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Enchanted Arms

It's a kind of magic.

Hut ab, Ubi Soft! Nachdem die Filmbranche mit Brokeback Mountain und Alexander eine offenere Haltung zur Homosexualität einnimmt, zeigt sich nun auch die Spieleindustrie aufgeschlossener. Im kommenden Rollenspiel Enchanted Arms trägt ein schwuler Nebendarsteller und diverse romantische Verwicklungen zum unterhaltsamen Verlauf der Story bei. Vielleicht räumt der Titel ja so einige Berührungsängste aus dem Weg, wer weiß?

Die Vergangenheit: Eine Zeit, in der Magie der Fixpunkt der Gesellschaft ist und mächtige Golems ihren "zauberhaften" Herren dienen. Und ohne die Vorgeschichte an dieser Stelle madig machen zu wollen, aber bereits jetzt kann sich jeder denken, was nun folgt. Tusch! Die obligatorische "Sklaven sind der Plackerei überdrüssig, sprengen die Fesseln und gehen ihren Meistern an die Gurgel"-Schiene. In einer blutigen Schlacht kommt es beinahe zur völligen Vernichtung der Menschheit. Aber eben nur beinahe...

Viele Jahre später hat sich die Welt weitgehend erholt und die Golems fristen ihr Dasein in einem unterirdischen Gefängnis. Magie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle und ist an speziellen Akademien Studienfach. So auch an der Akademie in Yokohama-City, wo unser Hauptprotagonist Atsuma für allerlei Wirbel sorgt. Der junge Zauberlehrling ist extrem zerstreut und verdammt ungeschickt und tritt dadurch in so manches Fettnäpfchen. Kein Wunder also, dass seine Kollegen ihn schlichtweg meiden. Dabei ist er ein wirklich begabtes Kerlchen. Atsuma löst mit seinem rechten Arm Magie aus, die die Wirkung von Zaubersprüchen aufhebt. Überraschenderweise freundet sich schließlich der ultimative Liebling der Massen - ein Schönling names Toya - mit ihm an. Sehr zum Ärgernis von Makoto, seines Zeichens stockschwul und bis in die hintersten Haarspitzen in Toya verknallt. Und eifersüchtig auf die seiner Meinung nach viel zu intensiven Freundschaftsbande, die zwischen den beiden Jungs entstehen.

Weitere Soapelemente möchte ich Euch an dieser Stelle ersparen, auch wenn sie mitunter sehr witzig daherkommen. Die sind aber eh "nur" atmosphärisches Beiwerk. Viel wichtiger ist da schon Atsumas Werdegang. Obwohl er bislang nur den nervigen Tollpatsch mimt, muss sich der Knabe schnell zum mächtigen Zauberer und Retter der Welt mausern. Denn es bleibt nicht lange friedlich. Während eines Festivals taucht urplötzlich die zwar schöne, aber extrem gefährliche Königin des Eises auf und befreit die Golems. Die Entwicklung Eures Alter-Egos und der Kampf gegen die frostige Dame mitsamt ihrem Anhang ist somit der zentrale Aspekt des Titels. In den über 50 Spielstunden steht des Weiteren eine gründliche Erforschung der Städte bevor. Yokohama-City, London und Kyoto bilden den Dreh- und Angelpunkt der Story.

Auf den Abstecher nach London freuen sich vor allen Dingen wahre Zockernaturen. In einem ansässigen Kasino könnt Ihr euer Hab und Gut durch etwaige Glücksspiele vermehren - zumindest, wenn Euch die Glücksfee hold ist. Mit dem angesammelten Kies staffiert Ihr Euch in diversen Shops aus. Sogar eine Art Bauanleitung für Golems und die entsprechenden Zutaten lassen sich ersteigern. Erschafft Ihr solch eine Kreatur, wird diese Eurer Party hinzugefügt.

Eure Party besteht aus maximal vier Leuten, die Ihr bei einem Kampf in einem Raster bestehend aus zwölf Feldern strategisch anordnet. Eure Gegner lauern auf einem ähnlichen Raster. Kleiner Tipp: Gute Nahkämpfer sollten möglichst an vorderster Front stehen, schwächere Charaktere eher im Hintergrund - also geschützt durch ihre Kameraden. Sind eure Protagonisten entsprechend positioniert, gebt Ihr die defensiven beziehungsweise offensiven Befehle an und ruft zum Angriff. Die magische Komponente kommt bei den Scharmützeln selbstredend nicht zu kurz. Ebenso wenig die strategische Vielfalt. Denn auch wenn Eure Einheit nur aus jeweils vier Kämpfern besteht, so ist die Zusammensetzung einem stetigen Wechsel unterworfen. Über 75 Protagonisten warten bis zum Finish auf die Aufnahme in das Team. Beispielsweise Yuki, die sich mit ihrem goldenen Colt für die ultimative Golemjägerin hält. Oder Raigar, ein wackerer Schwertkämpfer, aber recht schwierig im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Aber er soll ja auch nicht flirten, sondern zuhauen.

Eine Schlacht kann bei dem rundenbasierten Konzept ausufernde Maße annehmen. Deshalb hat Entwickler From Software einige Features eingebaut, die für eine drastische Beschleunigung des Ablaufs sorgen. Zum einen eine Vorspul-Funktion, die wie bei einem Videorekorder das Geschehen schneller voran treibt. Zum anderen eine Option, mit der Eure Charaktere automatisch kämpfen. Puristen mögen vielleicht mit der Stirn runzeln und Protest schreien, ich persönlich finde diese Flexibilität annehmbar. Zumal ja niemand dazu gezwungen wird, diese Möglichkeiten zu nutzen. Überhaupt gibt sich der Titel überaus komfortabel. Einsteiger werden brav an die Hand genommen und mit allerlei Tutorials und Spielhilfen versorgt. An Xbox-Live-Support wurde ebenfalls gedacht: Onliner bekommen Vs-Battles inklusive Rangliste kredenzt.

Die technische Seite ist ein Treffer: Ein abwechslungsreicher Mix aus orchestralen Stücken und Technomusik streichelt bzw. peinigt Eure Ohren. Die Augen hingegen werden mit schmucken Zwischensequenzen (teils vorgerendert, teils in Echtzeit), Charakteren in einer Art Anime-Look, extrem detaillierten Gebäuden und feinen Lichteffekten verwöhnt. Obwohl Enchanted Arms all meine Rollenspielgelüste zu befriedigen scheint, will bei mir keine uneingeschränkte Begeisterung aufkommen. Mit dem Hauptcharakter Atsuma kann ich mich nicht wirklich anfreunden. Und irgendwie vermisse ich eine frische Brise. Spieler, die schon etliche Monate ihres Lebens mit den Final Fantasy-Spielen verbracht haben, dürften hier wenig Neuland entdecken. Wer sich an dieser Art der Repetition nicht stört und schon lange ein Spiel dieser Machart für die Xbox360 herbei sehnt, der darf dem Release gespannt entgegen blicken. EA macht vieles richtig, und wer weiß: Vielleicht freunde ich mich bis zum Test ja sogar noch mit Atsuma an.

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