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Outlast (PS4) - Test

Augen zu und durch... durch die winterliche Next-Gen-Dürre.

Nicht viel Subtilität, nicht so viel psychologische Substanz, dafür aber gekonnter Grusel in diesem grafisch hochwertigen Horrorschocker.

Neulich stand ich in Hamburg in einem großen Elektro- und Entertainment-Kaufhaus vor dem Next-Gen-Spieleregal, in der vagen Hoffnung, die letzten Wochen irgendwas verpasst zu haben. Aber nein, noch immer starrten mir mit gelangweiltem Blick dieselben Launch-Titel entgegen, die ich schon im November hinter mich gebracht hatte. Dafür in vier bis fünffacher Ausführung pro Aufsteller, als würde so weniger auffallen, wie wenig es doch tatsächlich gibt.

Es war ein trauriges Bild. Als ich vor einem knappen Monat War Thunder und Don't Starve lobte, aus dem Nichts das Lebenslicht der PS4 in der postweihnachtlichen Spielefinsternis am Glimmen zu halten, ahnte ich noch nicht, dass diese Tristesse auch einen Monat später noch anhalten würde. Also: Wer wird denn den Kleinen, den Unabhängigen so kampflos das Feld überlassen? Wo sind all die Spiele? Diese Geräte sind ja nicht erst seit gestern in der Mache!?

Nicht unbedingt elegant, aber effektiv.

Nun, nächsten Monat ist es ganz bestimmt so weit, dass wir wieder mal ein paar auf Hochglanz polierte, neue Produktionen mit großzügigem Budget bekommen. Bis dahin hält zumindest auf der PlayStation 4 einmal mehr ein Indie die Fahne hoch, den es bisher nur auf dem PC gab. Diesmal sogar einer, für den man keinen Retro-Faible haben und keine Abstriche in Sachen Produktionswerte machen muss. Outlast, über dessen erstaunliche Entstehungsgeschichte ihr in Sebastians Eurogamer-Artikeldebüt von gestern mehr erfahrt, sorgte vergangenen September schon bei Computer-Usern für schreckhaft herausgerissene USB-Buchsen, heimliche nächtliche Waschgänge und - für die zarter Besaiteten, aber doch Interessierten - Let's-Play-Marathons, bei denen man über die schwachen Nerven anderer lachte.

Detailliertere Auslassungen zur Spielmechanik lest ihr in unserem ursprünglichen Test. PS-Plus-Abonnenen dürfte aber nicht viel mehr interessieren als diese konzise Empfehlung. Für sie ist Outlast in diesem Monat kostenlos, das Risiko, sich Mist ins Haus zu holen, bei diesem Spiel zu dem Preis nicht messbar. Was ihr jedoch mitbringen solltet, ist ein dickes Fell und den Willen, euch mal wieder so richtig beim Spielen zu fürchten. Denkt an Amnesia: The Dark Descent oder das erste Resident Evil, so wie ihr es damals erlebtet - nur ohne Waffen. In einer Irrenanstalt, in der schon längst die Patienten am Drücker sind, tastet ihr euch mit einer Nachtsichtkamera durch die Korridore und jagt als Journalist der Story eures Lebens nach. Bis sie anfängt, euch zu jagen.

Der Nachtsicht-Effekt ist unfassbar gut gelungen.

Absolut wehrlos und immer nur knapp mit Batterien für euer elektronisches Auge ausgestattet, geht ihr in Outlast Konfrontationen aus dem Weg, versteckt euch in Schränken, unter Betten und Schreibtischen und drückebergert euch durch einen nicht unbedingt originellen, aber doch effektiven Albtraum von einem Spiel. Wegrennen und panisches Nach-hinten-Umschauen sind der Fortbewegungsmodus eurer Wahl und wann immer man deshalb mal wieder aneckt und den Weg in die Sicherheit aus den Augen verliert, zieht die Panik geradezu quälend an. Wenn der entstellte Zwei-Zentner-Fleischer hinter euch die Arme nur lang genug macht, heißt's "Game over". Ständig der Zwiespalt zwischen Angst vor dem, was man nicht sieht, und der Furcht, dann doch zu sehen, wovor man hier gerade Angst haben sollte. Es wäre beinahe kunstfertig, wenn Szenario und Thema nicht so abgedroschen wären.

Aber das ist im Grunde auch schon das einzige Problem, das man Outlast ankreiden kann. Es ist nicht unbedingt die Sorte psychologischer Grusel, die einen auch über den Abspann hinaus noch verfolgt, kein Spiel der leisen, der subtilen Töne, sondern ein Schocker, der über seine Drastik in Mark und Bein fährt. Technisch war es schon in seiner ersten Fassung kaum zu glauben, was zehn Mann hier auf die Beine gestellt haben. Auch auf der PS4 sind Texturen und Bildrate angenehm sauber, das Körpergefühl, das man für Miles Upshur entwickelt, dank der gut animierten Hände und Füße der Spielfigur von oberster Güte. Das Spiel der Kanadier von Red Barrels ist damit der nächste Pflicht-Download für PlayStation-4-Besitzer. Ein schrecklich-schönes Beispiel für virtuelle Unterhaltung, die sich nicht allein über Kampf oder Waffen definiert, und der Beweis, dass Indie-Entwickler mit entsprechendem Talent und Ambitionen in der gleichen Gewichtsklasse auflaufen können wie die Großen des Business.

8 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Outlast

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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