Out of Place zeigt, wie wichtig eine verlässliche Games-Förderung für die Spiele-Szene wäre
Leben und leiden (und zelten) als Nachwuchsentwickler in Deutschland.
Ende 2018 freute sich Game, der Verband der deutschen Games-Branche, noch über 50 Millionen Euro, die der Bundeshaushalt für die Förderung der hiesigen Spieleindustrie für 2019 beiseitelegte. Man wertete es als wichtigen Schritt, die Branche international konkurrenzfähig zu halten, denn zum einen sind die Produktionskosten hierzulande höher als in den meisten anderen Ländern, zum anderen sieht die öffentliche Hand zum Beispiel in Großbritannien, Frankreich, Polen oder Kanada häufig bereits eine Förderung der Spieleindustrie vor. Alles gut also?
Nun - nicht wirklich: Das zuständige Organ - das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur - hat die Kelle noch nicht einmal in den Topf für 2019 getunkt, schon scheinen weitere Mittel für das Folgejahr passé. Im Haushalt für 2020 ist kein Cent mehr für die Unterstützung der spieleschaffenden Industrie vorgesehen. Das stieß bereits vielfach auf Kritik und zuletzt regten sich auch zahlreiche unionsnahe und sogar CSU-parteiinterne Kräfte, um die Games-Förderung doch noch zu retten.
Das ist gut und richtig. Da das egal wie berechtigte Zetern von Politikern, Fachleuten und Presse aber oft ein wenig amorph und distanziert wirkt, interessierte mich, wie es denjenigen geht, die der Mangel an Rückhalt durch die Regierung unmittelbar betrifft: Die Entwickler - vor allem die kleinen, die bei null anfangen müssen und auf externe Unterstützung angewiesen sind. Das junge Studio Bagpack Games, das sich auf der HAW Hamburg während des Gamedesign-Studiums fand, ist das perfekte Beispiel für ein aufopferungsvolles, talentiertes junges Studio, dem man Mittel und Wege wünschen würde, seine Vision zu verwirklichen, egal wie hochgegriffen sie auch scheinen mag.
Mit ihrer Abschlussarbeit im Studiengang "Zeitabhängige Medien / Sound - Vision - Games" stellten die Studenten Markus Albert, Thomas Hedden, Peter Schmidt und Marvin Gerland binnen drei Monaten mit Out of Place einen derartigen Blickfang auf die Beine, dass nur nahe lag, was die mittlerweile nur noch drei Kern-Entwickler (Gerland ist nicht mehr dabei) nun versuchen: Auf dem Rücken dieser Idee ein aufwendiges Action-Adventure zu erzählen. Dass es zu diesem Schritt überhaupt kam, war alles andere als selbstverständlich: Die Jungentwickler gingen mit dem Ende ihres Studiums im Sommer 2018 erst einmal getrennte Wege.
Doch Peter, Thomas und Markus trafen sich auch nach Feierabend immer wieder. Das Spiel hatte wohl zusammengeschweißt und auf seinen Erschaffern Spuren hinterlassen. Und nicht nur bei ihnen: Im Herbst wurde das Team nach Litauen auf die Game On eingeladen, um Out of Place dort auszustellen, weshalb man im Vorfeld emsig bei Markus zuhause weiter am Spiel arbeitete. Peter erinnert sich: "Spätestens da haben wir gemerkt: Auch wenn wir schon im Job sind, sind wir gedanklich immer weiter bei Out of Place". Der "Ubisoft Blue Byte Newcomer Award" beim Deutschen Entwicklerpreis, den das Quartett im Dezember gewann, dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass sich die jungen Männer im Januar entschlossen, ein Unternehmen zu gründen und Out of Place in Vollzeit zu einem kommerziellen Produkt zu machen. Seit März konnten sie dank einer privaten Investition zu dritt - und mit der Hilfe ihres externen Sound-Experten Fabian Deiss und des Komponisten Dorian Behner - beginnen, das Action-Adventure auf den Weg zu bringen. Schon im April 2019 wurde das Risiko offenbar belohnt, denn auch auf den GameDevDays in Tallinn, Estland, machten die Jungs von sich reden und holten den ersten Preis für das beste Desktop-Spiel.
