Picard Season 3 Folge 10: Am Ende also doch Weltenretter-Zeitverschwendung
Das Finale, vor dem es mir graute…
Ich sollte mich ärgern. Aber das ist nicht das Gefühl, das ich gerade spüre. Ist es Resignation? Vermutlich. So richtig verscherzt, mit flatternder Hutschnur und so, hat es sich die Serie schon letzte Woche mit mir. Das heute macht nur den Deckel drauf und endet zwar reichlich kuschelig, aber am Ende doch konsequenzlos. Offen gesagt: Obwohl ich vieles an Staffel drei mochte — vor allem die Art, wie ich mich beim Schauen gefühlt habe — ich glaube, letzten Endes hätte ich lieber darauf verzichtet.
Das war schon schlimm, wie schamlos — schon wieder dieses Wort — und ohne Rücksicht auf die Plausibilität das Wunschdenken der Fans bedient wird. Nichts wird ausgelassen, um dieses rumpelnde Best-of-Medley auf die Bühne zu bringen. So sehr es mich natürlich freut, noch einmal die TNG-Enterprise, das coolste Raumschiff überhaupt für mich, wiederbelebt zu sehen, so leer, kalkuliert und — ja — im Grunde wie ein Traum von der fiebrigen Sorte wirkt es für mich, wie wir sie hier wieder bekommen haben. Ein Galaxy-Klasse-Raumschiff, noch dazu in voller Funktion, in Eigenregie wieder flott zu machen, ist kein Feierabend-Hobbyprojekt, Mr. LaForge. Dass ich etwas gespürt habe, als sich das Dock öffnete, liegt wohl in erster Linie daran, wie sinnlos sich Star Trek 7 dieses ikonischen TV-Zuhauses einer ganzen Generation entledigte.
Egal, wie so oft in dieser Staffel gilt: Wenn man die etablierte Prämisse erstmal geschluckt hat, geht es eigentlich. Was nicht bedeutet, dass ich gut fand, was hier passierte. Das geht los mit „dem Plan“. Am Ende ziehen also doch die lange auserzählten Borg mal wieder die Fäden, nur um im Vorbeigehen zur Lachnummer degradiert zu werden, die mit der monolithischen Gefahr von einst nichts mehr zu tun hat. Die Borg-Queen scheint in erster Linie sauer darüber, keinen Schnurrbart zu haben, den sie zwirbeln könnte und geriet zum typisch-monströsen TV-Bösewicht, dessen Plan so weit hergeholt, wie übermächtig war. Idiotensicher geradezu…
… nur, dass man selbstverständlich eine Schwachstelle von den Abmessungen der Enterprise-D gelassen hat. Diese Serie ist wirklich der König der praktischen Plot-Ereignisse. Doch die Probleme beginnen eigentlich früher: Der Teil der Staffel, den ich gut fand, funktionierte, weil nicht schon wieder eine Weltenrettung auf dem Plan stand. Das war erfrischend. Bergab ging es immer, wenn die Serie mit zunehmender Eskalation signalisierte, in welche Richtung es bei Picard ausnahmslos gehen muss. Zum großen Knall, bei dem alles für alle auf dem Spiel steht. Erst war das Problem persönlicher Natur, dann beinahe, und schließlich tatsächlich familiär. Der nächste Sprung, den ich noch mitgegangen wäre, ist dann die Verschwörung, bei der die Seele der Föderation auf dem Spiel stand. Nur damit, am Ende doch noch der Untergang eines Großteils der zivilisierten Völker nicht nur abgewendet, sondern rückgängig gemacht werden muss. Warum dieser Maximalismus? Sind wir so abgestumpft, dass wir anders emotional nicht mehr erreicht werden können?
Die Art, wie die Bedrohung konstruiert wurde, ist ebenfalls extrem windig. Die Zeit zwischen dem Diebstahl von Picards Leichnam und dem Schluss scheint zu kurz, um flächendeckend zu assimilieren. Und dann hätten wir noch nicht davon angefangen, wie unglaubwürdig es ist, dass die „biologische Technologie“, die in Picard verblieben war (wenn man deren handwedelnde Erklärung überhaupt akzeptieren möchte), ihm mit exakt der Absicht eingeflößt wurde, dass er doch mal ein Kind zeugt, welches dann als Transmitter für die Massenassimilierung fungieren kann. Und wie blöde ist es bitte, dass sich drei Viertel der Staffel genau darum drehen, Jack zu den Borg zu bringen — ein Unterfangen, das scheitert — nur damit er sich schließlich unter „Mithilfe“ von Deanna und Picard freien Stückes dorthin aufmacht? Es ist zum Schreien.
