Picard Season 3 Folge 6 ist ein schamloses Gruppenkuscheln. Aber ich kann nicht anders, als da mitzumachen
Eine zu enge, zu passgenaue Umarmung. Fühlt sich trotzdem gut an.
Spoiler für Folge sechs der dritten Staffel von Star Trek Picard
Oje, oje, oje. Haut mir diese Meinungsartikel gerne um die Ohren. Immerhin bin ich sonst ein großer Kritiker von bequemem, konstruiertem Fan-Service, der nur als Streicheleinheit für den Zuschauer existiert. Aber irgendetwas ist diese Staffel anders als in den letzten beiden, die sich daran eigentlich auch schon versucht hatten.
Folge sechs von Star Trek Picard wirft jetzt alle Versuche einer originären, auch für sich stehend interessanten Handlung aus der Luftschleuse und gibt sich vollends einer rührseligen und allzu perfekt ineinandergreifenden kollektiven Fan-Umarmung hin. Das ist schlimm – aber irgendwie auch schön.
Man kann das nun mal aus zwei Richtungen sehen. Zunächst aus der zynischen Paramount-Perspektive, wo eine sterile Finanzabteilung exakt errechnet hat, was es braucht, um die Community für zehn weitere Wochen an den neuen Abo-Dienst Paramount Plus zu binden. Die andere Seite wäre die von Showrunner Terry Matalas, der schon an Star Trek Voyager und Enterprise mitwirkte, und jetzt versucht, den Fans der Next-Generation und 90er Trek im Allgemeinen den emotionalen Abschied zu geben, der die Filme niemals waren. Ein neues TV-Zuhause für diejenigen, die die Gesichter klassischen Treks zu lange vermissten.
An letzterer Perspektive ist genauso wenig ehrenrührig, wie an der Tatsache, dass Matalas es nach zwei verhunzten und schwer auszuhaltenden Picard-Staffeln an keiner Stelle auf Zufälle ankommen lassen will. Die Nebenwirkung ist dann allerdings, dass alles bis zur sechsten Folge doch allzu rund und von langer Hand geplant wirkt, mit unseren Tränendrüsen als Ziel. Wirklich alles kommt noch mal auf den Tisch: Das Dominion, Rikers erste Begegnung mit Data, Lore, B-4, die sterblichen Überreste gleich zweier großer Kapitäne und – verdammt noch mal – die HMS Bounty aus Star Trek 4. Diese Staffel ist wie ein Theme Park klassischen Treks und muss daher auch nicht groß überraschen. Auch darin liegt Bequemlichkeit, aber Bequemlichkeit ist auch, die Fernbedienung in die Hand zu nehmen und eine zufällige Folge TNG anzuwerfen.
Soll heißen, für mich funktioniert in diesem Vergnügungspark von einer Star Trek Folge mehr als in die Hose geht. Klar hatte auch diese Folge wieder so einige unsinnige Momente. Etwa dass die Daystrom-Entercrew in der Sicherheitsschleuse einfach so ein Panel entfernen kann, um an der Computersteuerung herumzupfuschen. Oder dass sie wenig später versuchen, ein Hologramm zu erschießen (aber nicht, bevor sie die Projektion dreimal ohne jegliche Deckung auf sich schießen lassen). Und ich hatte mir notiert, wie cool Worf mal wieder ist, bis die Autoren mit seinem “wir sind freundliche Energie-Gag” den berühmten Schritt zu weit gegangen sind.
Augenrollen gab es ebenso über die Tatsache, dass wir natürlich alle Zeit der Welt für ausufernde Gespräche über coole Raumschiffe und den lieben Nachwuchs haben – obwohl wir eigentlich in einer Stunde bereits wieder unsere Einbrecher-Kollegen aus der Hochsicherheitsanlage abholen sollen. Komisch auch, dass die Schwestern LaForge und Jack nur ein paar Minuten brauchen, um über Hundert Jahre alte klingonische Tarntechnologie nicht nur aus einem alten Bird of Prey aus-, sondern sie auch auf einem modernen Sternenflottenschiff einzubauen. Sie läuft ja sogar zumindest ansatzweise. Gut, immerhin haben wir dafür zwei coole Momente bekommen, die diese Dummheiten eigentlich schon wieder wert waren: LaForges und Picards gleichzeitige Erkenntnis, dass ihre Kinder sie hintergangen haben, und Geordies Ansage an Jack, er solle die Finger von Sidney lassen.
Überhaupt sind Sidney und Jack bis hierhin zwei Neuzugänge, die in dieser Qualität den ersten beiden Staffeln fehlten. Ich schaue beiden sehr gerne zu, auch wenn das alte Klischee, dass zwei junge, attraktive Menschen im selben Unterhaltungsprodukt selbstredend eine Romanze entwickeln müssen, ebenfalls ein wenig bemüht wirkt. Vielleicht bleibt es aber auch bei Andeutungen...
Trotzdem: Auch Shaw bleibt ein guter neuer Charakter, der ein wenig mehr Präsenz in der Geschichte erhält. Auch er macht eine Menge aus seiner kleinen Rolle, was zunehmend auch für die langsam auf alte Mannschaftsstärke anwachsende Original-Crew gilt. Worf ist bei zwei von drei Onelinern ein echtes Goldstück, Geordies Blick, als er Data sieht, der eines wahrhaftigen alten Freundes. Und als ich mir kurz sicher war, dass Riker sich für die gute Sache opfert, hatte ich tatsächlich kurz unbehagliches Herzklopfen.
Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber die Unterwanderung der Föderation durch Wechselbälger gibt mir auch ein wenig geistigen Spielraum, diese finstere und wenig idealistisch wirkende Version der Föderation mit meinem alten Bild von ihr zu vereinen. Rückblickend ergibt es Sinn, dass diese Organisation, die eigentlich für das Optimalbild vereinter zivilisierter Völker stehen soll, in den vergangenen Staffeln den “Gritty reboot”-Weg ging. Ich erkläre mir das einfach so, dass hier längst ein paar Wölfe im Schafspelz an den Hebeln saßen. Vielleicht sabotierten sie bereits die Rettung der Romulaner, über die in Season eins gesprochen wurde, und säten hinter den Kulissen Zwietracht zwischen den Völkern des Alpha- und Beta-Quadranten. Sinn ergeben würde es auf jeden Fall.
Klar, es wird auch wieder für Star-Trek-Verhältnisse seltsam gefühlig, wenn viel über Eltern-Kind-Verhältnisse, Familie und dergleichen gesprochen wird, aber insgesamt war ich mal wieder gut unterhalten und kann mich mittlerweile gut auf diesen Nostalgietrip einlassen.