Pacific Drive ist bald da und hat eure Gänsehaut im Kofferraum!
Darauf war ich nicht vorbereitet.
Pacific Drive weiß um die Wirkung eines wohl platzierten Tagebucheintrags. Ich hatte gerade von ihnen gelesen, diesen regungslosen Entitäten, die plötzlich und überall auftauchen können und die… etwas nicht näher Spezifiziertes mit einem anrichten, wenn man sie berührt. Und plötzlich sehe ich sie, als ich durch das Fenster zum Wald hinausschaue. Wie grobschlächtige Schaufensterpuppen – nein, primitive Crash-Test-Dummies eher –, in seltsam vielsagenden Konstellationen. Eine kniet, die Hände zum Himmel geöffnet, eine Andere blickt mit schrägem Kopf aus ihrem augenlosen Gesicht in den Wald. Diverse andere gedankenverlorene, in sich gekehrte Posen. Ist die rechts gerade im Begriff, auf mich zuzugehen?
Ohne jede Bewegung stehen diese Pappkameraden da und sind doch … lebendig? Ich weiß oder besser ahne das, weil ich gerade kurz heruntergeschaut hatte, um das Regal vor mir nach Klebstoff, Metall oder anderen Ressourcen abzusuchen, mit denen ich meinen rostigen Kombi wieder flottmachen konnte. Momente davor, als ich das erste Mal aus dem Fenster geschaut hatte, standen sie noch komplett anders dort. Vor allem waren es weniger von ihnen. Bewegen sie sich, solange ich nicht hinschaue?
Um die Frage zu beantworten, müsste ich mich trauen, noch einmal wegzusehen. Aber jetzt stehe ich hier und traue mich nicht mit dem gesammelten Crafting-Schmonz zu meinem Auto zurück. Ich schaue hinaus, fixiere sie – buchstäblich – mit meinem Blick. Hoffe ich.
Lange her, dass ich vor Schaudern so eine Gänsehaut hatte.
Soweit meine Notiz zu der Szene, wie ich sie erlebt habe. Sogar jetzt, als ich diese Zeilen noch einmal lese, krabbelt sie mir wieder den Rücken hinauf. Wie das ausging? Nun, ich brachte den Mut nicht auf, zu probieren, was passieren würde, wenn ich sie anfasste, diese Dinger. Nicht für die Wissenschaft, nicht für diesen Artikel. Das dürft ihr gerne selbst machen, wenn Pacific Drive am 22. Februar 2024 für PC und PS5 erscheint. Ich latschte einfach nur rückwärts mit Blick auf die Pappkameraden aus der Hölle, bis ich mich auf der Straße wiederfand, machte drei Kreuze und schleunigst die Biege.
Für mich schon jetzt einer der eindringlichsten Momente des Jahres, noch dazu in einem Spiel, von dem ich immer noch nicht sagen kann, ob es überhaupt Kampfelemente haben wird. Bisher habe ich nur eine alles verschrottende Kreissäge, einen Presshammer und eine Brechstange in meinem kleinen Rucksack. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich welche wollte. Zu verlockend fremdartig ist die Atmosphäre, verschwiegen-verstörend der Vibe dieser Gegend im Nordwesten der USA, in denen ein gewagtes Experiment gewaltig schiefgelaufen sein muss.
Eigentlich ist das alles abgeriegelt, für die Öffentlichkeit uneinsehbar. Aber eines Tages zog mich eines der vielen unheimlichen Phänomene, die die Realität zwischen diesen hunderte Meter hohen Mauern destabilisieren, hinein in diese Todeszone. Und jetzt muss ich mit ein paar versprengten Einheimischen in meinem Ohr und einem klapprigen Kombi versuchen, wieder herauszukommen. Der Stil erinnert lose an das Pastellig-stilisierte eines Firewatch, ist nur entschieden finsterer. Klopft man einen unbekannten Kartenbereich auf Rohstoffe, Kodexeinträge oder Quest-relevante Gegenstände ab, atmet man hingegen die Luft eines Stalkers oder wähnt sich in einer von Simon Stålenhags Loop-Geschichten.
Ungezählte Brüche physikalischer (Un-)Möglichkeiten kommen mir unter, drängen sich meinem Scanner auf die Linse. Mehr über sie zu erfahren, wie sie mir schaden oder vielleicht sogar nutzen können, ist einer der zentralen Antriebe, jenseits der Frage meiner Flucht oder der, was hier überhaupt vor Jahren passiert ist.
Gebt eurem Auto einen Namen! Einen Charakter hat es schon
Der eigentliche Star des Spiels ist aber oben schon erwähntes Auto. Ein rostfleckiger Kombi, der schnell zum Hauptcharakter und Progressionsgegenstand der Geschichte wird. Auch, was es mit diesem Wagen auf sich hat, ist ein Teil des Rätsels, denn er ist offensichtlich nicht komplett normal. Wie auch der freundliche Müllcontainer im Basislager, einer alten Autowerkstatt, der immer ein paar der gerade knappen Ressourcen ausspuckt, wenn man in ihm wühlt, ist es eine stille Persönlichkeit für sich – und rettet euch mit einem Teleport zurück den Allerwertesten, sollte eine der vielen Gefahren drohen, euch mal wieder in eure molekularen Bestandteile zu zerlegen. Pacific Drives Welt und Geschichte sind einfach zauberhaft.
Der zentrale Spielzyklus dreht sich darum, das Auto mit gesammelten Rohstoffen immer weiter zu verbessern, es leistungsstärker zu machen und seine Fähigkeiten zu erweitern, damit es immer nützlicher wird. Dadurch könnt in gefährlichere Bereiche der Karte auswählen (die Reise dorthin findet nur auf einem Kartenbildschirm statt, die neue Gegend wird als frische Instanz geladen) und dort euer Glück versuchen.
Irgendwann destabilisiert jede dieser Zonen und die Strahlung nimmt derart zu, dass ihr fliehen müsst. In Pacific Drive ist das immer mit einer halsbrecherischen Fahrt zu einem Teleportationspunkt verbunden, der fast gefährlicher aussieht als die allgegenwärtige Verwüstung um einen herum. Ich lernte sein sengendes Gleißen, das in der Ferne als Säule in den Himmel schießt, zu lieben. Trotzdem habe ich jedes Mal schwitzige Finger, denn obwohl ich auch bei Misserfolg überlebe (bisher zumindest), sind dann alle Ressourcen weg, was schmerzt, weil eine misslungene Expedition oft auch den Kombi ramponiert zurücklässt.
Ich mochte sehr, wie das Spiel aus all seinen Elementen, Systemen und Fundstücken unterwegs immer neue Geschichten generiert. So wie die, mit der ich diesen Artikel begann – da ist sie wieder, die Gänsehaut. Es sind schauerliche kleine Stories, die man gern erzählt. Ich hoffe, die große, übergreifende Geschichte hält am Ende mit. Pacific Drive ist in jedem Fall mein Geheimtipp für Februar.