Persona 5 Tactica im Test: Eine Runde geht noch?
Auch der dritte P5-Genre-Wechsel schafft es, sich nicht zu blamieren. Keine kleine Leistung.
Krempeln wir mal kurz die Ärmel hoch und bugsieren wir den rosa Elefanten im Raum doch direkt aus dem Weg: Persona 5 Tactica ist kein schlechtes Spiel. Tatsächlich ist es ein Stück weit sogar beachtlich, dass Atlus im dritten Persona-5-Ableger zum dritten Mal das Genre wechselt und sich mehr als passabel schlägt. Wer von den Phantom Thieves einfach nicht genug bekommen kann, und in seinem Kopf-Kanon noch ein Plätzchen für einen 25-stündigen Story-Einschub hat, der etwas vor dem Finale der ursprünglichen Handlung stattfindet, darf sich den vierten Stern dazudenken. Viele Fans der Sub-Reihe werden hiermit wohl zufrieden sein.
Allein, ich habe ihn nicht, diesen vierten Stern. In erster Linie liegt es daran, dass ich in diesem Jahr sage und schreibe acht Rundentaktikspiele begonnen habe und mir sechseinhalb davon besser gefielen als Persona 5 Tactica. Dieses Feld ist aktuell in allen Preisklassen beneidenswert gut bestellt und Atlus grätscht hier mit einem Beinahe-Vollpreisspiel, mit zwar flottem Kampfsystem, aber auch statischem, trägem Drumherum mittig rein.
Ich habe viel Respekt dafür übrig, dass ausgerechnet die Schlachten die Stärke dieses Spin-offs sind, zugleich hält die Not, irgendwie auch ein Persona-Spiel zu sein, Tactica an der kurzen Leine und ermüdete mich bisweilen sogar. Doch fangen wir mit dem Guten an: Die Kämpfe sind – so bisweilen gleichförmig sie in dieser Version des Persona-5-Metaverse auch sein mögen – tatsächlich recht gut angelegt, zeichnen sie sich doch durch einen guten Zug nach vorn aus. Hier müsst ihr niemals Trefferchancen abwägen, stattdessen geht es darum, in der eigenen Runde möglichst viele Aktionen unterzubringen.
Und das geht so: Jeder der drei kämpfenden Charaktere einer Schlacht hat einen Zug innerhalb seines Bewegungsradius und eine Aktion, was ein Zauber mittels der Personas oder eine Nah- respektive Fernkampfattacke sein kann. Deckung blockt Angriffe mal komplett, mal zum Teil. Trifft eine Attacke jedoch einen Feind, der nicht in Deckung ist, streckt man ihn zu Boden und bekommt ein “Noch 1!” – also einen Bonus-Zug, samt Bewegung und neuer Aktion. Dasselbe gilt für Gegner, die man von erhöhten Ebenen herunter schubst und die im Angriffsradius von Teammitgliedern landen. Sie stecken eine automatische Folgeattacke ein und gewähren ebenfalls ein “Noch 1!”.
Raum, sein eigenes Vorgehen zu optimieren, gibt des demnach massig. Zumal man bei optimaler Planung noch eine verheerende “Zu-Dritt”-Attacke lancieren kann: Liegt mindestens ein Feind am Boden und hat noch eine Figur eine Bonusattacke frei, ziehen rote Linien zwischen euren Phantomdieben ein glühendes Dreieck, das alle Gegner, die sich zwischen seinen Seiten befinden, schwer beschädigt. In jeder Runde das Maximum an Zügen herauszuholen, hat was von einem Puzzle, behält dabei aber auch einen gewissen Grad an Freiheit bei, der verhindert, dass man viel herumprobieren muss, um herauszufinden, welche Lösung den Entwicklern wohl vorschwebte.
