PES 2014 - Test
Spielerisch Bayern München. Technisch HSV.
Da ist er nun, der lang ersehnte Umbruch in Sachen Technik. Bei Konamis Selbstentkernung der populären Fußballspiel-Reihe muss den Verantwortlichen ordentlich die Muffe gegangen sein. Wie behält man das bewährte Spielgefühl der Reihe bei, wie konserviert man ihre Identität, wenn man das komplette Skelett austauscht und durch ein neues ersetzt? Die Alternativlosigkeit dieser Maßnahme mag geholfen haben - oder auch nicht. Das vermögen Menschen mit mehr Erfahrung in der Spieleentwicklung besser zu beurteilen. Was ich jedoch beurteilen kann, ist das Resultat: Das hier ist nicht weniger als eine beeindruckend gelungene Flottmachung Pro Evolution Soccers für die nächsten fünf Jahre. Leider wird sie zumindest in der uns vorliegenden PS3-Version durch technische Unzulänglichkeiten an größeren Glanztaten gehindert.
Immer noch gibt es einige Baustellen und tatsächlich wird man das Gefühl nicht los, dass dem Spiel noch ein paar Monate Feintuning gutgetan hätten. Die Schuld des eigentlichen Rasenschachs, das hier zelebriert wird, ist das aber nicht, denn sobald man einmal auf dem Grün steht, ist alles in bester Ordnung. Hier stellt man vor allem fest, dass PES trotz neuer Engine und deutlich besserer Grafik mit wahrhaft blendenden Animationen weiterhin dieselbe variable Sorte Wimpernschlag-Fußball bietet, für die die Reihe so beliebt geworden ist. Es beherrscht sowohl das langsame Mittelfeldtaktieren mit viel Ballbesitz und kurzen Pässen, als auch auch die plötzlichen Explosionen in Richtung gegnerischer Strafraum und so schnüren erfahrene Spieler ihr Gegenüber im eigenen Strafraum ein, warten auf ihre Chance zuzuschlagen. Wer zuerst blinzelt, verliert!
Dabei hilft natürlich, dass das (justierbare) Tempo für eine Simulation einmal mehr erstaunlich hoch angesetzt ist, PES Productions kompensiert dadurch mit gutem Gespür die höhere Übersicht, die Videospieler aufgrund der Vogelperspektive haben. So bewahrt es sozusagen die Authentizität seines Spiels, indem es einen Schritt weg von der Realität macht. Das PES 2014 ist in allen Feldzonen ein spannendes, feinfühliges und durchaus actiongeladenes Erlebnis, nicht nur im letzten Drittel. Wer der Reihe allerdings schon länger treu ist, der stellt sich besser schon mal auf einige der härtesten Niederlagen ein, die ihm die KI in den letzten Jahren virtuellen Fußballs beigebracht hat. Denn im Feinen hat sich einiges geändert, was einem nicht unbedingt sofort auffällt, eingefahrene PES-Angewohnheiten aber angenehm aufweicht.
Neue Zweikampfstärke
Es sind vor allem die Zweikämpfe, die dem Spiel auf beiden Seiten - in Angriff und Verteidigung - ein neues Gesicht verleihen und für die sich die Anschaffung der 2014er-Ausgabe beinahe im Alleingang lohnt. Den Weg, der letztes Jahr mit dem neuen Verteidigungssystem eingeschlagen wurde, ging man konsequent bis zum Ende. In der Verteidigung reicht einmal mehr das Halten von A bzw. Kreuz, damit euer Spieler den ballführenden Gegner bewacht und seinen Bewegungen folgt. Ihr habt währenddessen Einfluss darauf, wie nah ihr an eurem Mann stehen wollt und ob ihr euch für ein Tackle in Position bringen wollt, oder lieber auf die Hilfe eurer Nebenmänner wartet. Haltet ihr das Leder für erreichbar, sorgt doppeltes Drücken der Verteidigungstaste dafür, dass euer Spieler mit dem Fuß nach dem Spielgerät stochert. Dank verbesserter Animationen und genauerer Kollisionsabfrage ist diese Art zu verteidigen deutlich involvierender als damals.