Wenn es also nur ums Spiel ginge, hätte das Trio direkt gute Karten: Ihr Spielberg'sches Abenteuer des technologiebegabten Jungen Simon, der sich in einer fremden Welt voller gigantischer Maschinen wiederfindet, sieht gut aus und weckt unmittelbar Neugierde. Die flaut auch dann nicht ab, wenn man erste Antworten auf die Fragen bekommt, die das Szenario aufwirft: Simon wurde von Vitki, einem einheimischen Jungen, mehr oder weniger zufällig in dieses kaputte Zauberland geholt und soll diesem nun helfen, den Weg zu seinem Stamm zurück zu finden. Man merkt schnell, dass Bagpack als erstes die Welt erdachte, in der Out of Place spielt. Einen Planeten, gefangen zwischen Traditionalismus und Aberglauben auf der einen und an Magie grenzender Technologie auf der anderen Seite. Vitkis Welt ging einst genau an diesem Zwiespalt zu Grunde, weil zwei voneinander entfremdete Völker die goldene Mitte nicht fanden.
Spielerisch dreht sich Out of Place um die zentrale Idee, sich die Reste eines titanischen Maschinenwesens hochzuarbeiten, dessen Körper für Vitkis Stamm eine Pilgerstätte ist. Ganz oben müssen sie sein, Vitkis Leute. Man rätselt nicht lange, wofür Bagpack Games all die Komplimente und das positive Feedback bekam, das Markus Albert, Peter Schmidt und Thomas Hedden volles Risiko gehen ließ: Das Interface hat man in der Form noch nicht gesehen. Simon begleitet ein "Orb", eine schwebende Drohne, in die man aus dem laufenden Spiel bis zu drei Runen platziert, die dann in Serie unterschiedliche Kombos ergeben. Das mechanische Helferlein ist aber nicht nur Spielelement, sondern auch treuer Sidekick des Jungen. "Wir haben mit UI-Designern gesprochen, die zehn Jahre in der Branche arbeiten und das mega-clever fanden", erzählt Markus. "Und auf der anderen Seite kam von Narrative Designern, dass es eine super-coole Idee sei, den Orb als Charakter einzusetzen." Dies sei eines der Alleinstellungsmerkmale von Out of Place.
Ich kann den erzählerischen Kontext natürlich nicht einordnen, anhand der kurzen Demo, die man schnell als Studentenarbeit identifiziert, wenn man sie erstmal selbst steuert. Aber die Richtung ist klar und man ist sich auch fast sicher, dass die Aneinanderreihung von Fähigkeiten wie Angriff, Schild und Dash in unterschiedlichen auch stapelbaren Sequenzen und mit entsprechenden Sekundäreffekten spannenden Spielraum zum Experimentieren einräumen könnte. Trotzdem fing man natürlich noch einmal bei null an und was am Rechner gegenüber von der ersten Demo in einer Entwicklungsumgebung läuft, ist die neueste Version und sieht in Sachen Animationen und Spielfluss extrem attraktiv und um Welten weiter aus als der "Vertical Slice", mit dem Albert und Co. letztes Jahr den Nachwuchspreis holten. Nur ist es eben noch nicht so richtig vorzeigbar, weil so vieles fehlt.
Bagpack Games war - Stand Ende Juli, als ich sie besuchte - also in der nur vermeintlich beneidenswerten Situation, eine auffällig hübsche Demo in der Hand zu haben. Denn die sieht nach mehr Spiel aus als eigentlich da ist. Dass das Projekt noch ganz am Anfang steht, macht Gespräche mit möglichen Publishing-Partnern zu einem Wechselbad der Gefühle. Die initialen Reaktionen sind immer immens positiv - bis herauskommt, dass das komplette Spiel um die imposante Demo herum noch nicht existiert. Aber wie auch? Nach der Gründung im März musste erst einmal das komplette Design-Dokument, das Rückgrat der Entwicklung, überarbeitet und komplettiert werden. Das dauert, schluckt Ressourcen und wirft erstmal nichts ab, mit dem man Geldgeber von sich überzeugt.
Aber das gehört nun mal dazu: "Das ist eben der aktuelle Stand des Projekts", erklärt Peter. Beim Entwurf der Demo als Abschlussarbeit habe sich schließlich noch niemand Gedanken gemacht, wohin es mit dem kompletten Spiel gehen solle. "Das sind Fragen, um die man sich im Studium keine Gedanken macht", fährt er fort. "Da denkst Du nur, 'in drei Monaten muss das fertig sein, ich hab' das noch nie gemacht. Schnell runterrotzen und fertig!' Jetzt müssen wir weitsichtiger arbeiten, aber die finanzielle Situation macht das nicht einfacher." Klar, dass vor allem Markus in seiner Funktion als CEO primär Zeit darin investiert, mit möglichen Partnern zu sprechen. Doch das Anlocken von Interessenten war immer deutlich einfacher, als sie auch zu halten. Bei der Länge der Entwicklungszeit, die für Out of Place zu erwarten ist, gingen laut Markus dann die meisten wieder auf Abstand.
