Ori and the Will of the Wisps - Spielend glücklich sein
Eines für alle mit einem Herz aus Stein.
In 14 Tagen ist es endlich soweit, das Metroidvania, das das große Revival des Genres startete, kehrt zurück. Kann man das so sagen? Das mit Ori, als Vorbote der Flut an Metroidvanias, die da kommen sollten? Wahrscheinlich nicht, denn meine Quelle dafür ist vielleicht nicht ganz wissenschaftlich fundiert. In den letzten fünf Jahren seit Ori and the Blind Forest erschien, bekam ich ungefähr 600 Mails in denen exakt dieses Wort vorkam. In den fünf Jahren davor 20. Etwas hat sich mit diesem Spiel damals verändert. Das oder Xeodrifter war weit erfolgreicher als ich jemals dachte. Also, selbst wenn es nicht Oris Schuld gewesen sein sollte, es fand sich damals an der Front eines aufblühenden Genres, in dem sich heute zig Artgenossen, teilweise unglaublich hochwertiger Art, tummeln. Und doch reichen nur zehn Minuten mit Ori and the Will of the Wisps, um zu wissen, dass es in dieser Flut sicher nicht untergehen wird.
Schon der erste Teil war für viel Herz bekannt. Das waren nicht einfach nur Sprites, da fand sich Liebe und Hingabe auf dem Screen, die sich in jedem Aspekt zeigten. Ein Augenaufschlag der niedlichen Bewohner dieser hinreißenden Welt und man war verloren oder brauchte zumindest ein Herz aus Stein, um sich dagegen zu wehren. Sie haben in den letzten fünf Jahren nichts verlernt. Wer Sorgen hatte, dass der Charme des als Indie gestarteten Vorgängers nun im zweiten Teil verflogen sein könnte, irrt sich gewaltig. Ganz im Gegenteil. Als würden sie ein Vorsprechen für Pixar und Ghibli durchexerzieren, geben die Protagonisten alles und landen einen Erfolg nach dem anderen, wenn es darum geht, diesem kalten Gamer-Herz Emotionen zu entlocken.
Die Geschichte setzt zunächst recht nahtlos an, Ori und seine Freunde ziehen das kleine Eulen-Küken, Kuros Kind, auf und alles ist nett. Aber Fliegen klappt nicht, was die kleine Eule immer mehr verzweifeln lässt. Trotz aller Motivation durch das liebenswerte Trio aus dem Vorgänger bleibt die Luft nicht unter dem einen geschundenen Flügel der Eule. Erst eine Art magischer Feder löst das Problem - ich denke es ist eine Feder von Kuro, aber das ist alles ein paar Jahre her - und übermütig fliegen Eule und Ori in Richtung unbekannter Inseln. Wo sie dank eines wahrscheinlich nicht ganz natürlichen Sturmes auch erst einmal unsanft stranden.
Soweit zur herzallerliebst erzählten Vorgeschichte, was folgt, ist Metroidvania in Reinstform. Nach und nach erkundet ihr eine neue, aber doch vertraut wirkende Welt von Wäldern, Höhlen und Ruinen, aber statt einer Level-Progression orientiert man sich mehr an Hollow Knight. Durch Geist-Bäume, über die ihr immer wieder stolpert, schaltet ihr neue Fertigkeiten und Waffen frei, die ganz zufällig bei einem nicht weit entfernt liegenden Problem jedes Mal Wunder wirken. Ein Sprung ist zu weit? Ihr findet einen Dash in der Luft, der euch ein gutes Stück weiterträgt. Ein Schalter muss aktiviert werden? Kein Problem dank eines Geist-Pfeils, den ihr nun verschießen könnt. Ihr musstet auch nur einen Boss besiegen oder eine versteckte Höhle finden.
Nach fünf Jahren der Metroidvania-Flut lohnt es kaum noch, das generelle Gameplay zu erklären. Wie gut es hier funktioniert, das wiederum lohnt sicher der Erwähnung, denn der eigentlich zumindest in der ersten Hälfte - so erwähnten die Entwickler am Rande - sehr lineare Weg fühlt sich gar nicht so an. Es spielt sich absolut natürlich, als wäre es ganz allein eure Idee, den Weg so zu gehen. Das zu erreichen, ist nicht einfach und zumindest teilweise einem 2017 geheuerten bekannten Namen zu verdanken: Der Argentinier Milton Guasti ist mit dem Genre gut vertraut, schuf er doch mit AM2R eines der besten Metroids, das nicht von Nintendo kam. Er und andere könnten das schaffen, was Moon Studios' Thomas Mahler schon vor einer Weile mal erwähnte, nämlich, dass Will of the Wisps im Vergleich zu Blind Forest das wird, was Super Mario 3 im Vergleich zu Mario war. Nun, so sehr ich hier liebe, was ich sehe und spiele, dass Will of the Wisps einen gänzlich neuen Blick gibt, was in einem Genre möglich ist, sehe ich nicht. Aber in Sachen Leveldesign glänzt es nichtsdestotrotz.
Dass das auch Spaß macht, liegt an Oris Bewegungen. Diese waren schon das, was man in Fachkreisen "tight" nennt. Jeder Hüpfer und jede Aktion erfolgt mit Präzision und klarer Berechenbarkeit. Eine komplexe Sprungfolge darf kein Zufallselement haben, ihr müsst, wenn ihr zu Boden geht und von vorn anfangt, wissen, dass es allein euer Fehler war. Wenn es geht, ohne es mit einer Brutalität unter die Nase gerieben zu bekommen, wie sie Hollow Knight gern aufwendet. Sondern etwas gefühlvoller - und das kann Will of the Wisps gut. Zig Mal startete ich einen Sprung. Zig Mal fiel Ori auf die Nase. Ich wusste sogar, dass da oben nur ein Upgrade liegt, mit dem ich im Rahmen so einer Anspielsession nicht so viel anfangen kann. Aber verdammt noch mal lenkt sich Ori elegant und verdammt noch mal wollte ich es schaffen, um zu sehen, dass ich es hinbekomme. Was mir auch gelang und es fühlte sich gut an. Ori macht glücklich.
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Das ist auch schon das wichtigste Fazit, das man aus diesem ersten Anspielen mitnehmen muss: Ori ist noch schöner, es ist deutlich größer, nicht viel komplexer, aber vor allem macht es glücklich. Die Kombination aus routiniert brillantem Leveldesign, der fast perfekten Kontrolle über den kleinen Ori und der Look, der einem das Herz schmelzen lässt, schafft, dass es ein wenig hohl wirkt, was man in den nächsten Tagen so an anderen Dingen spielt. Man möchte wieder glücklich sein und das klappte mit Ori and the Will of the Wisps diese drei Stunden lang halt bestens. Daher tat ich im Anschluss auch das einzig Sinnvolle: Ich kaufte mir Ori and the Blind Forest noch mal auf der Switch und werde damit die nächsten zwei Wochen gut überbrücken können. Man kann einfach nie genug Ori haben, wie sich herausstellte.
Entwickler/Publisher: Moon Studios / Microsoft Erscheint für: PC, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 11.3.2020 - Angespielt auf Plattform: PC