Oriental Empires: Wie ein kleines Team gegen die große Konkurrenz bestehen will
Lead Developer R.T. "Bob" Smith im Gespräch über das Strategiespiel.
Wenn ihr an 4X-Strategiespiele mit historischen Szenarien denkt, kommen euch vermutlich erst mal Titel wie Creative Assemblys Total-War-Reihe oder Firaxis' Civilization-Serie in den Sinn. Dann gibt es da noch Europa Universalis und die Endless-Reihe, jenseits davon wird es aber schon relativ dünn. Gut möglich, dass sich viele denken, sie könnten es nicht mit den Platzhirschen des Genres aufnehmen und versuchen es erst gar nicht.
Bei den Shining Pixel Studios hat man sich aber getraut und mit Oriental Empires ein historisches 4X-Strategiespiel zur Zeit des antiken Chinas geschaffen. Und auch hier wollen Länder entwickelt, Städte gebaut, Armeen aufgestellt und Kämpfe bestritten werden, was sonst? Während euer Abenteuer noch als kleine, einzelne Nation beginnt, baut ihr euren Machteinfluss immer weiter aus, ob nun durch diplomatische oder militärische Künste, um euch am Ende an die Spitze von China setzen zu können.
Dabei stand China zu Beginn der Entwicklung des Spiels gar nicht mal so sehr im Fokus wie am Ende, verrät Lead Developer R.T. "Bob" Smith im Gespräch mit Eurogamer.de: "Die ursprüngliche Idee war, ein Spiel zu entwickeln, das den gesamten Bereich von Ostasien abdeckt. Aber sobald ich damit anfing, Nachforschungen über die Geschichte von China anzustellen, erkannte ich, dass es hier so viel faszinierendes Material gibt, das es verdient hatte, im Fokus unseres Spiels zu stehen. Den umliegenden Ländern widmen wir uns nun in zukünftigen Erweiterungen."
Smith selbst hat einiges an Erfahrung mit eingebracht. Seit den 80er Jahren arbeitet er an Strategie- und Kriegsspielen, beschäftigte sich mit Konsolenspielen, 3D-Beschleunigern und war sieben Jahre lang in verschiedenen Positionen an der Total-War-Reihe beteiligt, vom KI-Programmierer bis hin zum Project Director.
In die Nachforschungen hat man jedenfalls viel Zeit investiert, zumal es sehr schwierig sei, sich die Namen zu merken, verrät er. Man müsse immer Kompromisse eingehen, wenn man versucht, Geschichte und Gameplay miteinander zu kombinieren. Im Endeffekt versuche er aber immer, etwas Geschichtliches als Ausgangspunkt für ein Feature im Spiel zu nehmen.
Rund ein Jahr lang befand sich Oriental Empires im Early Access, bevor Mitte September die finale Version erschien. Diesen einjährigen Zeitraum empfand Smith schon fast als zu lang, dennoch schätzt er das dadurch erhaltene Feedback sehr, insbesondere im Bereich der Steuerung, Menüführung und Vermittlung von Informationen.
Im Endeffekt sei das Spiel durch den Early Access zu einem besseren Produkt geworden, betont er: "Es ist ein sehr wertvolles System. Selbst bei großen, komplexen Spielen mit Triple-A-Budget ist es unmöglich, sie lange genug zu testen, daher ist das Feedback der Early-Access-Spieler von unschätzbarem Wert. Ich verstehe, dass das nicht jedermanns Sache ist, aber viele Spieler erwarten, dass sie ihre Lieblingsspiele über viele Jahre hinweg spielen. Und sie sind bereit dazu, mit den Entwicklern zusammenzuarbeiten, um sie besser zu machen. Daher möchte ich all den Spielern danken, die vor und nach dem Launch Feedback zu Oriental Empires abgegeben haben."
Mit dem Resultat seiner Bemühungen ist man anhand der bisher überwiegend positiven Bewertungen auf Steam ziemlich zufrieden. Zusätzlich dazu erhalte man jede Menge Feedback und will sich mit so viel davon wie möglich befassen, während man weiterhin am Spiel arbeitet.
Vor Oriental Empires haben sich die Shining Pixel Studios mit Armada 2526 übrigens im Weltraum ausgetobt. Was man davon mitnehmen konnte und wie sich die Entwicklung beider Titel unterschied, die im Grunde ja zum gleichen Genre gehören, erklärt Smith wie folgt: "Oriental Empires ist ein weitaus ambitionierteres Spiel, als es Armada war, sowohl was technische als auch spielerische Innovationen anbelangt. Armada markierte meine Rückkehr zur Entwicklung unabhängiger Spiele, nachdem ich zuvor viele Jahre für große Studios gearbeitete hatte. Ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung davon, wie groß der Markt ist, hatte keine Technologie, auf deren Grundlage ich arbeiten konnte, und musste für den künstlerischen Bereich ein neues Team zusammenstellen. Aufgrund dieser ganzen Risikofaktoren ging ich beim Game-Design vielleicht auf Nummer sicher. Im Vergleich dazu ist Oriental Empires in puncto Design sehr viel innovativer und stellte uns vor mehr signifikante technische Herausforderungen. Es war auch mehr ein künstlerisch fokussiertes Design, viel Zeit wurde mit der Gestaltung und Umsetzung der grafischen Seite verbracht."
Und wie es bei Spielen üblich ist, gibt es viele Dinge und Ideen, die im Verlaufe der Entwicklungsarbeiten der Schere zum Opfer fallen. Entwickelt wurde etwa ein Interface-Design, um Söldner anheuern zu können, ebenso erstellte man alle Grafiken und Animationen für einen Rammbock. Beides schaffte es nicht ins finale Spiel.
Was die Zukunft von Oriental Empires betrifft, plant man derzeit einige weitere Updates. Mit diesen soll unter anderem ein Map-Editor veröffentlicht werden, damit die Spieler selbst kreativ werden können. Anschließend beginnt das Studio mit der Arbeit an DLCs, um wie bereits zuvor angesprochen die Karte zu erweitern und sich auf bestimmte historische Zeitperioden zu konzentrieren. Ebenso sollen neue Spielfeatures hinzukommen, die das unterstützen, was man mit den DLCs erreichen möchte. Ansonsten stehen natürlich noch Verbesserungen und Verfeinerungen des Hauptspiels auf dem Programm.
Smith glaubt übrigens, dass sich Shining Pixel mit Oriental Empires ganz gut von der starken Konkurrenz abheben kann: "Ich würde sagen, dass es vier wichtige Punkte gibt. Das Szenario, die Art und Weise, wie das Spiel Geschichte mit 4X-Gameplay verknüpft, die Möglichkeit, ganz hinein zu zoomen und tatsächlich in der Spielwelt zu stehen, und dass große Schlachten in Echtzeit auf der Strategiekarte ausgetragen werden."
Ein weiteres Weltraumstrategiespiel oder einen Titel mit historischem Setting solltet ihr als nächstes übrigens nicht von den Shining Pixel Studios erwarten. Smith gibt an, dass noch mindestens ein weiteres Jahr und "hoffentlich länger" an Oriental Empires gearbeitet wird. Daher dürfte es noch ein Weilchen dauern, bis man mit einem neuen Projekt beginnt. Gedanken hat er sich aber schon darüber gemacht: "Ich habe eine coole Idee für ein Szenario mit alternativer Geschichte, die in meinem Kopf herumschwirrt."
Bis dahin könnt ihr euch erst mal noch mit Oriental Empires beschäftigen, das auf Steam erhältlich ist.