Peter spricht dabei auch vom First-Timer-Problem: "Weil wir so etwas das erste Mal machen, können wir nicht nachweisen, dass wir es innerhalb von zwei Jahren mit einem größeren Team auf allen Plattformen herausbringen können. Wir sind davon überzeugt, dass wir es können, sonst würden wir es nicht machen. Aber für einen Investor ist es gerade in Deutschland superschwer." Markus hakt direkt da ein: "Es ist schade, dass es gerade das sein muss, was an der Sache schwierig ist. Warum gerade das Finanzielle? Wenn es daran liegen würde, dass wir nichts auf die Beine stellen, was das Spiel angeht, wäre es eine ganz andere Geschichte. Aber es hapert an Sachen, die wir nicht in der Hand haben."
Natürlich geht das an die Nieren: "Der Prozess drumherum dauert einfach unglaublich lang. Für uns ist das sehr anstrengend, weil es immer ein Auf und Ab ist. Gerade nach der NordicGame 2019 waren wir so gehypt, weil so viele Firmen uns gesagt haben: 'Hey, das sieht richtig gut aus, bitte nicht bei jemand anderes unterschreiben!' und am Ende sind doch nur Absagen dabei herumgekommen." Er fährt fort: "Man zittert immer und dann kommt ein 'es hat doch nicht gereicht!'" Manchmal passe man nicht ins Portfolio, oder ein Publisher will eine Lücke in seinem Veröffentlichungskalender früher schließen, als Bagpack in der Lage wäre.
Dabei scheinen die Ansprüche nicht mal die größten zu sein. "Die Entwicklung wäre auf jeden Fall deutlich angenehmer, wenn wir das Geld hätten, um ein Jahr in Vollzeit daran zu arbeiten", schätzt Peter. "Das Geld ist für uns alle drei Nebensache. Wir wollen einfach ein cooles Spiel machen." Die thematische Entwurzelung des Hauptcharakters Simon wirkt fast wie eine Metapher auf die Situation von Bagpack Games. Auch dieses sympathische und offenkundig talentierte und leidenschaftliche Trio ist auf der Suche nach einem Zuhause, nach Sicherheit, und die mag ihnen gerade niemand so recht bieten. Stabile, verlässliche öffentliche Förderung könnte die Lage für die jungen Kreativen endlos vereinfachen.
Zwar befände man sich aktuell noch in Gesprächen, aber die kommende gamescom wird wohl die wahre Schicksalsstunde für die Entwickler. Die Messe bezeichneten sie im Gespräch als Deadline, einen Partner zu finden, wohl aber eine von der weicheren Sorte. Peter sagt: "Bis zur gamescom, dann ist das Geld aufgebraucht." Auf mein Nachhaken, wie der Plan danach aussähe, entgegnet Peter nichts als ein "Ja", mit langer Pause dahinter, in der zwar Ratlosigkeit laut und deutlich nachhallt, aber keine Resignation, was mir großen Respekt abringt. "In dem Fall gehen wir mal davon aus, dass bis September oder Oktober noch etwas klappt." Laut Markus, der auf der Messe einer der geschäftigsten Leute überhaupt werden dürfte, um sein Spiel möglichen Geldgebern anzupreisen, müsste man sich wohl wieder in die alten Jobs begeben, wenn es nicht zeitnah mit externen Mitteln klappte.
Doch selbst dann würde man den Traum vom eigenen Spiel nicht so richtig aufstecken. "Plan B wäre, in Teilzeit zu arbeiten und nebenher weiter an Out of Place zu werkeln", sagt Peter. Sowohl er als auch Markus sind sich aber einig, dass man dieses Spiel in seiner Freizeit niemals zu Ende produzieren könnte. Die gamescom muss es also richten. Aber nicht einmal das durften die Hamburger als gegeben ansehen, ihre Teilnahme an der größten Publikumsmesse der Welt war lange nicht sicher. "Die Zusage für den Stand kam sehr kurzfristig", meint Peter. Die Fördermittel, die man dafür von 'Kreativ-Transfer' bekam, einem Förderprogramm der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien im Kanzleramt, Monika Grütters, reichte zum Zusagezeitpunkt schon nicht mehr für Zimmer in Kölner Hostels. Die wenig glamouröse Lösung: "Wir zelten auf der gamescom, auf einem Campingplatz", sagt Peter. Zudem muss das Team das Fördergeld vorstrecken und bekommt es erst im Nachgang zurück. Wie schnell das geht? Gute Frage, die ein Team wie dieses sicher gerne definitiver beantwortet hätte.
