Skip to main content

Phoenix Wright 2: Justice for All

Es gibt ja doch sympathische Anwälte

Wie die Unschuld vom Lande sitzt die Zeugin da. Der Gerichtssaal hängt gebannt an ihren Lippen. Nur Phoenix Wright und meine Wenigkeit sind skeptisch. Irgendetwas stimmt da doch an ihrer Aussage nicht. Wir gehen unsere Beweise noch einmal durch und plötzlich fällt es uns wie Schuppen von den Augen! Sie kann unmöglich zum Tatzeitpunkt im Bett gelegen haben. „Einspruch!“, brülle ich ins Mikrophon meines Handhelds und der junge Staranwalt tut es mir im Gerichtssaal gleich.

Zeugenverhöre, Spurensuche, Gerichtsverhandlungen, das Entschlüsseln von Geheimnissen - Phoenix Wright 2 stellt eine spannende Mischung aus klassischem Adventure und interaktiver Geschichte dar und besteht im Grunde aus zwei Einzelteilen: Den Ermittlungen, während derer Ihr unter anderem die Tatorte begutachtet, mit Leuten sprecht und Indizien sammelt, und den Gerichtsverhandlungen, in denen Ihr Zeugen ins Kreuzverhör nehmt, Beweise vorbringt und Aussagen widerlegen müsst. In vier Fällen – von denen einer Tutorial-Charakter besitzt - verteidigt Ihr als besagter junger Anwalt Eure meistens unschuldigen Mandaten. Einen Bonus-Fall, wie beim Vorgänger, gibt es übrigens nicht. Die Spielzeit fällt also etwas kürzer aus. Aber noch lange kein Grund, sich enttäuscht aus dem Preview zu klicken: Gut zwanzig Stunden Spielzeit dürften trotzdem das absolute Minimum sein.

Justice for All knüpft genau dort an, wo der vielfach bejubelte Vorgänger aufhörte – sowohl in Sachen Gameplay, als auch bei der Story. Neulinge werden somit sanft eingeführt und müssen keine großen Wissenslücken befürchten. Das ist besonders beachtlich, da die Entwickler auch den Anwaltsveteranen keine ewigen Rückblicke vorsetzen. Ein erstaunlich gut gelungener Kniff, um beide Gruppen zufrieden zustellen.

Nicht ohne meinen Anwalt

Auch wenn die Zeichen schlecht stehen, das können wir nicht glauben!

Noch immer ist der Touchscreen der beste Freund des Anwalts. Zwar könnt Ihr auch mit Tasten und Mikro steuern, am Ende bleibt jedoch der untere Bildschirm die beste Steuerungsmethode. Man tippselt sich durch stets überraschende Dialoge, ein gut geordnetes Inventar und Profil jeder Person, sowie zahlreiche Standbild-Locations. Grafisch ist das nicht sonderlich aufregend, zumal der Gerichtssaal 1:1 aus dem Vorgänger entstammt. Doch der Gesamteindruck stimmt und Technik-Fetischisten werden am NDS wohl ohnehin nie zufrieden gestellt.

Im Prinzip ist Phoenix Wright 2 eine Plage, setzt auf uralte Mechanismen. Stets ist man auf der ziemlich linearen Suche nach dem einen letzten, kleinen Puzzlet-Teil oder der Ungereimtheit in der perfide zusammen gesponnenen Aussage eines Zeugen der Anklage. Manchmal hängt man fest, das Hirn raucht und ein leichter Tick Verzweiflung macht sich breit. Doch kurz bevor es lästig wird, kommt der rettende Geistesblitz. Plötzlich ist dann alles völlig logisch und man belächelt die vorherige, eigene Blindheit.

Und genau das ist wie Ecstasy für die Motivation. Kleine Erfolgserlebnisse regen immer wieder zum Weitermachen an. Und wenn dann doch einmal eine Länge droht, packt eine der herrlich einzigartigen Figuren mit Sicherheit plötzlich einen Gag aus. Ein ordentliches Prusten können sich dabei oft nur humorlose Tote verkneifen. Beachtlich: Die eigentlich nur als Beiwerk zur japanischen Version gedachte US-Lokalisation strotzt nur so vor Wortwitz und regional passenden Bezügen. Bleibt zu hoffen, dass auch für den Deutschland-Release ein entsprechend geglückter Aufwand betrieben wird.

Nichts für Dumpfnüsse

Diese junge Dame verheimlicht uns ein wichtiges Detail.

Während jeder Fall in einer Mischung aus dem Geschehen in der Verhandlung und der Beweissuche zwischen den Gerichtstagungen seine eigene kleine Geschichte erzählt, hält eine allgemeine Handlung das Große und Ganze zusammen. Mit dabei sind alte Bekannte und neue Charaktere, stets mit ihren eigenen Marotten und Liebenswürdig- oder Abscheulichkeiten. Veteranen werden sich freuen, dass im Laufe des Spiels etwa auch Phoenix engste Vertraute Maya wiederkehrt. Das Mädel hatte sich am Ende des ersten Teils ja aufgemacht, um ihre übernatürlichen Fähigkeiten als spirituelles Medium zu trainieren.

Ganz neu ist die dagegen Fähigkeit, zu erahnen, wann Leute eine Information zurückhalten: Der so genannte Psyche-Lock. Mit Hilfe eines Talismans könnt Ihr dem Geheimnis auf den Grund gehen und so wertvolle Informationen gewinnen - genügend Recherche vorausgesetzt. Wann auch immer Ihr diese Fähigkeit nutzt oder Zeugen ins Kreuzverhör nehmt, poppt eine Art Energieleiste auf. Falsche Vermutungen lassen das dort verbuchte Guthaben schmelzen. Ist die Leiste leer, zählt der Fall als verloren. Hier hilft es nicht mehr, „Einspruch“ zu brüllen. Nur der letzte (jederzeit anlegbare) Speicherpunkt oder ein Neustart des Kapitels retten den Verlauf. So wird, zumindest an einigen Stellen, ein stupides Trial-and-Error-Prinzip vermieden und bedachtes Vorgehen beim Spieler gefördert. Und das ist manchmal gar nicht so einfach....

Ganz genau weiß ich nicht, warum mir Phoenix Wright nun schon seit zwei Teilen so viel Freude bereitet. Aber genau das tut es. Immer wieder finde ich mich selbst noch spät nachts am Knobeln und Lachen, und hoffe bereits in der Mitte des Spieles sehnsüchtig auf einen weiteren Nachfolger. Zu sehr hab ich die Charaktere lieb gewonnen, als dass ich nicht wissen möchte, wie ihre Geschichte weitergeht. Zu viel habe ich gelacht. Zu schön ist es, Fälle zu lösen und der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Für DS-Besitzer ist Phoenix Wright 2: Justice for All, wie schon der Vorgänger, ein Must Have. Fehlt nur noch, dass es endlich in hiesige Gefilde kommt. Warum das immer so lange dauert, wo doch eigentlich nur die Dialogtexte übersetzt werden müssten, bleibt ein Rätsel, das selbst Phoenix und Maya nicht lösen können.

Irgendwann Anfang 2007 wird auch bei uns wieder verteidigt, was das Zeug hält.

Schon gelesen?