Skip to main content

PES 2011 3D

Abseits aller Erwartungen

Verkaufsstarts neuer Hardware sind eine knifflige Angelegenheit. Nur zu gerne sind Spielehersteller mit Konversionen ihrer bekanntesten Titel bei der Hand, um den Beginn einer neuen Geräte-Generation zu flankieren. Der Software-Markt ist zu diesem Zeitpunkt schließlich jungfräulich, die Konkurrenz noch dünn gesät. Und wenn das Timing stimmt beziehungsweise wenn die Wettbewerber ihres versauen, dann bekommt das eigene Produkt wie von allein eine Ausnahmestellung, die dafür sorgt, dass es sich viele der Early Adopter an Tag eins in den Warenkorb legen.

Problematisch wird's, wenn der Wille, vom ersten Moment an zur engeren Auswahl der für all die neuen Abnehmer zu gehören, dafür sorgt, dass man am gewohnten Konzept den Rotstrich ansetzen muss. Immerhin muss man schon viel vom Zeit-Budget darin investieren, sich mit der neuen Technik vertraut zu machen und sie sich – wenn möglich – so zu Nutze machen, dass sich die Umsetzung von bisherigen Versionen abhebt. Konami kennt diese Situation nur zu gut. PES 6 für die Xbox 360 ist unter Sportspiel-Fans bis heute ein Musterbeispiel für Sparmaßnahmen zugunsten des Generationensprunges. Eine ähnliche Situation stellt sich auch jetzt mit der Veröffentlichung von PES 2011 3D wieder ein.

Hauptverkaufsargument ist natürlich die neue, stereoskopische Darstellungsweise des Spiels. In der Standard-Perspektive schaut ihr eurem Spieler über die Schultern und bekommt dank des schönen Bildschirms des 3DS tatsächlich ein ausgezeichnetes Gefühl für die Größe des Platzes und die Distanzen zu Gegnern und Mitspielern. Rein optisch ein echter Gewinn, weil die flüssige Grafik zudem ziemlich sauber daherkommt.

Das Problem liegt allerdings in der Übersicht: Die Kamera vollführt, wie schon aus der "großen Version" bekannt, munter wildeste Schwenks um Ball und Spieler herum, wobei die Übersicht und Orientierung vollkommen flöten gehen. Gerade noch habt ihr genau den Mitspieler ausgeguckt, den ihr anspielen wolltet, da dreht die Regie den Fokus auch schon freudig in die entgegengesetzte Richtung. Speziell nach dem Wechsel eines Spielers hat die virtuelle Linse Probleme, sich neu zu orientieren. Besonders in der Defensive ist das Spiel daher oft ein Graus, weil man selten wirklich zu sehen bekommt, wie viele Verteidiger man noch "hinter dem Ball" hat und wie diese positioniert sind. Das Radar auf dem unteren Screen hilft da nur bedingt. Man hat oft schlicht nicht die Zeit, nach unten zu schauen.

PES-Fans allerdings, die gerne nur einen Spieler auf dem Feld kontrollieren, haben weitaus mehr Freude. Die Kamera kann sich im fixierten Modus ganz darauf konzentrieren, das Augenmerk über den gesteuerten Profi hinweg in Richtung Leder zu verschieben und macht dann auch einen angemessenen Job. Hier kommt schnell mehr Kontrolle auf und auch das Mittendrin-Gefühl ist nicht zu verachten. "Meins" ist es eher nicht, zumal auch der Vorteil, den einem die neue Tiefenwahrnehmung gewährt, durch eine weitere Sparmaßnahme eigentlich gar nicht existiert: Von dem neuen, stufenlosen und frei dosierbaren Passsystem ist in der 3D-Ausgabe nichts zu sehen. Die Grafik vermittelt ein ziemlich genaues Gefühl dafür, wie das Zuspiel aussehen muss, die Kontrolle darüber liegt aber eigentlich bei der CPU.

PES 2011 3D

Ein weiteres Opfer der Konversion ist die 360-Grad-Steuerung – das zweite der beiden Features, die im letzten Herbst die Heimkonsolen-Ausgabe von PES 2011 noch in dieselbe Liga schossen wie das aktuelle FIFA. Da hat Konami mit dem Slider des 3DS schon eine annehmbare Analoglösung zur Hand, nutzt sie aber nicht. Das ist besonders bitter, weil das System nur über zwei Schultertasten verfügt und damit der Knopf für das langsame Dribbling wegfällt. Anstatt aber hier das Laufen analog abzustufen, lässt man diese Funktion einfach weg. Feinere Steuerungsmanöver sind hier demnach nicht möglich.

Doch die Verlustliste geht noch weiter: Die Spielstil-Karten sind weg und kastrieren zusammen mit den verschollenen Taktik-Slidern sowie mit den schmaleren Optionen den ansonsten exzellenten Meister-Liga-Modus. Auf dem Feld kann man den Angriffs- und Verteidigungslevel der Mannschaft nicht mehr justieren und die Online-Modi, wie die exzellente Meister-Liga-Online, fehlen ebenso wie die Möglichkeit, die veränderte Steuerung (immerhin fehlen zwei Tasten und der rechte Stick) im Trainingsmodus unbehelligt von Gegenspielern auszuprobieren.

Das einzige spielerische Feature, das nicht in irgendeiner Form auch auf den anderen Plattformen zu haben ist, ist der Street Pass. Hier lässt das System euer Meister-Liga-Team gegen das anderer 3DS-bewehrter PESler antreten – wenn ihr unterwegs denn mal einen trefft. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass diese eigentlich ganz lustige Funktion wohl kaum genutzt werden wird, bis der 3DS auf eine sehr viel breitere Userbasis zurückblicken kann.

Was bleibt, ist ein gut aussehendes Fußballspiel, das die zentralen Abläufe des Sports in der gewohnten Seitenansicht ziemlich ordentlich transportiert. Viele der Finessen, die vor allem das sehr anständige Konsolen-Vorbild ausgemacht haben, sind hier aber unerklärlicherweise einfach nicht vorhanden. Und das allgemein etwas abgespeckte Physik- und Simulationsmodell sowie die grausigen Torhüter streuen weitere Zweifel, ob der Mobilitätsbonus dieser Version die Abstriche nun erträglicher macht.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Konami das Wii-Team der PES Productions damit beauftragt, der Plattform ein Spiel auf den Leib zu schneidern, das zu ihr passt. Diese Schrumpfkuren bestehender Konzepte hinterlassen – gerade zum Preis von knapp 45 Euro – einfach immer einen faden Beigeschmack.

PES 2011 3D ist ab dem 25. März erhältlich.

6 / 10

Schon gelesen?