkeit verzichten wollen, gleich zwei Elementarzauber auf einmal rauszuballern und so anfälligen Gegnern schwer zuzusetzen.

Letztlich spielt sich jede Figur von Octopath Traveler wie ein eigenes kleines Spiel, nur in der gleichen Welt. Ihr habt die Wahl: Sucht etwa denjenigen, der euren Meister verschleppt hat. Oder ihr wollt großer Arena-Champion werden. Und dann sucht ihr euch Freunde, mit denen ihr dieses Ziel erreichen wollt und die schleppt ihr dann mit euch rum. Nur dass diese Freunde ihre eigenen Ziele haben, das ignoriert das Spiel dann immer wieder. Wenn sie gerade nicht in ihren Quests sind, erwähnen sie nur sehr selten, was sie miteinander verbindet. Ihr müsst sogar extra auf die Plus-Taste drücken, um gruppeninterne Gespräche auszulösen, die ihr im Übrigen auch einfach ignorieren könntet. Sie tragen nicht zu einer übergeordneten, alle Figuren verknüpfenden Geschichte bei, weil es die einfach nicht gibt. Jeder Held spielt sein eigenes Abenteuer, während die anderen im Grunde nur einen spielerischen Beitrag leisten und von einem Charakter zu einem Sack an taktischen Möglichkeiten degradiert werden. Schade.

So sieht die Weltkarte aus. Im Verlauf der Geschichte werden weitere Gebiete aufgedeckt. (Octopath Traveler - Test)

Trotzdem wird in Octopath Traveler wird unglaublich viel geredet. Ich weiß, dass das in japanischen Rollenspielen nicht unüblich ist und eigentlich finde ich längere Gespräche auch nicht grundsätzlich schlimm, aber hier hatte ich doch den Eindruck, dass die Entwickler eine ohnehin schon lange Spielzeit nochmal strecken wollten, indem sie die Dialoge bewusst gummibandartig in die Länge gezogen haben. Eine Figur sagt: Okay. Die andere sagt: Na dann. Erstgesagte Figur sagt: Dann werde ich jetzt gehen. Die zweite sagt: Bevor du gehst ... Dann geht sie einen Schritt vor, das dauert nochmal zwei Sekunden. Dann sagt sie: Ich habe hier noch etwas für dich. Erste Figur wieder: Ist das ...? Zweite Figur: Es gehörte deinem Vater. Ich habe diese Szene gerade frei erfunden, aber sowas passiert bei Octopath Traveler andauernd und es trägt nicht wirklich dazu bei, die Atmosphäre dichter zu gestalten. Es ist etwas, das ihr wegdrücken wollt, eure Konsole anbrüllend: Komm zum Punkt!

Der Punkt ist: Die Geschichten in Octopath Traveler sind von gemischter Qualität. Es gibt den einen oder anderen spannenden Krimi, ja. Aber es gibt eben auch die langweiligen Heldengeschichten, die ihr in ähnlichen Spielen schon tausendfach gesehen habt. Das Problem ist nun, dass ihr manche davon allein aus Gameplay-Gründen durchqueren müsst, wollt ihr nicht einfach in der Wildnis grinden, um in späteren Gebieten nicht über die Level-Schwelle zu stolpern. Also lauft ihr von Dorf zu Dorf, hört euch Dialoge an, lauft durch Dungeons, die nur deshalb so genannt werden können, weil hier und da mal zehn Meter nach einer Wegabzweigung in einer Sackgasse eine Schatztruhe steckt. Zuletzt macht ihr euch an den Boss und seid hoffentlich stark genug dafür.

Es sind auch Momente wie diese, die den Kampf in Octopath Traveler zu einem Erlebnis machen. (Octopath Traveler - Test)

Und dann drückt ihr euch wieder durch einen Dialog mit ganz viel: Geh noch nicht! Ich habe dir noch etwas zu sagen! Es gibt Nebenquests, in jeder Stadt sogar und nicht einmal wenige. Die tragen teilweise ein wenig zur Interaktion zwischen den Figuren bei, indem sie bestimmte Gespräche triggern, die dann aber letzten Endes doch wieder bedeutungslos sind. Genauso ist es mit den Spezialfähigkeiten der Figuren, die nicht kampfrelevant sind.

Einer kann NPCs aushorchen und so Informationen über sie erfahren, ein anderer kann sie zum Kampf herausfordern und so eventuell einen Weg öffnen oder ein Problem eines Questgebers beseitigen. Oft ist es aber auch einfach ein simples Mittel zur Item-Beschaffung ohne weitere Konsequenzen. Ihr könntet euch in jedem Dorf so durch jeden NPC klicken, dann die Party durchrotieren und auch deren Skills noch einmal anwenden, aber naja ... das macht auf Dauer keinen Spaß.

Letzten Endes möchte ich Octopath Traveler nicht verdammen, die wichtigsten Mechanismen sitzen und es hat mir immer wieder Spaß gemacht, nachdem ich mich durch die inhaltslosen Dialoge gedrückt hatte. Aber als Ganzes wirkt auf mich doch, als hätten die Entwickler versucht, das Spiel unnötig zu strecken. Dabei ist der Gedanke gut: Acht Figuren und jede erlebt ihre eigene Geschichte in einer Fantasy-Welt, welcher ihr folgt, ist eure Sache. Das wäre okay, gäbe es da irgendwelche Verbindungen, Überraschungen und einen Questfaden, an dem alle gemeinsam ziehen dürfen. Der würde erklären, warum diese Leute zusammenfinden, sich gegenseitig helfen. Aber Octopath Traveler hat eben nicht diese weltumspannende Geschichte, es erzählt viele kleine. Das ist okay und das Kampfsystem ist ebenso altmodisch wie super. Was bleibt, ist ein schönes klassisches Rollenspiel mit vielen Möglichkeiten. Aber es ist kein neues Final Fantasy VI.


Entwickler/Publisher: Square Enix/Nintendo - Erscheint für: Switch - Preis: etwa 50 Euro - Erscheint am: 13. Juli 2018 - Getestete Version: Switch - Sprache: deutsche Bildschirmtexte, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein

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