Eile war also geboten, denn "für uns wäre es schmerzvoll, die alte Demo noch mal zu zeigen, so weit sind wir schon weg davon", befindet Peter. Und tatsächlich hat sich in den Wochen seit meinem Besuch etwas getan. Es ist nicht lange her, dass wir das letzte Mal sprachen, aber die Jungs haben seither einen frischen Level auf die Beine gestellt, der Messebesuchern und möglichen Publishing-Partnern die neuen Systeme und die flinkere Steuerung demonstrieren wird. Jeder auf der gamescom ist eingeladen, Bagpack Games in der Indie Arena Booth in Halle 10.2 zu besuchen und sich selbst einen Eindruck vom Projekt zu verschaffen.
Man merkt, diese jungen Männer gehen an die Grenzen des Machbaren, sowohl, was die Ambitionen eines von nur drei Entwicklern erschaffenen 3D-Action-Adventures angeht, als auch in Bezug auf den persönlichen und von Entbehrungen geprägten Einsatz, den sie fahren. "Wir sind von Anfang an bereit, auf vieles zu verzichten für das Spiel. Unser Gehalt, sollten wir irgendwann mal einen Publisher haben, ist auf jeden Fall geringer als das der Leute, die wir dann einstellen würden, damit die dann auch hierbleiben. Aber nach hinten heraus wird es sich hoffentlich für uns lohnen", hofft Peter. Vor allem einen Experten für Animationen und einen Narrative Designer brauche man noch.
Als außenstehender Betrachter stellt sich schnell die Frage, warum man direkt etwas so Großes versucht und nicht erst ein kleineres Projekt, vielleicht etwas Mobiles, das Geld in die Kassen spült? Das Thema erhitzt die Gemüter zum ersten Mal während dieses langen Gesprächs. Bagpack Games hört das nicht zum ersten Mal und macht darin einen der Gründe aus, dass Deutschland als Standort für die Spieleindustrie Probleme hat. Markus beginnt: "Gerade aus Deutschland hört man das sehr oft. 'Ja, macht doch erstmal was Kleines', das kam auch von Publishern teilweise. Die fragen, 'warum macht ihr das nicht kleiner, sodass ihr das in einem halben oder einem ganzen Jahr fertig bekommt?'"
"Ja, aber das ist genau die Sache ...", sagt Markus und Peter macht fast nahtlos weiter: "... dann wird das Spiel auch nie fertig. Für mich persönlich ist das genau die Aussage, die mich motiviert. Wenn die Leute sagen: 'Macht was Nischiges, was Kleines!' Ich will das nicht! Man kann die Branche doch nicht so kleinhalten", sagt er, spürbar aufgebracht. Und man versteht sofort, warum: Er hat kreative Ambitionen für sein Werk, die er durch die Arbeit an Titeln, die er nur des Geldes wegen machen muss, in Gefahr sieht. Es ist wie immer: Kunst und Kultur im Clinch mit der Notwendigkeit, zu essen und Miete zahlen zu müssen. Nicht, dass Out of Place nicht auch als massentauglicher "Crowd-Pleaser" angelegt wäre, aber in diese Sorte längeres Unterfangen steckt man eben erstmal ungleich länger Geld rein, bevor man etwas rausbekommt.
Das zerrt an den Nerven, was man auch daran merkt, dass Peter und Markus das erste Mal erregt durcheinanderreden, sich beinahe überschlagen - bis man merkt, dass sie so sehr auf einer Linie liegen, dass sie fast symbiotisch nur die Gedanken des anderen zu Ende denken. "Ich will nicht das Hundertste Mobile Game machen, nur damit ich Geld in der Kasse habe", wettert Markus. "Das geht ohnehin unter", vervollständigt Peter "... und ein gutes Mobile-Spiel zu entwickeln, ist nicht einfacher als das, was wir gerade machen, wenn es um Aufmerksamkeit geht." Markus wieder: "Selbst das Plattform-Genre ist mittlerweile sehr überlaufen, die sieht man auf Messen von Indie-Studios zuhauf", bevor Peters Schlussfolgerung mit Verweis auf Sea of Solitude, dass ein 3D-Action-Adventure aus Deutschland eben doch ein wenig eine Ausnahmestellung einnehmen würde, wieder ein wenig Ruhe einkehren lässt.