Die Szene, in der das gewaltige Galaxy-Klasse-Schiff mittig in den Borg-Kubus hineinfliegt… die war in Sachen Effekten hübsch gemacht, aber auch die Sorte Action, die mir signalisiert, dass hier Leute am Werk waren, die sich wünschten, Star Trek wäre mehr wie Star Wars. Mehr gestört hat mich eigentlich, wie aufgebauscht zuvor eigentliche das Risiko dieses Manövers wurde. Und auf welche Weise erst.
Dass Data unbedingt insistieren muss, sein Bauchgefühl signalisiere ihm, dass man dieses Himmelfahrtskommando starten sollte, war die Sorte geistloser Dialog, die mich diese Season schon oft geärgert hat: Ich weiß, dass man betonen will, dass Data jetzt menschlicher ist. Zugleich war der Androide immer schnell mit Wahrscheinlichkeitsrechnung bei der Hand und er muss den großzügig dimensionierten Tunnel ins Innere des Kubus gesehen haben. Der Flug hinein schien keine so knappe Sache zu sein. Es muss einen Weg geben, dieses Gespräch so zu schreiben, dass es nicht wie ein Verrat an dieser Figur rüberkommt.
Zum zweiten Mal im Verlauf dieser Staffel wird außerdem eine Maschine — na gut, ein umprogrammierter Mensch, Jack — mit einer emotionalen Ansprache davon überzeugt, dass böse sein keine gute Idee ist. Inklusive der zweiten Umarmung in einem virtuellen Raum nach der Data / Lore Konfrontation, was die Probleme dieser gesamten Serie fast voll umfassend versinnbildlicht: Zu viel gefühlige Faselei, die am Ende den Unterschied macht. In einem Universum, das so sehr im Orbit um Ratio lebte, wirkt das schlicht unpassend.
Hat sonst noch jemanden gestört, wie man die Titan, ein Schiff, dass sich spätestens in diesem Konflikt schwer verdient gemacht hat, einfach umgetauft hat? Ich meine, ich finde das Design des Schiffs toll genug für eine neue Enterprise, aber irgendwie hat es doch seine eigene Identität geschaffen. Es fühlte sich nicht richtig an. Das gilt allerdings auch für mehrere Kleinigkeiten, wie die Tatsache, dass der Fleet-Formation-Modus auf Sichtkontakt basiert, wir weder von Kestra gehört, noch Laris wiedergesehen haben.
Und letztlich war es kindisch, erzählerisch fast ein bisschen herablassend, wie hier jeder bekommt, was er will. Von der Crew bis zu den über die Jahre ausgehungerten Fans dieses speziellen Zweiges Star Trek. Am Ende sind, mit Ausnahme des beinahe achtlos weggeworfenen Captain Shaw — wirklich schade um die Figur — alle okay und sehr viel besser dran als vorher. Data ist endlich wirklich Mensch, Troi und Riker reparieren im Vorbeigang ihre Ehe, Raffi bekommt Zugang zu ihrem Sohn und Enkel, Picard findet die Familie, die er angeblich immer gesucht hat, Jack findet endlich den Anschluss, den seine Borg-Komponente so lange verhindert hat und als zweiter Crusher-Sohn einen Posten auf der „neuen“ Enterprise, wo seine Love-Interest soeben befördert wurde.
Es sind mehr Enden als Herr der Ringe und ihnen geht das Bittersüße von Peter Jacksons Trilogie komplett ab. Das kommt höchstens dadurch dazu, dass man sich sicher sein kann, diese Darsteller nie wieder in ihren Rollen zu sehen. Oder zumindest nicht zusammen.
Schade. Wirklich schade. Weite Strecken hiervon haben mir trotz der Schwierigkeiten gut gefallen, aber die Enthüllungen der letzten beiden Episoden reißen das zuvor Aufgebaute mit dem A**** wieder ein. Was bleibt, sind einige nostalgisch wirksame Momente, ein Worf, der bis zum Schluss ein absolutes Highlight war („And I will make it a threesome!“ „Are you even listening to yourself“) und eine zum Teil vielversprechende neue Crew, gespielt von Darstellern eines Kalibers, das den ersten beiden Picard-Staffeln abging. Der Rest wandert zu Nemesis und Discovery in den Teil des Star Trek Kanons, den ich weiter ignorieren werde.