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PES 2011

"Jede Seite hat zwei Medaillen"

Die KI, die mich in der Vorschau-Version noch erschreckend teilnahmslos empfing, hat ebenfalls zugelegt. Wie Murphy in unserem Sommer-Gespräch gelobte, wird man auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nun auch von Mittelklasse-Mannschaften streckenweise vorgeführt, bis man sich endlich zusammenreißt und ein Mittel gegen die Viererkette mit vorgeschalteter Doppelsechs findet. Die echten Superstars hingegen entscheiden Begegnungen wie gewohnt schon mal im Alleingang zugunsten der KI, bis man weiß, wie man sie effektiv aus dem Spiel nimmt.

Siege werden nie hergeschenkt, immer erarbeitet und nur in den seltensten Fällen müssen sie erstolpert werden. Hier gleicht kein Spiel dem nächsten und jede Mannschaft hat ihren eigenen, authentischen Charakter – eine PES ureigene Qualität, die durch die angesprochenen Neuerungen endlich wieder in einem bedeutsamen Maße hervortritt. Wenn euch Thomas Müller das erste Mal aus der Drehung noch halb mit dem Rücken zum Tor einen einschenkt, dann wisst ihr, was ich meine.

Kein Grund, mich anzubrüllen!

Mit den Torhütern hat Konami scheinbar ebenfalls eine ewige Schwachstelle beseitigt. Auf der Linie bärenstark und auch beim Rauslaufen meistens auf der Höhe, sind dies die besten Schlussmänner, die ich in einem Fußballspiel je zu Gesicht bekommen habe. Auch hohe Bälle werden nur noch in realistischem Maße (also nicht regelmäßig) unterlaufen.

Die katzenartigen Reflexe der Keeper tragen ihren Teil zur Unberechenbarkeit bei: Ich habe Flachschüsse über die Wade eines zur Abwehr ausgestreckten Torwart-Beines nach oben gegen dessen Hand und von dort auf den rettenden Kopf eines Mitspielers prallen sehen.

Das sind diese Momente, in denen man oft erst hinterher – in der Zeitlupe – begreift, was los war. Zwar gibt es gefühlt einige gefährliche Abpraller mehr, die Verteidigung ist aber nicht mehr so chronisch verpennt und bereinigt die Situationen häufig sehr zufriedenstellend. Auch die Tormänner selbst reagieren nach Paraden schneller auf Querschläger. Alles in allen entwickeln sich hier gerade zu zweit gegen einen Kumpel die bekannten Hass-Matches, die damals schon Grund genug waren, sich eine Konsole samt PES zu kaufen.

Neben den Werten, die Konami so eisern hochhält und in diesem Jahr gekonnt auf Hochglanz poliert, hat der Titel aber auch einige kleinere Klopper parat, die man mittlerweile lieber zusammen mit den anderen Altlasten beerdigt sähe. Die Schiedsrichter etwa pfeifen euch zum Beispiel häufig schon wegen nicht mal ansatzweise "englischer" Härte zurück und stoppen damit den Spielfluss, lassen dann aber wiederum die Konsequenz vermissen, für eine Notbremse den roten Karton zu zücken, nur weil der Schienbeinbruch nicht von hinten, sondern von der Seite zugefügt wurde.

Mit dem simplen Stadioneditor erschafft ihr euere mehr oder weniger fantastische Heimstatt.

Ebenfalls den Spielfluss betrifft die etwas zu langsame Ausführung von Standardsituationen und Torwartbällen. Selbst für einen Abstoß muss man auf den befreienden Pfiff des Schiris warten, nur um dem Keeper dann bei seinem dreisekündigen Anlauf für den Kurzpass zum Innenverteidiger zuzusehen.

Abwürfe gelingen zwar schon schneller als damals, aber immer noch nicht so toll, weit und "neueresk" wie in FIFA. Hin und wieder ignoriert euer Schlussmann sogar eure Aufforderung zum Abwurf und schlägt den Ball lieber weit nach vorne.

Richtig frech ist hingegen das Diktat der PES Productions, dass fortan grundsätzlich mit Kamera-Schwenk gespielt werden muss. Ob ihr wollt oder nicht. Das ist besonders verwunderlich, weil das Team in den vergangenen Jahren – offenbar, um die Bildrate des Titels hoch zu halten – den Schwenk nicht einmal mehr optional angeboten hat. Jetzt aber müsst ihr damit leben, dass das letzte Platzdrittel aus schräger Perspektive eingefangen wird und ihr in der Folge vom unteren Platzviertel weniger seht als vom oberen. "Verlust" von Spielern inklusive. Ich kann nur vermuten, dass man die Optik hierdurch etwas schönen wollte, bis im nächsten oder übernächsten Jahr die neue Grafikengine einsatzbereit ist. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Ärger darüber nur von kurzer Dauer war und ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe. Das Gegenteil gilt für die Sofortwiederholungen: Die Kamera ist zu nah am Geschehen und lässt sich in der Höhe nicht mehr justieren. Ärgerlich.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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