Picard Season 3 Folge 7 wandelt auf mächtig dünnem Eis – und darunter liegt ein See aus Käse
Fondue à la Picard.
Spoiler zu Folge 7 von Star Trek Picard Season 3
Uiuiui, Episode sieben der letzten Staffel von Star Trek Picard war bereits hart an meiner Trash-Toleranzgrenze, bevor sie auf den roten Knopf drückte und mit Vadics Origin-Story eine gewaltige Expositionsbombe über meinem Kopf abwarf. Ich gebe zu, diese Folge zerrte wieder ganz ordentlich an meinem gequälten Enthusiasmus für diese Season. Der wurde bislang ohnehin schon mehr schlecht als recht von einem Zweikomponentenkleber aus Nostalgie für die Serien der Neunziger und Verdrossenheit über die TNG-Kinofilme zusammengehalten. Und jetzt passieren gleich mehrere Dinge zugleich, die zwar ordentlich für Drive und Anspannung sorgen, aber schwer zu schlucken sind.
Im Grunde zieht sich das ja schon die ganze Zeit durch Season drei. Doch ich muss schon zu den ersten ein, zwei Folgen zurückdenken, wenn ich Momente beschwören will, in denen ich so hart mit den Augen gerollt habe, wie im heute ausgestrahlten siebten Kapitel. Wo soll ich bloß anfangen?
Vielleicht erst einmal damit, dass ich mit Vadics Herkunft durchaus leben kann. Wenn die Föderation moralisch in der Lage ist, eine biologische Waffe gegen die Wechselbälger zu entwickeln, sind Experimente an neun Einzelexemplaren ebenso vorstellbar. Fragt sich, wieso die Wissenschaftler glaubten, dass es eine gute Idee sei, die Versuchskaninchen noch mächtiger zu machen. Aber okay, die Antwort darauf lasse ich gerne im Unschärferaum zwischen dem, was der Flashback preisgab und dem, was wir nicht gesehen haben umhergeistern.
Was ich weniger gut glauben kann, ist, wie einfach Lore das Schiff übernehmen konnte. Ich hielt es schon für arg herbei gedichtet, dass Soong Lore und Data überhaupt in einem Körper vereinen würde – und die Erklärung dafür hat mir ebenso wenig gefallen. Doch weil die Crew das einfach so in Kauf nahm, ging ich davon aus, dass irgendwelche Sicherheitsprotokolle eingesetzt wurden, um exakt das zu verhindern, was nun eingetreten ist: Lores Übernahme des Schiffes an einem dramaturgisch spannungsfördernden Moment. Da war sie unmittelbar wieder: Die arg passgenaue Reißbrett-Handlung, die exakt die (melo-)dramatischste Situation entstehen lässt, die es gerade braucht.
Ich bin nicht mal sicher, was ich fauler finde. Dieses rein zu Spannungszwecken erdichtete Konstrukt – oder den Fakt, dass ein Mensch mit einer emotionalen Ansprache zu einem Computer durchdringt. Immerhin: Brent Spiner durfte in einigen dieser Szenen beim Wechsel zwischen beiden Rollen ordentlich Schauspielakrobatik hinlegen. Es macht immer Spaß, ihm zuzuschauen.
Gut fand ich Sevens Wiedersehen mit Tuvok, der sich ebenfalls als Teil der Verschwörung entpuppt. Das Bangen um seine wahren Absichten und der Wille, ihm zu vertrauen, waren ihn der Szene fühlbar umgesetzt. Tim Russ spielt das mit viel Freude und ungewohnten Anflügen von Verschlagenheit, dass wir nicht extra gezeigt bekommen haben, was sein Status gerade ist, war ein kluger Schachzug, auch wenn ich auf die Will-Riker-Imitation gut hätte verzichten können. Die war eine Nummer drüber.
Vor allem aber habe ich gerade mächtig Sorge, wie uns die Macher der Sendung Jack Crushers seltsame Fähigkeiten erklären werden. Seine Gedankenleserei mit Sidney begann spannend, gipfelte dann aber in einem Drahtlos-Mindmeld mit Purzelbäumen, den ich so doof fand, dass mir die Worte fehlen. Warum ist Sydneys Gedanke “Jack, was soll ich tun?”, anstatt, “Mist, das war’s dann wohl mit mir!” oder “AAAAAAH, ich will nicht sterben!”? Was, wenn Sidney keinen Purzelbaum kann? Ich kenne ein paar Leute, die können keinen Purzelbaum (okay, zwei davon sind drei und fünf Jahre alt, aber trotzdem). Fragen über Fragen. Ich habe jedenfalls wenig Erinnerung an den genauen Verlauf der Szene und was gesagt wurde, weil mein Kopf offenbar versucht, sie mit aller Gewalt auszublenden. Was das alles bedeutet, wer weiß es schon. Es besteht offensichtlich eine Verbindung zu den Wechselbälgern, aber momentan passt das Gesehene vorn und hinten nicht zusammen. Auf eine esoterische Wechselbalg-Jesus-Story oder herbei gedichtete Crusher-Experimente bin ich emotional schlecht vorbereitet. Wie gesagt: Es braucht gute Erklärung, dann wäre ich vielleicht wieder an Bord.
Und allein damit, ein Imitat von Picard auf die Festlichkeiten zu schleusen, wird sich der Plan ja wohl auch nicht erledigt haben. Es muss mehr hinter Jacks Visionen und Skills stecken. Der vermeintliche Anschlag auf die Föderationsfestlichkeiten wirkt ohnehin irgendwie wie ein schwacher Vorwand. Die komplette Flotte an einem Punkt vereint? Wer hält das für eine gute Idee? Das scheint weder logistisch umsetzbar noch aus Sicherheitsaspekten klug. Sollte so etwas nicht abgeblasen werden, nachdem meines Wissens nach noch nicht offiziell zur Rechenschaft gezogene Terroristen das Rekrutierungszentrum der Föderation auf die Stadt haben fallen lassen? Ach, stimmt, wäre die Flotte nicht an diesem einen Punkt vereint, könnten die Autoren auch keinen möglichst episch angelegten Anschlag zum Thema ihrer Serie machen (siehe oben: Reißbrett!).
Ach, Mensch! Ich muss wirklich sagen, als jemand, der für Fanservice normalerweise nicht besonders gut empfänglich ist, wie ja meine Kritiken zu einschlägigen Serien hier belegen, war ich überrascht, wie gut ich bisher mit dieser dritten Staffel leben konnte. Aber mit Folge sieben schwingt die Spannung darüber, was als Nächstes passiert, in eine sorgenvolle Ungewissheit um, was sie mir nächste Folge wohl alles zumuten werden. Ich mochte das drei, vier Episoden anhaltende Gefühl, meinen Nörgler-Verstand mal auf die hinteren Plätze zu verweisen und mich von dieser als Star-Trek-Show getarnten Touristenattraktion mitnehmen zu lassen. Ich hoffe, es kehrt nächste Woche zurück.