Der Angreifer hat unterdessen mit überarbeiteten Dribblings mehr Optionen, als einfach nur den Moment abzuwarten, in dem er schräg am Verteidiger vorbeisprinten kann. Die feinfühligere Steuerung mit Ball am Fuß fühlt sich nun flexibler an und das "Deft Dribble" (R2) ermöglicht mühelosere Bewegung in alle Himmelsrichtungen. Eingängig und gut zu kontrollieren erzwingt man so fehlgeleitete Tacklings oder schafft sich durch gutes Timing die entscheidenden Millimeter Raum für ein Zuspiel. Wer kein großer Trickser ist und eher robuste Zweitligamannschaften spielt, als mit wahren Ballartisten, wird zudem die neuen Finten zu schätzen wissen. Die bekamen nun eine Halbautomatik spendiert, bei der man nach einer gelungenen Körpertäuschung noch auf intuitive Art die Laufrichtung wechselt - einfach mit dem linken Stick. Da die Durchführung immer noch einiges an Timing erfordert - gerade in Relation zum attackierenden Gegner, ist das Feature keinesfalls zu mächtig. Gleichzeitig ist es aber wohl das erste Mal in der Seriengeschichte, dass Übersteiger und dergleichen zu mehr zu gebrauchen sind, als nur zum Angeben. Klasse!
"Angriff und Verteidigung haben in PES 2014 also mehr oder zumindest einfacher umsetzbare Möglichkeiten, was viel für die Flexibilität auf dem Feld tut."
Dazu kommt, dass man im Laufduell seine Körperkraft nun noch aktiver geltend machen kann, indem man mit dem rechten Stick in Richtung des Gegenspielers den Arm ausfährt und so den Körperkontakt noch forciert, während der ballführende Mann sich auf die gleiche Art wehrt. Das injiziert eine weitere Nuance in die Zweikämpfe. Angriff und Verteidigung haben in PES 2014 also mehr oder zumindest einfacher umsetzbare Möglichkeiten, was viel für die Flexibilität auf dem Feld tut. Kein Spiel fühlt sich an wie das vorangegangene und alte Hasen werden sich wundern, wie sehr sich ihr Spielstil verändern und ihr Repertoire erweitern wird. Das ist vielleicht das schönste Geschenk, dass PES Productions den langjährigen Fans machen konnte. Gleichzeitig könnte es sich noch als großer Trumpf für diejenigen erweisen, die seit langem mal wieder einen Wechsel von FIFA ins Pro-Evo-Lager erwägen.
Lizenz zum Modden
Andere Ergänzungen, wie etwa den neuen Pass in den Raum, der nun dank Zielmarker in einer komplett manuellen Variante daherkommt, kann man, wenn man möchte, auch in gehabter PES-Manier spielen. Das gilt auch für die Schüsse. Ich persönlich hielt es lieber mit dem Serienstandard, der sich für mich nach wie vor am besten anfühlt. Kontrollfetischisten werden das anders sehen und genau so Recht haben. Der Ball scheint unterdessen in diesem Jahr etwas leichter zu sein, kracht aber immer noch mit einem ordentlichen Wumms gegen das Aluminium. Auch bei den Freistößen gibt es nun optische Hilfen, die die voraussichtliche Flugbahn anzeigen, und den Einfluss, den eure Eingaben auf das Leder haben werden. Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich darauf umgestellt hatte, aber nun kommt mir das System wie selbstverständlich vor.
Mit den Lizenzen steht es unterdessen nur auf dem Papier wirklich besser, denn die wichtigsten hat EA weiterhin exklusiv. Zwar gesellen sich mit Schalke und Leverkusen gleich zwei deutsche Mannschaften zu den Bayern, aber das ist alles andere als genug. Konami strengt sich zwar an, kleinere Ligen rund um den Globus ins Boot zu holen, was auch jedes Jahr aufs Neue gelingt. Allerdings dürfte etwa die asiatische Champions League AFC wohl mehr abgebrühte Achievement-Jäger zu einem Spiel motivieren als tatsächliche Fans der enthaltenen Teams. Das ist schade, aber von lizenzrechtlicher Seite aktuell wohl nicht anders zu regeln. Ich beneide die Verantwortlichen nicht. Es muss schmerzen, jedes Jahr aufs Neue denselben Kritikpunkt um die Ohren gehauen zu bekommen, ohne dass man etwas daran ändern könnte. Auf der anderen Seite: Wer sich über die Lizenzdürre so sehr ärgert, hat eigentlich keine Ausrede, nicht in der florierenden Modding-Community des Spiels nach Linderung zu suchen.
"Die Spieler, ihre Animationen und KI sitzen einfach auf den Punkt."