Womit wir wieder bei der Rolle der öffentlichen Hand wären. "Der 50-Millionen-Topf vom Bund ist ja auch noch da. Man weiß zwar immer noch nicht, was damit passieren soll ... Im Moment wird das nicht richtig kommuniziert." Für die De-Minimi-Förderung komme man jedenfalls nicht infrage, weil das Projekt dafür schneller fertig werden müsse und bei den Ambitionen ohnehin zu teuer wäre. Was die 50 Millionen angeht, sagt Markus, es gebe "noch nichts Offizielles. Man hört nur, dass man sich darauf vorbereiten soll, ab Herbst dafür einzureichen." Man merkt, diese jungen Leute hängen in der Luft und wie sich das zuständige Ressort der Bundesregierung die Verteilung vorstellt, ist der seidene Faden, an dem sie baumeln. Vielfach wird befürchtet, dass das Geld dann im Eilverfahren "rausgeworfen" wird. Bagpack Games hat das schon mehrfach gehört. "Wenn man sich in der Branche umhört, hört man vielfach die Vermutung, dass sich die Behörde die einzelnen Projekte gar nicht richtig anschauen und einfach eines nach dem anderen absegnen wird." Das ist natürlich Schwarzmalerei an der Grenze zum Zynischen, aber Peter bricht die Resignation gekonnt auf: "Vielleicht kündigt Ubisoft im Herbst auch ein neues 50-Millionen-Projekt an. Wäre schon geil."
"Wir haben schon damit gerechnet, dass wir wenig Sicherheit haben, dass es ein großes Risiko für uns ist", wird Peter im Anschluss wieder ernster. "Aber dass es so unsicher ist, dass es so haarig wird, das ist schon ..." Markus federt ab: "... eine Förderung würde viel vom Druck rausnehmen". Thomas und Peter werfen Polen als positives Beispiel ein, führen Prototypenförderungen von 300.000 Euro an, die der unabhängigen Spieleszene eine große Hilfe sind. In eine fördernde Gegend umzuziehen - das Logo des Medienboards Berlin-Brandenburg liest man im Vorspann von Spielen nicht ohne Grund immer häufiger -, wie der eine oder andere Indie das zu Förderungszwecken tatsächlich macht, kommt für Bagpack aber nicht infrage.
"Lähmt euch das?" will ich wissen. Peter sagt, dass es immer wieder schwanke. "Wir beißen uns da durch. Ich habe das große Glück, dass meine Familie und meine Freundin mich wahnsinnig unterstützen und ich viel Zuspruch bekomme. Das geht uns allen so, glaube ich", erzählt er. "Wir sitzen jeden Tag zusammen, sind eine kleine Familie geworden, man erlebt alles mit, auch Privates, wenn etwas vorfällt. Man kann sich aufeinander verlassen - und das ist eigentlich das Wichtigste."
"Wir können uns auch gut anblöken", beschreibt er die dunkleren Zeiten mit einem Augenzwinkern. "Die Feedback-Kultur in der Firma müssten wir vielleicht noch mal überarbeiten [grinst]. Aber das Gute ist, wir können uns anschreien, anmotzen und auf die Eier gehen und am nächsten Tag ist alles normal und wir müssen das nicht mal ansprechen. [alle lachen herzhaft] Das ist eigentlich das, was ich am besten finde."
Die gamescom also - letztes 'Hurra' auf dem Weg zurück in das Angestelltenverhältnis oder den Freiberuf oder die entscheidende Kehrtwende einer aufwühlenden Geschichte mit grundsympathischen, talentierten Protagonisten? Wie das hier ausgeht, vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß nur, dass Bagpacks Geschichte die vieler ambitionierter, kreativer Videospieleschaffender ist, die auf die Förderung durch eine Regierung hoffen, die dieses Medium eigentlich längst zum Kulturgut erklärt hatte. In Wirklichkeit scheinen Videospiele für den Bund nicht so recht dazuzugehören, wenn man bedenkt, dass der komplette Topf für Kultur- und Medienförderung 2019 zuletzt auf 1,9 Milliarden (von zuvor 1,775 Milliarden noch 2018) aufgestockt wurde - ungefähr das 35-fache dessen, was Games dieses Jahr offenbar nur einmalig zugedacht wird.
In Zeiten, in denen Videospiele längst eine dominante Ausdrucksform von Kultur und Kreativität sind, ist nicht nur die Frage der Verhältnismäßigkeit berechtigt, sondern auch die, welches Signal wir an diejenigen senden wollen, auf die wir angewiesen sind, soll Deutschland als Spielestandort in Zukunft eine Rolle spielen: Leute vom Schlage eines Bagpack Games eben, die zu Hunderten - Tausenden wohl eher - auf ihre Chance warten.