Tactica gefällt mir mit seiner offensiven Spielweise, die sogar Runden belohnt, in denen eine Figur mal keine Aktion ausführte, denn sie geht in dem Fall gestärkt in den nächsten Zug. Zugleich muss ich sagen, dass das Regelwerk zwar Hand und Fuß hat, aber nicht unbedingt von der intuitiven Sorte ist. Es dauert eine Weile, bis man zum Beispiel verinnerlicht, welche Persona-Zauber Gegner aus der Deckung werfen und wie man Folgeangriffe maximiert. Ein wenig Um-die-Ecke-denken ist schon nötig, was zu Beginn den Spielfluss etwas bremst, sich später aber nicht mehr so sehr bemerkbar macht.
Weniger prickelnd fand ich hingegen die Präsentation und das Drumherum, das die guten taktischen Kämpfe umgibt. Persona 5 war entschieden stilsicherer und optisch insgesamt ansprechender als die ohne Not “chibifizierten” Versionen der Phantom Thieves. Es sprühte nur so vor Energie und hatte vor allem in Sachen Zwischenmenschlichem mehr zu bieten als bloße Konversationen, durch die man sich klickt, bis man sich zwischen “Alles klar!” und “Ich bin dabei!” entscheiden muss. Ich hatte oft den Drang die Vorspul-Funktion zu nutzen, die für Leute wie mich existiert. Aber meinem Eintauchen in die Geschichte wäre das nicht hilfreich gewesen. Social Links und Aktivitäten abseits der Haupt- und einiger Nebenmissionen, gibt es in Tactica übrigens nicht mehr, was angesichts der Tatsache, dass das komplette Spiel in einem Metaverse stattfindet, das die Herzensdiebe nicht wiedererkennen, zwar Sinn ergibt. Aber das Geschehen zwischen den Kämpfen wirkt dennoch recht statisch und irgendwie blank.
Zwar kommt der Charakter von Joker, Ann, Ryuji und Konsorten immer wieder gut durch, aber oft plätschern die Diskussionen wenig zwingend vor sich hin und man ist froh, wenn endlich die Mission anfängt. Nach hinten hinaus kommen zwar irgendwann sehr wohl einige Charaktermomente, die mir eine Gefühlsregung entlockten, aber bis dahin hatte ich bereits mehrmals beinahe das Interesse verloren. Es dauert zu lange, bis die Geschichte halbwegs fesselnd wird und weil sie vor kurz dem Ende von Teil fünf angesiedelt ist, hat das Kernteam der Phantom Thieves nicht großartig Raum, sich charakterlich zu strecken. Zum Glück erfreuen die beiden neuen Figuren Erina und Toshiro mit einer erquickenden Dynamik.
Außerdem: Das Fusionieren von Personas hat es glücklicherweise auch nach Tactica geschafft und ermöglicht es – in Zusammenarbeit mit dem schlanken Skilltree – sein Team perfekt aufeinander abzustimmen. Eine Bereicherung in einem Spiel, das ansonsten zu viel in Menüs und Textboxen stattfindet, um wie eine vollwertige Ergänzung zum Persona-5-Kanon zu wirken. Gleichzeitig muss man dem Titel zugutehalten, dass er sehr gut optimiert ist und sowohl auf dem Steam Deck als auch auf der Switch stabil läuft. Auf ersterem sind sogar erstaunlich oft 60 fps drin.
Persona 5 Tactica Test – Fazit:
Ich hatte mich tatsächlich sehr auf Persona 5 Tactica gefreut. Ich mag Persona, ich liebe rundenbasierte Taktikspiele. Und doch wollte der Funke trotz des soliden Regelwerks lange nicht überspringen. Das Szenario wirkt vom Fleck weg so “weit draußen”, die Figuren visuell so verändert, dass man emotional auf Abstand geht, den die Geschichte und das Kampfsystem dann erst mal aufholen müssen. Das dauert ein wenig, denn die Fights sind recht unkonventionell und die Präsentation und Aufbau dezent spröde. Irgendwann ist man dann aber “drin” und gibt sich dem Flow hin, der entsteht, wenn man eine Bonusaktion an die nächste reiht.
Es ist solide, für Superfans der Reihe – und von Persona 5 im Speziellen – sogar etwas mehr. Ich persönlich bin aber durch mit diesem Kapitel von Atlus’ wichtigster JRPG-Reihe und könnte mittlerweile gut einen sechsten Teil gebrauchen.
SPIELETITEL | |
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