Auch wenn viele Mannschaftsnamen nicht dem Original entsprechen, so sind die verschiedenen Teams anhand ihrer Qualitäten im Ganzen und auf individueller Ebene deutlicher voneinander zu unterscheiden als in jedem anderen Spiel der Serie zuvor. "North London" gegen "Merseyside Red" könnte man auch mit generischen Trikots, ohne Spielernamen und HUD binnen weniger Momente auseinanderhalten. Die Spieler, ihre Animationen und KI sitzen einfach auf den Punkt. In meiner letzten Vorschau beschrieb ich ja bereits ein Stochertor, das so nur Miroslav Klose für die Deutsche Nationalmannschaft gelingen konnte. Seither sind mir ungezählte weitere Ereignisse untergekommen, bei denen ich beinahe das Gefühl hatte, ein tatsächliches Spiel der entsprechenden Mannschaften anzuschauen. Es ist fast schon unheimlich, wie gut die Spieler auseinanderzuhalten sind und wie verlustfrei ihre Identität den Weg ins Spiel fand.
Geduldspiel
Bis hierhin ist PES also im Grunde die Wiederbelebung, von der man geträumt hat und spielerisch vermutlich die größte Überarbeitungen, seit Sportspiele den Jahresturnus als Veröffentlichungsmodell entdeckt haben. Allerdings ächzt die PS3 offenbar ordentlich unter der Last der Fox-Engine. So ist die Menüführung jetzt zwar eine Idee aufgeräumter, obwohl Konami immer noch die Angewohnheit hat, wichtige Informationen hinter mehreren Clicks zu verstecken. Trotzdem ist das Navigieren durch Aufstellungsmenüs wegen eines furchtbaren Input-Lags ein Graus. Während der Spiele, wenn im Hintergrund also noch etwas gerechnet werden muss, ist es sogar noch schlimmer. Das ist beinahe indiskutabel! Ich konnte es zwar noch nicht online probieren, aber an den Gedanken, derartige Einstellungen unter Zeitdruck (und womöglich mit zusätzlichem Lag) zu unternehmen, schaudert es mir regelrecht.
Dazu kommen schlimme Ladezeiten, die sich zwischen viele Menübildschirme zwängen. In der Meister Liga Online etwa kann man nach dem Click auf "Schnelles Spiel" schon mal einen Kaffee holen, während man darauf wartet, dass endlich die Suchoptionen aufploppen. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Am schlimmsten sind aber die Ladepausen zwischen den Spielen. Ich habe die Zeit zwischen meinem Click aufs "Anpfiff"-Feld und dem tatsächlichen Spielbeginn mehrfach gestoppt und hatte in der Regel Zeiten von etwa 1:15 Minuten, teilweise schrappte PES 2014 sogar nur knapp an der Eineinhalb-Minuten-Grenze vorbei. Zum Vergleich: Die nicht installierte 360-Version (eine andere hatte ich nicht zur Hand) von PES 2013 brauchte nur ein Viertel der Zeit. Doch das ist noch nicht alles: Die Zwischensequenzen ruckeln häufig und trotz neuer Engine gibt es immer noch einen kurzen Freeze, wenn der Ball die Grundlinie überquert. Hier können wir nur auf einen Patch warten, der Besserung verspricht.
Ich werde in Kürze die PC-Version einer Prüfung unterziehen, um zu sehen, ob sie besser läuft. Denn zumindest rein spielerisch ist für mich klar, dass ich hier mein Fußballspiel für dieses Jahr bereits gefunden habe. Im aktuellen Zustand aber sehe ich mich außerstande, PES 2014 sein eigentlich verdientes Krönchen aufzusetzen. Und das ist verdammt schade, denn selbst die Stadion-Atmosphäre hat PES Productions in diesem Jahr endlich mal hinbekommen. Vielleicht klappt es im nächsten Jahr ja sogar mit den Kommentatoren? Es ist unfassbar ärgerlich, dass einem die Technik derartige Steine in den Weg rollt.
Eigentlich ist es sogar tragisch, denn auf dem Platz stimmt so gut wie alles. Es sieht toll aus, gerade in Bewegung, fühlt sich exzellent an und bietet Profis so viele Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, wie wenige andere Spiele. Dass es PES 2014 dabei auch Einsteigern leicht macht, seine Sorte flexiblen Fußballs zu genießen, ist eine große Stärke. Die hat es sich zum Glück bewahrt.
Es ist aber vor allem das Gefühl, das ganz vorne mit dabei ist: Das hier ist mal wieder ein PES, bei dem diese gewisse Romantik in der Stimme mitschwingt, wenn man Freunden von hart erkämpften Triumphen und unglücklichen Niederlagen erzählt. Gedankenspiele um Neuverpflichtungen oder Aufstellungsalternativen für die eigene Meister-Liga-Mannschaft versüßen einem selbst die längsten und tristesten Tage, währen die eigentlichen Matches flächendeckend das volle Erlebnisspektrum des Sports bespielen. Das hier ist eine fantastische Basis für die kommende Generation. Jetzt muss Konami nur noch dafür sorgen, dass man mehr mit Spielen und weniger mit Warten beschäftigt ist.