Off-Road Drive - Test
Matschig
Es gibt Spiele, bei denen man sofort weiß, welches Feature man schmerzlich vermissen wird. Off-Road Drive ist hierbei ein klassisches Beispiel. Minuten habe ich das Hauptmenü nach einem Freie-Fahrt-Modus, einem Abenteuer-Modus durchwühlt - ohne Ergebnis. Gibt es nicht, will man wohl nicht. Dabei ist genau dieses Spiel für solch einen Modus prädestiniert. Frei durch die Gegend über Stock und Stein, durch Schlamm, Sümpfe und Pfützen brausen, eben das pure Off-Road-Feeling genießen. Stattdessen verschlägt es euren SUV lediglich auf enge Kurse, die dafür aber in einem absolut horrenden Zustand sind. Es ist somit nicht nur der Kampf um die beste Zeit, sondern vielmehr das Bewältigen der Strecke an sich. Hat man das erst mal geschafft, darf man sich um die Zeit und die nicht sichtbare Konkurrenz sorgen machen.
Die vom russischen Entwickler 1C Avalon simulierten Off-Road-Rennen sind eine interessante Disziplin, erfordern sie doch einiges an Fahrgefühl und den entsprechenden Riecher in der richtigen Situation. Hindernisse wie mitten auf der Fahrbahn liegende Baumstämme, Geröll, tiefe Matschgruben, Sümpfe oder matschige Anstiege müssen erst mal gemeistert werden. Simples Vollgasfahren ist nicht, vielmehr verändert ihr stetig die Einstellungen eures Fahrzeugs. Ihr spielt mit dem Differential, verändert den Reifendruck oder zieht euch mit einem Seil aus dem Matsch. Mal fahrt ihr 4x4, mal nur 2x2. Selbst das einfache Durchfahren einer etwas tieferen Wassergrube wird zum Erlebnis, da die Gänge im richtigen Moment für das entsprechende "Momentum" zurückgeschaltet werden müssen. Ansonsten bleibt man stecken.
Dann versucht man sich mit Vor- oder Zurückzucken des Fahrzeugs aus der Situation zu befreien. Mit Pech, zum Beispiel in einer Matschgrube, gräbt man sich dann noch tiefer ein. Die Physik funktioniert außerordentlich gut und unterscheidet auch, ob ihr beispielsweise mit den Vorderreifen auf festem Untergrund und mit den Hinterreifen noch im Matsch steckt. Gelegentlich hat aber auch sie einige Aussetzer, etwa dann, wenn ihr mit entsprechendem "Momentum" über Geröll rast, obwohl es euren Wagen eigentlich ausheben sollte. Eine Reset-Taste gibt es zwar auch, diese ist aber mit einer Strafzeit versehen und setzt einen mitunter auch gerne mal direkt wieder mitten ins Hindernis anstatt davor. Teilweise kam es sogar vor, dass ich irgendwo komplett in der Streckenbegrenzung steckenblieb und nicht mal der Reset half.
Und das ist etwas, was auf den engen Kursen gerne mal passiert. Berührt ihr beispielsweise nur leicht die Streckenbegrenzung, hagelt es Zeitstrafen. Allein damit hätte man schon ordentlich am Lenkrad zu kurbeln, die vielen, je nach Streckentypus in Rußland, Afrika oder Thailand, unterschiedlichen Hindernisse sind aber letztlich die eigentlichen Schweißperlen-Erzeuger. Das Tutorial hilft zwar bei der Bewältigung von Beispielhindernissen, das Meistern der eigentlichen Kurse will aber erst gelernt sein, was mehrmaliges Fahren derselben Strecken miteinschließt.
Off-Road Drive erfordert ein Umdenken, vorsichtiges Herantasten und ein stetiges Wechselspiel mit den Einstellungen des Vehikels. Lenkräder oder gar Gamepads wie der Xbox-360-Controller werden unterstützt, aufgrund der überladenen Steuerung muss über kurz oder lang aber noch zusätzlich auf die Tastatur zurückgegriffen werden. Daraus entstehen dann kuriose Kombinationen, wie etwa die Shift-Taste auf dem Keyboard und den Y-Knopf am 360-Controller gleichzeitig zu drücken. Spielt sich, gelinde ausgedrückt, etwas unbequem. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen.
Spannend ist der sich stetig verändernde Untergrund. Ihr hinterlaßt Spuren, die bis zum Rennende bleiben und euch sogar helfen, da ihr auf einer glatten, matschigen Fahrbahn in der zweiten Runde eurer Linie folgen könnt und so mit mehr Grip um die Kurven kommt. Das Ganze sieht nicht nur hervorragend aus, sondern wirkt sich auch spürbar realistisch aufs Fahrverhalten aus.
Weniger toll ist hingegen das quasi nicht vorhandene Schadensmodell. Mehr als toll aussehenden Matsch und Schlamm gibt es auf den Vehikeln nicht zu bestaunen, egal ob ihr gerade frontal gegen einen Baum geknallt oder euch überschlagen habt. Mitunter prallen die Fahrzeuge bei Physikaussetzern auch wie Gummibälle von der Streckenbegrenzung ab.
Off-Road Drive ist ein klassisches Nischenspiel, für Fans dieser Art von Autosport. Das erkennt man auch daran, dass ich kein offenes Multiplayer-Spiel gefunden habe. Einen Online- wie auch LAN-Modus gibt es zwar, aber wer keine Gleichgesinnten findet, der wird sich wohl im Einzelspieler vergnügen müssen. Halb so wild, denn das gelingt den Russen von 1C Avalon ganz gut, wenn auch einige Fehler und Probleme der Off-Road-Raserei nicht zu ignorieren sind. Es benötigt Geduld und eine gehörige Einarbeitungszeit, bevor man die herausfordernden Strecken meistert. Das konstante Herumspielen mit den Einstellungen macht Spaß, ist mit dem konfusen Zusammenspiel zwischen Tastatur und Eingabegerät aber viel zu überladen. Schmerzlich vermisse ich außerdem die freie Fahrt durchs offene Terrain. Verschenktes Potential sozusagen. Etwas, was sich wie ein roter Faden durchs gesamte Spiel zieht. Und dennoch ist Off-Road Drive der realistischste Vertreter dieser Art von Autosport.
Off-Road Drive ist über Steam zum Budget-Preis von 24,99 Euro erhältlich.